Fernfreundschaften: Wie pflegt man Beziehungen auf Distanz?

© Xenia Beitz

"When everything is wrong I’ll come talk to you. You make things alright when I’m feeling blue". In meinen Augen ist das mit die beste Beschreibung von Freundschaft, die die Band Weezer in ihrem Song "My best friend" liefert. In guten wie in schlechten Zeiten zu einer Person gehen zu können, sich auf sie verlassen und gemeinsam lachen und weinen können – das ist für mich Freundschaft. Doch das ist nicht immer so easy. Vor allem dann nicht, wenn wir nicht in derselben Stadt leben, eine Distanz von über 650 Kilometern zwischen uns und unseren Freund*innen liegt oder man sogar das Flugzeug für einen Besuch nutzen muss. Es gibt einige Freund*innen von mir, die sich jetzt angesprochen fühlen könnten, denn ich bin mittlerweile fast Profi darin, Fernfreundschaften zu führen. Also Freundschaft auf Distanz. 

Aus Distanz muss nicht Entfernung werden

Ausgesucht habe ich mir das natürlich nicht. Doch es wäre utopisch zu glauben, mit seinen engsten Freund*innen ein Leben lang in unmittelbarer Nähe zu leben. Wünschen würde ich es mir natürlich trotzdem. Doch sobald man im Leben einmal die Heimat verlassen hat, zum Studium in eine andere Stadt gezogen ist, die Bundesländer wechselt wie andere ihre Smartphones und in jungen Jahren nicht am gleichen Ort bleibt, dann ist es irgendwann nicht mehr möglich zur besten Freundin rüber über die Straße laufen zu können. Die Realität bedeutet stattdessen zu telefonieren oder eben 15-minütige Sprachnachrichten abzuhören. Und die gleiche Länge wieder zurückzuschicken. Inzwischen versammele ich Freund*innen aus Kindheitstagen, dem Studium und anderen Zwischenstationen aus gefühlt ganz Deutschland um mich herum. Nicht alle, aber ein paar sind bis heute geblieben. 

nachdenklich
© Anna Schiel

Freundschaften verändern sich im Leben und das ist normal. Tendenziell werden sie im Alter weniger und ab dem 25. Lebensjahr vergrößert sich der Kreis an Freund*innen im Schnitt nicht mehr, so ergab es eine britische Studie. Wenn man eine eigene Familie gründet, mehr arbeitet, nicht mehr so häufig an gesellschaftlichen Treffen teilnimmt und der Alltag anders strukturiert ist als mit Mitte zwanzig, hat man plötzlich weniger Zeit für sie. Die meisten Freundschaften pflegen wir tatsächlich in unseren Zwanzigern, ein Großteil der Menschen würden je nach Geschlecht angeben, zwischen 15 und 20 Freund*innen zu haben. Wie viele davon Fernfreundschaften sind, lässt sich nicht so leicht herausfinden. Ich weiß aber, dass ich damit nicht alleine bin.

Auch eine Freundschaft ist eine Beziehung, die gepflegt werden muss. Sie unterscheidet sich gar nicht so sehr von einer Fernbeziehung.

Der Umgang mit dieser Distanz fällt mir nicht immer leicht, manchmal beschleicht mich sogar das Gefühl, zu wenige Freund*innen zu haben oder die Verbindung zu ihnen zu verlieren. Nämlich immer dann, wenn man abends spontan etwas unternehmen möchte oder einfach ein gutes Gespräch und eine Umarmung bräuchte. Für einen Abend von Bayern nach Berlin zu fahren, geht aber nicht so easy. Geschweige denn, sich aus Schweden in ein Flugzeug zu setzen. Doch soziale Kontakte sind im Leben eines Menschen wichtig. Studien belegen, dass wir soziale Kontakte brauchen, um glücklich zu sein. Dazu gehört eben auch, mit Freund*innen sprechen zu können und Zeit miteinander zu verbringen.

Doch was ist mit jenen Freund*innen, die ich vielleicht nur ein mal im Jahr sehe? Umso mehr sollte man sich also bemühen, die enge Bindung der Freundschaft aufrechtzuerhalten. Denn auch eine Freundschaft ist eine Beziehung, die gepflegt werden muss. Sie unterscheidet sich gar nicht so sehr von einer Fernbeziehung. Und in die stecke zumindest ich auch viel Zeit und Fürsorge.

Meldet euch bei euren Liebsten

Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir in einer digitalen Welt leben, in der es nicht schwer ist, auch ohne Brieftauben, Kontakt zu halten. Die Füllfeder kann also beiseite gelegt werden und auf eine Antwort müssen wir (meist) nicht drei Wochen warten. Vielleicht greifen wir doch mal schnell zum Handy und antworten auf die seit vier Wochen gepinnten Nachrichten oder klingeln kurz mal bei den Liebsten durch. Ein kleines "Ich habe gerade an dich denken müssen", reicht manchmal nämlich auch schon. Als Gen Z-Geborene bin ich natürlich auch ein großer Fan von Apps, wie Snapchat oder BeReal. So ist es leicht, sich regelmäßig in den Alltag des anderen beamen. 

Doch auch feste Verabredungen oder Rituale helfen, die Beziehung zueinander zu stärken. An Weihnachten zum Beispiel kommen wir alle zusammen in die Heimat, dass wir uns dort sehen, ist Pflicht. Ähnlich wie unser Urlaub einmal im Jahr und auch wenn es nur ein verlängertes Wochenende ist, die gemeinsame Zeit ist uns heilig. Außerdem liebe ich es, meine Freund*innen regelmäßig in ihren Städten zu besuchen und andersherum. Eben so, wie es das Leben zulässt. Enge Freundschaften halten phasenweise auch mal weniger Kontakt aus, man darf sich nur nicht aus den Augen verlieren. Wir sollten Freundschaften als Beziehungen ernst nehmen und aus der physischen Entfernung keine emotionale Distanz werden lassen. 

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