Erfahrungen und Kontakte sammeln: Warum unbezahlte Praktika das Letzte sind

© Anna Schiel

"Für eine Vergütung können wir leider nicht aufkommen, aber die Erfahrungen, die du bei uns sammelst, werden einmalig sein und dich weit bringen". Diesen Satz habe ich so ähnlich nicht nur einmal in meinem Leben gehört. Außerdem weiß ich von Freund*innen und Kommiliton*innen, dass ich nicht die einzige bin, die sich über derartige Aussagen schon des Öfteren ärgern durfte. Wovon ich hier rede? Na, von unbezahlten Praktika. Also Arbeit ohne Bezahlung, dafür aber zusammen mit tollen Kolleg*innen – und ganz viel frischem Obst. Das bringt einem allerdings nicht viel, wenn man sich das nicht leisten kann. Deswegen bin ich der Meinung: Praktika müssen ordentlich vergütet werden.

Der Mindestlohn gilt nicht für alle

Für alle, die bisher verschont geblieben sind und entweder noch nie ein Praktikum absolviert haben oder einfach in einer gut bezahlten Branche tätig sind, kommt hier ein kleiner Crashkurs zum Thema Praktikum und Bezahlung:

Die aktuelle Gesetzeslage sieht vor, dass alle freiwilligen Praktika, die länger als drei Monate dauern, mit dem Mindestlohn vergütet werden müssen. Die Betonung liegt hier aber eindeutig auf freiwillig – alle Pflichtpraktika, die im Rahmen eines Studiums oder in einer Ausbildung vorgeschrieben werden, fallen nicht unter diese Reglung. Das heißt im Klartext: Die jeweiligen Unternehmen dürfen die Bezahlungen selbst festlegen und müssen auch nach drei Monaten keinen Mindestlohn zahlen. Spoiler: Sehr viele tun das leider nicht.

Wie von 450 Euro leben?

Vermutlich werden einige jetzt mit dem Wort undankbar um die Ecke kommen, aber dieser Missstand führt gerade in der Medienbranche zu einem riesigen Problem. Mir ist bewusst, dass Praktikant*innen vor allem zu Beginn viel Arbeit, Zeit und Geld für ein Unternehmen kosten. Aber ein*e Bachelor-Absolvent*in, die in den letzten Zügen ihres Studiums steckt oder gar ein*e Masterstudierende*r, der*die ein Pflichtpraktikum absolviert, 40 Stunden unbezahlt arbeiten zu lassen, ist dreist und sollte nicht legal sein. Gerade in der Medienbranche und im Journalismus – dort sind Praktika äußerst wichtig und haben schon einigen zu der Karriere verholfen – ist das aber ein gängiges Model.

© Christin Hume | unsplash

Mir darf ja gerne mal jemand vorrechnen, wie man mit 450 Euro im Monat in einer Stadt mit Miete, Semesterbeitrag und sonstigen Lebensunterhaltungskosten ohne Unterstützung über die Runden kommen soll. Das ist mittlerweile nicht nur in den teureren Großstädten schwierig, sondern wird auch in Kleinstädten immer mehr zum Problem. Günstiger Wohnraum ist knapp, durchschnittlich kostet ein WG-Zimmer in Deutschland zurzeit 435 Euro. Und neben einem 40-Stunden-Praktikum zusätzlich noch zu arbeiten, ist utopisch. Klar, manch eine*r hat eventuell die Möglichkeit, während des Praktikums wieder zu den Eltern zu ziehen – blöd nur, wenn die aus einem Dorf ohne Jobmöglichkeiten kommen.

Wer aus gutem Hause kommt und von den Eltern finanziell unterstützt werden kann, kann sich sowas leisten. Wer nicht das Glück hat, eben nicht.

Die Rechnung ist demnach einfach: Wer aus gutem Hause kommt und von den Eltern finanziell unterstützt werden kann, kann sich sowas leisten. Wer nicht das Glück hat, eben nicht. Wisst ihr, was die Folge ist? Mangelnde Diversität. In Medienunternehmen trifft man überdurchschnittlich oft auf eine bestimmte Gruppe an Menschen, die alle ähnliche Werdegänge haben und aus gleichen Verhältnissen stammen.

Mehr als 60 Prozent der aktiven Journalist*innen in Deutschland haben einen Studienabschluss, meist sogar einen Master in der Tasche. Viele davon kommen aus Akademikerhaushalten. Dem gegenüber steht, dass nur rund 27 Prozent der Schüler*innen aus Nichtakademikerfamilien ein Studium beginnen. Schwierig für einen Bereich, der möglichst vielfältig aufgestellt sein und berichten sollte.

Mehr Wertschätzung wäre angebracht

Apropos, schwierig ist auch die Wertschätzung für die Arbeit (meist junger) Menschen. Nur weil deren Status und die Zeit im Unternehmen anders sind, heißt das nicht, dass sie keinen Beitrag für die Firma leisten. Im Gegenteil: Durch den Druck, performen zu müssen, investieren Praktikant*innen viel Energie und Zeit in ihre Arbeit. Oft wird das schamlos ausgenutzt.

Die Energie sollten wir dabei lieber in Lösungen und Veränderungen stecken. Zum einen kann ich all den jungen Menschen den Tipp geben, in diesem System nicht mehr mitzumachen. Verkauft euch nicht unter Wert, verhandelt und steht für euch ein! Zum anderen kann ich nur an Unternehmen und die Politik appellieren: Seid nicht asozial, geht fair mit Berufseinsteiger*innen um. Schätzt ihre Arbeit und bezahlt sie auch ordentlich dafür! Der Mindestlohn sollte deswegen auch für Pflichtpraktika gelten. Sonst haben wir bald alle keinen Bock mehr.

Eine Sache noch: Wer ernährt sich bitte nur von Obst?

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