Männerabend – eine Verabredung mit dem Bonuskind

"Cool trotz Kind" ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint durchläuft dafür sämtliche Lebensentwürfe. Auf drei Jahre Kleinfamilie folgten vier Jahre Wechselmodell. Inzwischen hat er eine Freundin, die selbst Mutter ist. Dabei war er immer zufrieden, mit seiner Tochter Wanda* nur ein Einzelkind zu haben. Doch Zeiten ändern sich. Clint findet man auch bei Instagram.

Ich freue mich auf einen schönen Abend mit meiner Freundin Judith. Ihren vierjährigen Sohn Toni* kann ich gut leiden, es würde mich jetzt aber auch nicht kreuzunglücklich machen, wenn er schon im Bett wäre. Dann könnten wir endlich das Finale der vierten Staffel von "Stranger Things" schauen oder einen Film. Oder einfach in der Dunkelheit auf dem Bett sitzen, ein paar Kissen im Rücken, einen Gin Tonic in der Hand, und leise reden. Oder gemeinsam schweigen. Stattdessen werde ich folgendermaßen empfangen:

"Hey, Toni ist schon ganz aufgeregt. Er hat sich den ganzen Tag auf euren Männerabend gefreut!"

"Cool", sage ich. "Was denn für ein Männerabend?"

"Hast du das vergessen? Ich muss doch zu dem Treffen mit Peter und der Agentur."

"Stimmt, da war ja was."

"Bin in drei, vier Stunden zurück. Habt viel Spaß!"

Und da sitze ich nun. Statt "Stranger Things" blüht mir ein Hörspiel von "Die Eiskönigin". Und das nur, damit meine Freundin mit Tonis Vater, also ihrem Ex, zu irgendeinem Meeting in Neukölln gehen kann. Genau so habe ich mir einen gemütlichen Abend vorgestellt.

Die Angst vorm Bonuskind

Judith und ich sind seit knapp einem halben Jahr zusammen. Seitdem versuchen wir unseren Alltag als Patchwork-Familie auf die Reihe zu kriegen. Sie mit Toni, ich mit meiner achtjährigen Tochter Wanda. Ich musste zwar dank der Kommentare zu dieser Kolumne lernen, dass wir eigentlich eine Stieffamilie sind, aber auf hanebüchene Internet-Begrifflichkeiten gebe ich einen feuchten Kehricht. Sorry, not sorry. Jedenfalls haben wir bereits viele Tage zu viert verbracht, ebenso viele zu dritt mit jeweils einem Kind, Judith war sogar schon mal allein mit Wanda unterwegs. Die einzige Konstellation, die noch ausstand, war diese Vier-Augen-Nummer zwischen Toni und mir.

"Das ist doch bestimmt mal ganz nett", versucht Judith mir diesen bodenlos frechen Überfall schmackhaft zu machen. "Ihr könnt tun und lassen, was ihr wollt. Damit ihr mal eure eigene Ebene findet!"

Nachdem sie Richtung Neukölln aufgebrochen ist, nähere ich mich langsam der Zimmertür meines Bonuskindes. Tonis Zimmertür. Er sitzt an seinem Schreibtisch und malt, lässt sich dabei nicht stören. Ich frage, ob es ihm gut geht, er bejaht. Ob er Hunger hat, will ich als nächstes wissen. Er nickt. Gar nicht so schwierig, diese Kommunikation. Und das Beste: Ich habe eine sinnvolle Aufgabe gefunden. Damit sind die nächsten dreißig Minuten gesichert.

Mond, Dinosaurier und Ladybug

"Was machen wir jetzt?", fragt er, als er gegessen hat. Genau davor habe ich mich gefürchtet.

"Keine Ahnung. Vielleicht ein Buch lesen?"

"Wann kommt meine Mama?"

"In ein paar Stunden."

"Ich kann nicht schlafen, wenn meine Mama nicht da ist."

"Musst du ja gar nicht. Lass uns doch einfach mal hinlegen."

Natürlich wäre es der ultimative Erfolg, ihn zum Einschlafen zu bringen. Im Grunde könnte mir das egal sein, aber ich möchte vor Judith glänzen. Damit ich mich als Superdaddy aufspielen kann. Wir machen es uns in Tonis Bettchen bequem, lesen ein Buch über hässliche Tiere. Das dauert etwa sieben Minuten. Danach will er wissen, wann seine Mama endlich nach Hause kommt. Meine Güte, denke ich. Mama, Mama, Mama. Laut sage ich:

"Sie kommt bestimmt gleich. Lass uns doch solange ein bisschen plaudern."

Was wir auch tun. Wir reden über den Mond, über das Aussterben der Dinosaurier, über Ladybug und die Minions. Dass er dabei irgendwie müde werden würde, ist natürlich ein frommer Wunsch. Aber letztendlich tun wir genau das, worauf ich mich zu Beginn des Abend gefreut habe: Wir sitzen im Dunklen und unterhalten uns leise.

*Namen geändert

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