Gemeinsam durch arm und reich: wie viel Geiz erträgt die Freundschaft?

© Brooke Cagle | Unsplash

In manchen Teilen Berlins und zu manchen Stunden in dieser Stadt, so empfinde ich das, hat Geld vieles von Konfetti. Es ist bunt, es macht Spaß, der eine hat mehr, der andere weniger davon. Und am Ende einer Nacht ist alles weg. Wer Glück hat, der findet am nächsten Morgen welches in seiner Unterwäsche. Wobei das auch, je nachdem, wie es dort reingekommen ist, Pech sein könnte.

Jedenfalls, und darum geht es mir, wird Geld in Berlin nebensächlich behandelt. Es stinkt nicht selten. Außer in Mitte, wo Geld einfach keine Rolle spielt. Dort haben alle alles, es wächst auf den drei Bäumen, die im Weinbergspark stehen. „Die niedrigen Lebenshaltungskosten“, diese Platte rasselt hier seit 2002. Doch, und das realisiere ich spätestens seit meinem 30. Geburtstag: Geld ist lustig und nebensächlich, solange wir und unsere Freunde ungefähr gleich viel besitzen. Solang man von Menschen umgeben ist, die das gleiche Verhältnis zu Sparsamkeit, Ausschweifung und Geiz haben. Früher, also, vor fünf Jahren, lachten wir gemeinsam über unsere Wochenration Ravioli aus der Dose, wenn die Abbuchung der Kreditkartenrechnung mal wieder total unerwartet eintraf. Wohingegen man wie Sonnenkönige im Grill Royal aß, wenn am gleichen Morgen Gehalt überwiesen wurde. Sofern man Gehalt erhielt und man wirklich 80 Euro für semi-gutes Fleisch und einen fantastischen Ausblick auf Berlins Hautevolee ausgeben wollte.

Hört bei Geld die Freundschaft auf, oder fängt sie dort erst an?

Jedoch, an irgendeinem Punkt in Freundschaften verlaufen unsere Pfade nicht mehr parallel. Einige werden Eltern, andere befördert, viele kündigen ihren Job und arbeiten freiberuflich. Geld erhält nicht mehr, vielleicht aber einen anderen Stellenwert. Denn wir wollen unsere freie Zeit nutzen, im wahrsten Sinne des Wortes auskosten. Einst packten wir unsere sieben Sachen, fuhren zum See und tranken Wein aus Kartons. Heute scheint freie Zeit mehr zu kosten, und überhaupt, 2002 ist vorbei.

Ich hatte mal eine Freundin. Hatte, weil ich mir ihren Lebensstandard nicht mehr leisten konnte.

Wir müssen uns finanzieren, genauso aber, besonders in einer schnelllebigen Stadt wie Berlin, in Freundschaften investieren. Was also, wenn man selber finanziell mit den neuen Ansprüchen seiner Freunde nicht mehr mithalten kann? Was tun wir, wenn wir selber plötzlich zu den Besserverdienern gehören, unsere beste Freundin jedoch seit Monaten von der Hand in den Mund leben muss? Hört bei Geld die Freundschaft auf, oder fängt sie dort erst an?

Ich hatte mal eine Freundin. Hatte, weil ich mir ihren Lebensstandard nicht mehr leisten konnte. Ich war Mitte 20, sie auch. Ich kam gerade in Berlin an, arbeitete als freie Texterin, sie lernte jemanden kennen, der viel Geld hatte. Aus unseren gemeinsamen Kaffeestunden wurden Abende zu dritt, zu viert oder zu acht, in großer, ausschweifender Runde, die völlig über dem lagen, was ich mir leisten konnte. Es funktionierte nicht mehr. Hätte sie mich permanent einladen sollen? Nein. Stolz, Ego, meine generelle Lebenseinstellung zu Geld – das kollidierte mit unserer Freundschaft.

Rein auf meiner Erfahrung basierend weiß ich, dass ich heute nicht mit jemandem befreundet sein könnte, der geizig ist. Der jeden Cent umdreht und mein Unvermögen, heute für morgen sparen zu wollen, als Charakterschwäche bezeichnet.

Rein auf meiner Erfahrung basierend weiß ich, dass ich heute nicht mit jemandem befreundet sein könnte, der geizig ist. Der jeden Cent umdreht und mein Unvermögen, heute für morgen sparen zu wollen, als Charakterschwäche bezeichnet. Gleich und gleich gesellt sich gern? Nein, aber solange ein vermögender Charlottenburger genauso nonchalant mit „Geld haben“ und „Geld nicht haben“ umgeht wie ein Künstler aus Neukölln, der bescheiden lebt und mit allem, was er hat, liebt, kann auch diese Freundschaft funktionieren.

Und das ist das Heilende an diesem Zustand der Erwachsenenfreundschaften, denn es gibt sie auch: Freunde, die wissen, wann man knapp bei Kasse ist, und vor allem wissen, wie man damit umgeht. Weil sie selber mal an diesem Punkt waren und sich darüber im Klaren sind, dass es jederzeit jeden treffen kann. Offenheit ist wohl der Schlüssel. Sich gegenseitig einladen, auch zu teuren Eggs Benedict im Roamers. Ohne, dass das Wort „Almosen“ wie ein Damoklesschwert im Raum schwebt. Für die Geld genau das ist, wofür es stehen sollte: geben und nehmen.

Zurück zur Startseite