Lockdown-Lifehacks: Auch du kannst ein besserer Mensch werden

© Hella Wittenberg

Autor Clint war ein paar Monate weg vom Fenster. Doch er ist nicht untätig gewesen, sondern hat die Monate im Lockdown eifrig genutzt, um ein besserer Mensch zu werden. Und natürlich behält er seine Geheimnisse nicht für sich, sondern teilt sie mit euch: Die besten Lifehacks zur Selbstoptimierung in Zeiten des Lockdown.

Lockdown, Zeit der guten Vorsätze. Der Hausarrest macht's möglich. Ich habe zwar praktisch 24/7 mein Kind an der Backe, aber trotzdem so viel Zeit wie noch nie. Die sollte doch sinnvoll zu nutzen sein. Leider verplempere ich das meiste davon, am Handy, auf YouTube, auf Alkohol. Ich weiß jetzt schon, wenn die Pandemie eines Tages vorbei ist, werde ich mir bei jeder Gelegenheit vorwerfen: Das hättest du doch alles im Lockdown machen können.

Der Hausarrest als Möglichkeit zur Entfaltung

Immerhin gibt es Momente, da wachse ich über mich selbst hinaus. So habe ich mir im Oktober ein Klavier besorgt. Das wollte ich schon seit Jahren tun. Ich bin in die Niederlassung von Bechstein gestiefelt, hab mit der Faust auf den Tisch gehauen und zwei Wochen später wurde das Instrument geliefert. Zur Miete, achtzig Euro im Monat.

Die ersten fünf Tage lief alles, wie ich es mir erträumt hatte. Ich spielte zwei, drei Stunden täglich. Das Instrument und ich hatten das shining. Deshalb wusste ich auch um seine Bedürfnisse. Die Luft im Raum darf weder zu feucht, noch zu trocken sein. Ich kaufte also ein Hygrometer sowie einen automatischen Luftbefeuchter, obwohl ich meine Gewohnheiten ungern von Geräten diktieren lasse.

Und was ist jetzt, drei Monate später, von diesem guten Vorsatz noch übrig? Ich kann es euch sagen. Täglich checke ich die relative Luftfeuchtigkeit im Raum, fülle gewissenhaft Wasser in den Befeuchter. Habe sogar neue Filter bestellt und eingesetzt. Das Einzige, was ich nicht täglich tue, wozu ich mich einfach nicht aufraffen kann, ist: Klavier spielen.

Der zweite Anlauf zur Selbstoptimierung

Stattdessen habe ich nämlich längst ein neues Projekt. Jedes Mal, wenn ich früher in ein anderes Land gereist bin, wollte ich gern die dortige Sprache lernen. Wurde dann nach der Rückkehr sofort wieder von meinem Phlegma auf den Teppich geholt. Ist viel zu viel Arbeit, habe ich mir gesagt. Kommst doch überall prima mit Englisch zurecht.

Doch jetzt wieder Faust auf den Tisch! Ist doch die ideale Zeit für solche Vorstöße. Und weil Rom und Venedig die Highlights meiner letzten zwei Jahre waren, steht fest: Ich werde nun Italienisch lernen. Nachdem dieser Entschluss gefasst ist, tue ich erstmal nichts. Zum Glück sind die Sprachschulen zur Zeit geschlossen, das würde mir sonst zu schnell gehen.

Um nicht gleich wieder die Flinte ins Korn zu werfen, lade ich mir eine App herunter. Dass sie wie ein Spiel gestaltet ist, hilft mir sehr. Ich mache rasch Fortschritte, bin erstaunt, wie viel man sich aus dem Englischen herleiten kann. Wenn ich an einem Tag besonders viel lerne, vergesse ich dafür andere Sachen, wie die PIN-Nummer meiner EC-Karte oder den Namen meiner Tochter.

„Du bist inzwischen auch hart Smartphone-süchtig geworden, oder?“

Diesen Vorwurf muss ich mir immer öfter gefallen lassen. Beim ersten Mal bin ich noch so dumm, mich zu rechtfertigen.

„Oh, wirklich?“, sagt mein Gegenüber. „Eine App allein reicht aber nicht. Du musst auch die Sprachmelodie lernen. Ja, ja, der Satzbau ist oft unregelmäßig, das hätte ich dir auch sagen können.“

Kaum wagt man sich auf neues Terrain, schießen überall Experten aus dem Boden. Da lass' ich mich lieber als Smartphone-Zombie bezeichnen. Und sehe meine Mitmenschen in der S-Bahn fortan mit anderen Augen. Die sind gar nicht degeneriert. Die lernen alle Latein und Koreanisch!

Nur nichts überstürzen

Nach vier Wochen verstehe ich beim Zuhören schon recht viel. Der Moment rückt näher, vor dem ich mich seit Beginn des Projekts fürchte: Ich muss raus und mich trauen, zu sprechen. Das passt mir überhaupt nicht in den Kram. Gut, dass auch die Restaurants noch geschlossen sind. Und dass auch meine italienischen Freunde keine Hilfe sind. Es hat schließlich einen Grund, dass sie als Expats in Berlin leben. Keiner von ihnen will an seine Heimat erinnert werden.

Inzwischen bin ich sehr zufrieden damit, Filme und Serien auf Italienisch zu schauen. Zuerst ohne Untertitel. Dann mit italienischen Untertiteln. Dann mit englischen Untertiteln. Schlüsselszenen schau' ich auch gern mal auf Deutsch. Ich will schließlich nicht den Faden verlieren.

Und überhaupt: Wenn ich jetzt nach Rom fliegen könnte, ja, dann würde ich natürlich üben zu sprechen. Aber ist doch nicht meine Schuld, dass das zur Zeit nicht möglich ist. Außerdem muss ich auch ein bisschen ans Klavierspielen denken. Und an die Playstation 4. Ist ja nicht selbstverständlich, dass gerade soviel Zeit da ist. Das muss man ausnutzen.

Buch, Mit Vergnügen, Berlin für alle Lebenslagen
Zurück zur Startseite