Kinder sind schlechte Verlierer

© Hella Wittenberg

"Cool trotz Kind" ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint durchläuft dafür sämtliche Lebensentwürfe. Auf drei Jahre Kleinfamilie folgten vier Jahre Wechselmodell. Inzwischen hat er eine Freundin, die selbst Mutter ist. Dabei war er immer zufrieden, mit seiner Tochter Wanda* nur ein Einzelkind zu haben. Doch Zeiten ändern sich. Clint findet man auch bei Instagram.

"Der tut nichts, der will nur spielen!" Ein berühmter letzter Satz, den man zu hören kriegt, wenn der deutsche Schäferhund sich bereits im Sturzflug auf die eigene Halsschlagader befindet. Ich muss jedoch auch oft daran denken, wenn ein Kind das Zimmer betritt, meine Tochter oder sonst irgendeins. Kinder wollen andauernd spielen, von früh bis spät. Das wäre okay, wenn sie es allein tun würden. Leider wollen sie, dass ihre Eltern mitmachen.

Spielen, so wie Kinder es tun, ist unfassbar langweilig. Finde ich jedenfalls. Wenn es das nicht wäre, hätte ich ja nicht damit aufgehört, als ich in die Pubertät kam. Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass man immer wieder das gleiche tut. Bau die Burg aus Holzklötzen auf, mach sie kaputt, bau sie noch mal auf, sie muss wieder dran glauben. Ich war mir sicher, dieses Muster würde sich ändern, wenn Wanda älter wird. Doch irgendwie ist alles noch schlimmer geworden. Denn dann kamen die Gesellschaftsspiele.

Zocken bis der Arzt kommt

Meine Tochter (und da wird sie sich kaum von jedem anderen Kind unterscheiden) ist eine Zockerin vor dem Herrn. "Uno", "MauMau", "Sagaland", neuerdings "SkipBo" – es gibt nichts, was sie nicht nach kürzester Zeit beherrscht und dann pausenlos spielen will. Im Grunde hat sich meine Funktion als Erziehungsbeauftragter darauf reduziert, ihr Paroli zu bieten. Das könnte sogar ganz nett sein, immerhin sind diese Spiele tausendmal unterhaltsamer als der obligatorische Kaufladen, oder anderer Babykram, mit dem Eltern gequält werden.

Allerdings ist es mir als Vater strengstens verboten, nach bestem Wissen und Gewissen an die Sache heranzugehen. Mich ins Zeug zu legen, genau wie Wanda, einen Sieg anzustreben, koste es, was es wolle. Denn wenn es dann vorkommt, dass Wanda eine Runde von zwanzig verliert, gibt es augenblicklich Tränen und Geschrei. Dann hängt stundenlang der Haussegen schief. Um ihn zu retten, muss ich schließlich zu Kreuze kriechen und mich für meine Grobheit entschuldigen.

Ein Kampf gegen Windmühlenflügel

Das liegt einfach daran, dass Kinder die schlechtesten Verliererinnen und Verlier der Welt sind. Sie sind nicht in der Lage, die reine Freude am Spiel zu genießen, sie können nicht einsehen, dass eine Siegquote von zwanzig zu eins ziemlich gut ist. Nein, sie wollen gewinnen, gewinnen, gewinnen, auf Teufel komm raus! Sich dagegen zu stellen, führt unweigerlich zum Streit. Ist man also so harmoniebedürftig wie ich, bleibt einem nichts anderes übrig, als sie absichtlich gewinnen zu lassen.

Wer nun aber glaubt, damit den Frieden erkaufen zu können, hat sich geschnitten. "Der Klügere gibt nach" ist ein Sprichwort, das von skrupellosen Machthabern erfunden wurde. Denn wenn man so blöd ist, vor einem Stärkeren nachzugeben, kommen immer noch mehr Forderungen. Das zeigt einem nicht nur ein Blick in den Osten, sondern auch das eigene Kind. Bin ich beim Spielen nämlich so kulant und lege die Hände in den Schoß, ist das auch wieder nicht recht. Wanda will nicht, dass ich sie absichtlich gewinnen lasse. Sie will, dass ich ihr glaubhaft vortäusche, mir alle Mühe zu geben. Damit ihr Triumph vollkommen ist, damit sie sehen kann, dass ich keine Chance habe gegen diese Übermacht an Geschick und Gerissenheit. So ein Affentheater!

'Der Klügere gibt nach' ist ein Sprichwort, das von skrupellosen Machthabern erfunden wurde. Denn wenn man so blöd ist, vor einem Stärkeren nachzugeben, kommen immer noch mehr Forderungen.

Was soll man da tun? Müssen Eltern wirklich jede Demütigung klaglos hinunterschlucken? Ich empfehle, sich ein Spiel auszusuchen, bei dem man wirklich schlechter als die liebe Leibesfrucht ist. Zum Beispiel das klassische Memory. Darin sind Kinder zwangsläufig besser als Erwachsene. Weil unsereins ständig abgelenkt ist. Während wir an die Steuererklärung denken, an den Einkaufszettel, die Liebe oder den Wahlsieg der CDU, konzentrieren sie sich auf das Wesentliche und heimsen ein Kartenpärchen nach dem anderen ein. Das ist zwar nicht gerecht, aber man muss wenigstens nicht so tun, als würde man sich vergeblich anstrengen.

*Name geändert

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