Patchwork braucht seine Zeit

© Hella Wittenberg

"Cool trotz Kind" ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint durchläuft dafür sämtliche Lebensentwürfe. Auf drei Jahre Kleinfamilie folgten vier Jahre Wechselmodell. Inzwischen hat er eine Freundin, die selbst Mutter ist. Dabei war er immer zufrieden, mit seiner Tochter Wanda* nur ein Einzelkind zu haben. Doch Zeiten ändern sich. Clint findet man auch bei Instagram.

Cool bleiben trotz Kind, das ist noch immer der Traum, die große Sehnsucht. Ich jage ihr seit fast einem Jahrzehnt nach, habe ein ganzes Buch darüber geschrieben, das im April erscheint. Und noch immer bin ich genauso ratlos wie am ersten Tag. Ratlos darüber, wie es zu bewerkstelligen ist, Vater und gleichzeitig Mensch zu bleiben. Gerade erst hat es wieder vollkommen unverhofft Drama gegeben mit meiner Leibesfrucht.

Viel früher als erwartet ist Wanda in die berüchtigte "Monopoly"-Phase gekommen, will von früh bis spät mit mir zocken. Allerdings immer nur bis alle Straßen und Bahnhöfe verkauft sind. Wenn es dann darum geht, die Konkurrenz niederzuringen, will sie lieber von vorn anfangen. Eigentlich nett, den Raubtier-Aspekt des Spiels so auszuhebeln.

In einem nostalgischen Anfall habe ich überdies die andere Kapitalismus-Simulation "Hotel" ersteigert. Bei der ersten Runde am Wochenende war Wanda zuerst begeistert, dann fing sie irgendwann plötzlich zu heulen an. Der Grund: Das Spiel machte ihr keinen Spaß – das konnte sie sie aber nicht äußern. Es war also an mir, sie zu trösten und zu beschwichtigen. Dabei hatten wir ja von Anfang an nur ihr zuliebe gespielt!

Bockig bis zum Abwinken

Kinder verhalten sich unlogisch, das ist ihr Vorrecht und ihre Superkraft. Das kann für die Eltern anstrengend werden, doch die Natur hat in ihrer perfiden Art dafür gesorgt, dass Liebe im Spiel ist. Man kann sich als Elternteil also noch so sehr über das miese Verhalten der Brut echauffieren, am Ende wird man durch ein süßes Lächeln wieder entwaffnet. Eigentlich unfair, und man sollte doch annehmen, dass niemand so wahnsinnig ist, sich gleich mehrere Kinder anzuschaffen.

Ich habe hier bereits über die Bemühungen berichtet, die das Patchwork-Konstrukt mit sich bringt, in dem ich seit fast einem Jahr lebe. Denn durch Toni*, den Sohn meiner Freundin Judith, gibt es nun ein Bonuskind in meinem Leben. Ich bin bisweilen an meine Grenzen gestoßen, und die große Anzahl an Zuschriften auf dieses Geständnis zeigte mir, dass ich damit nicht allein bin. Es scheint ziemlich viele Mütter und Väter zu geben, die im Patchwork eine große Herausforderung sehen.

Make it work: Dates ohne Übernachtung

Judith und ich haben inzwischen Mittel und Wege gefunden, damit umzugehen. Zum Beispiel treffen wir uns nun oft mit beiden Kindern zu einer Unternehmung, gehen ins Kino oder auf einen Spielplatz, essen danach noch zusammen, lösen die Versammlung dann aber auf. Dadurch haben wir ein schönes Erlebnis, ohne den Druck eines Übernachtungsdates, bei dem früher oder später eines der Kinder zwangsläufig austickt und bockig wird. Was meiner Meinung nach oft daran liegt, dass die lieben Kleinen spüren, wenn sie irgendwie funktionieren müssen – und sich dann querstellen.

Ich habe deswegen auch ziemlich Respekt vor Tonis Geburtstagsparty, die an einem Samstag in einer kleinen Lounge des Moviemento-Kinos stattfindet. Als frischgebackener Fünfjähriger hat er natürlich nur fünfjährige Kommiliton*innen aus der Kita eingeladen. Weshalb ich befürchte, dass meine drei Jahre ältere Tochter sich langweilen könnte. Nach dem Auspacken der Geschenke und einer Bastelrunde ist das Eis zwischen den Gören allerdings gebrochen. Sie machen sich ein Vergnügen daraus, von der größeren Wanda durchs Kino gejagt zu werden. Quiekend flitzen sie von links nach rechts.

Kinder verhalten sich unlogisch, das ist ihr Vorrecht und ihre Superkraft.

Einmal kommt es zum obligatorischen Zwist. Durch irgendeinen belanglosen Zwischenfall bockt der Bonussohn und will nichts mehr mit seinen Gästen zu tun haben (Stichwort: unlogisches Verhalten). Ich kann ihn jedoch verstehen, beziehungsweise bin ich daran gewöhnt, dass Kinder bei solchen Anlässen emotional überempfindlich werden. Das weiß ich spätestens seit den berüchtigten Laternenumzügen in Kita und Schule, bei denen irgendwann die Laternen nicht so funktionieren, wie sie sollen, und ausnahmslos alle Kinder in Tränen ausbrechen.

"Wanda, der Film geht gleich los", sagt Judith zu meinem Kind, als es soweit ist. Und die, statt gelangweilt zu sein, blüht weiter auf in ihrer Leitwolf-Rolle und verkündet: "Gut, dann sammle ich mal die Kleinen ein."

Es wird ein gelungener Tag. Der mich zuversichtlich stimmt, dass unser anstehender Patchwork-Urlaub in der Karwoche ebenso erfreulich ablaufen wird. Fünf Tage Brighton, mit beiden Kindern und als Zugabe: meinen Eltern. Viel Drama-Potential. Aber da wir uns inzwischen die Zeit geben, die wir brauchen, sollte es eigentlich recht vergnüglich werden.

*Namen geändert

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