Mein Kind hat das Beste verdient – und das bin nicht ich

© Hella Wittenberg

"Cool trotz Kind" ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint durchläuft dafür sämtliche Lebensentwürfe. Auf drei Jahre Kleinfamilie folgten vier Jahre Wechselmodell. Inzwischen hat er eine Freundin, die selbst Mutter ist. Dabei war er immer zufrieden, mit seiner Tochter Wanda* nur ein Einzelkind zu haben. Doch Zeiten ändern sich. Clint findet man auch bei Instagram.

„Hallo, mein Name ist Clint und ich bin seit acht Jahren Vater“. Wer findet, dass diese Worte klingen wie die Begrüßungsformel in einer Selbsthilfegruppe, liegt absolut richtig. Seit es diesen drastischen Einschnitt in mein Leben gab, schwanke ich ständig zwischen Verzweiflung und unerträglicher Liebe. Ich bin völlig ausgeliefert. Ich bleibe andauernd hinter meinen Möglichkeiten zurück. Ich möchte es gut machen, aber ich kann oft nicht. Mit anderen Worten: Ich brauche Hilfe!

Wenn meine Tochter bei mir ist, will ich der beste Mensch sein, der ich sein kann. Ich will ihr aufmerksam zuhören, und zwar immer, selbst dann, wenn sie etwas Stinklangweiliges erzählt und sich dabei pausenlos wiederholt. Ich will kucken, wenn sie sagt „Kuck mal“, und zwar sofort, nicht erst nachdem ich sie mehrmals mit „Gleich“ vertröstet habe. Ich will geduldig sein, in jeder Situation, vor allem wenn sie etwas nicht kann.

Anspruch und Wirklichkeit

Stattdessen hüpfe ich direkt aus dem Koffer, wenn sie nicht mitkriegt, dass ich bei Monopoly auf eine ihrer Straßen gerückt bin. Ich nicke nur und mache „Jaja“, wenn sie redet, und habe dabei keine Ahnung, wer diese anderen Mädchen sind, mit denen sie ihren Alltag in der Schule verbringt. Und statt das Beste aus jedem verdammten Moment mit ihr rauszuholen, sage ich: „Mach mal irgendwas Lustiges, damit ich in der Kolumne darüber schreiben kann und dann geh in dein Zimmer spielen.“

Wenn meine Tochter bei mir ist, will ich ganz viel mit ihr unternehmen. Ich will ihr zuliebe ins Schwimmbad gehen und stundenlang rutschen, auch wenn mir das keinen Spaß macht und ich mir in meiner Ungeschicklichkeit die alten Knochen an den Fiberglaswänden stoße. Ich will mit ihr doofe Kinderfilme im Kino anschauen, die sich bisweilen als gar nicht so doof entpuppen. Ich will Monopoly spielen, mehrmals am Tag, auch wenn das zu zweit nicht richtig fetzt. Und ich will ihr sagen, dass ich die Bilder schön finde, die sie mit Hingabe malt.

„Mach mal irgendwas Lustiges, damit ich in der Kolumne darüber schreiben kann und dann geh in dein Zimmer spielen.“

Stattdessen sitzen wir meistens zu Hause und können uns nicht mal aufraffen, zum Späti zu gehen. Entweder bin ich zu faul, oder sie ist diejenige, die nicht vom Sofa aufstehen will. Warum soll man auch rausgehen, wenn es regnet und kalt ist und sich aufgrund des BSR-Streiks überall die Müllberge türmen? Wir sind froh in Berlin zu sein, mit seinen vielen Theatern und Museen und was es sonst noch so bietet. Doch wir nehmen rein gar nichts davon in Anspruch.

Es gibt nur wenige Tage, an denen ich über mein träges Ego hinauswachse. An denen ich eine Zwei-Stunden-Zugfahrt zum Arbeiten nutzen will und dann stattdessen einfach nur da sitze und das konzentrierte, entrückte Gesicht meiner Tochter betrachte, während sie „Alice im Wunderland“ schaut. Tage, an denen ich abends nicht meine Ruhe will, sondern sie bei mir im Bett schlafen lasse und wir dann stundenlang in der Dunkelheit liegen und uns unterhalten. Richtig unterhalten, über bedeutende Themen wie Godzilla und Radioaktivität und die Liebe.

Jeder Tag zählt

An diesen wenigen Tagen halte ich fest. Ich richte mich daran auf. Denn ich weiß, dass man nicht in jedem Moment das Bestmögliche schaffen kann. Ich bin keine Maschine. Ich bin die meiste Zeit vollkommen ratlos. Das Kuriose ist nur, dass meine Tochter mich trotzdem zu lieben scheint. Vielleicht ist sie gnädiger, als ich es verdiene. Und das wiederum ist der beste Ansporn, dass ich mir weiterhin Mühe gebe.

*  Name geändert

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