Das Tropical Islands ist ein Grund sich zu trennen
"Cool trotz Kind" ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint durchläuft dafür sämtliche Lebensentwürfe. Auf drei Jahre Kleinfamilie folgten vier Jahre Wechselmodell. Inzwischen hat er eine Freundin, die selbst Mutter ist. Dabei war er immer zufrieden, mit seiner Tochter Wanda* nur ein Einzelkind zu haben. Doch Zeiten ändern sich. Clint findet man auch bei Instagram.
Es ist wieder soweit. Obwohl ich vom letzten Jahr die Schnauze noch gestrichen voll habe, muss ich wieder ins Tropical Islands. Das Urlaubsparadies mit dem Charme des Gesundbrunnen-Centers. Zuletzt bekam es ziemlich schlechte Presse, wurde aufgrund seines immensen Energieverbrauchs als so eine Art Steigbügelhalter Putins bezeichnet ((der tägliche Bedarf entspricht dem von 4.000 Haushalten, siehe Tagesspiegel). Dieses Totschlagargument hätte ich gar nicht gebraucht. Schon beim Gedanken, wieder dorthin fahren zu müssen, klettert ein hysterisches Lachen mein Rückgrat herauf. Die Aussicht, wegen Sparmaßnahmen dort nun den ganzen Tag frieren zu müssen, macht den Kohl auch nicht mehr fett. Leider habe ich Wanda den Besuch hoch und heilig versprochen, seit Monaten freut sie sich schon darauf.
Die Qual der Wahl: Eine Woche Wien oder eine Nacht Tropical Islands?
Dazu kommt, dass diesmal auch meine Freundin Judith mit ihrem Sohn Toni* mitkommen wird. Zu diesem Anlass haben wir für die Übernachtung kein Zelt wie in den letzten zwei Jahren gebucht, sondern ein Zimmer für schlappe 600 Euro. Diesen Preis, für den man auch eine Woche Urlaub in Wien machen könnte, teilen wir uns zwar auf, trotzdem muss ich nun mehrere Texte schreiben, um meine Hälfte zu stemmen. All diese Widrigkeiten können meine Stimmung am großen Tag jedoch nicht trüben. Judith und den Kindern zuliebe werde ich gute Miene zum bösen Spiel machen.
Daran ändert auch die endlose Schlange am Eingang nichts. Wie im letzten Jahr dauert es geschlagene eineinhalb Stunden, bis wir reingelassen werden. Vor, hinter und neben uns stehen verzweifelte Eltern, die nicht wissen, wie sie ihre zu Recht ungeduldigen Kinder beschwichtigen sollen. Von den fünf Check-in-Schaltern sind nur zwei besetzt. Einmal kommt ein Mitarbeiter und öffnet einen dritten, worauf einer seiner Kollegen prompt in die Pause geht. Ich wusste, dass dies auf uns zukommen könnte und rette mich in verhaltene Scherze. Meine an die Kinder gerichtete Bemerkung: "Wenn wir gleich drin sind, machen wir aber erst mal Mittagsschlaf!" ruft in der Schlange allgemeine Belustigung hervor.
Endlich sind wir im Zimmer. Die Flasche Begrüßungssekt, die Judith und ich zur Beruhigung unseres Nervenkostüms bestellt haben, ist natürlich nicht da. Während die Kinder sich fürs Baden umziehen, flitze ich schnell zur Info.
"Hier steht aber, dass Sie Weißwein bestellt haben", pampt mich die brandenburgische Mitarbeiterin an. Mit einem schneidigen Schlenker präsentiere ich ihr die Reservierungsbestätigung.
"Nein, Verehrteste, sehen Sie: Sekt. Und übrigens: Weißwein ist auch nicht da."
Man kann sagen, was man will, innerhalb von zwei Minuten kriegen wir vom Service eine Flasche gebracht. Sie ist ungekühlt. Als Entschuldigungsgeste wird uns im Laufe des Tages sogar eine zweite geschenkt, die ebenfalls warm ist. Manchmal kann es schließlich auch schön sein, so einen Sekt einfach nur anzuschauen, statt ihn zu trinken.
Das Tropical-Islands-typische Phänomen, das ich bereits verdrängt hatte: Man steht andauernd in einer Schlange. Man will was trinken, man muss sich anstellen. Man gibt die Becher zurück, man steht wieder an. Im Anschluss flitzt man mit dem Kind zum Rutschenturm: Schlange.
Die Kinder werden auf die Schwimmbecken losgelassen. Die Freude ist groß und steckt mich natürlich an. Dann jedoch das Tropical-Islands-typische Phänomen, das ich bereits verdrängt hatte: Man steht andauernd in einer Schlange. Man will was trinken, man muss sich anstellen. Man gibt die Becher zurück (drei Euro Pfand), man steht wieder an. Im Anschluss flitzt man mit dem Kind zum Rutschenturm: Schlange. Was Wanda bisher nicht bewusst war, formuliert sich in ihrem achtjährigen Verstand nun von allein:
"Ach, Papa, wir verlieren beim Anstehen so viel Zeit. Wie viele Stunden sind wir noch hier? Müssen wir bald wieder heim?"
Grundsätzlich ist es wesentlich entspannter, diesen Ausflug als Paar zu wagen. Auch wenn man trotzdem pausenlos am Rennen ist. Mama, wo ist mein Schwimmreifen? Papa, ich brauch meine Taucherbrille! Wo haben wir unsere Badetiere gelassen? Ich hab Hunger. Ich hab keinen Hunger! Eltern sind Erfüllungsgehilfen der Launen ihrer Kinder. Da hilft es, wenn man sich wenigstens mit der Betreuung verschiedener Gören abwechseln kann.
Pärchenurlaub im Tropical Islands?
Die Sorge, es könnte wegen der Energiesparmaßnahmen kälter als in den Vorjahren sein, erweist sich übrigens als unbegründet. Es kommt mir sogar wärmer vor, selbst das große Südsee-Becken, das sonst ziemlich kühl ist, wurde diesmal tüchtig geheizt. Da klatscht Putin bestimmt in seine feisten Händchen. Während eine aufgekratzte Animateurin die Kinder zur Wassergymnastik anpeitscht, strahlt Judith mich an:
"Also ich finde es richtig schön hier!", sagt sie.
"Würdest du auch ohne Kinder herkommen?"
"Um Gottes Willen, nein."
Das erleichtert mich ziemlich. Zu meinem Entsetzen gibt es nämlich erstaunlich viele, die dort Pärchenurlaub machen. Den ganzen Tag sonnen sie ihre zugehackten Körper unter dem künstlichen Himmel, und schlürfen in der Cocktail-Maschine gemixte Drinks aus Plastikbechern. Für mich ein ganz klarer Trennungsgrund.
Es ist schon fast zehn, als wir zum letzten Mal schwimmen gehen. Wanda und Toni dümpeln selig im Wasser, die Dunkelheit und das allgegenwärtige Rauschen schläfern sie langsam ein. Mission erfüllt. Das Beste ist eben das, was man daraus macht. Aber nächstes Jahr werden wir uns trotzdem an die Spreewelten Lübbenau oder eines der vielen anderen Bäder halten. Auch wenn wir dafür auf den liebevoll gewärmten Sekt verzichten müssen.
*Namen geändert