So findet ihr Unterstützung, wenn es euch psychisch nicht gut geht

© Maranatha Pizarras | Unsplash

Jede*r hat mal einen schlechten Tag. Eine schlechte Woche? Kommt auch mal vor. Was aber, wenn aus ein paar schlechten Tagen eine längere Phase wird, die scheinbar gar nicht mehr enden will? Vielleicht erwischt ihr euch dabei, dass ihr den ganzen Tag in negativen Gedankenschleifen hängen bleibt, habt Schlafprobleme oder erlebt ganz plötzlich auftretende Ängste oder Panikattacken. Aber geht es anderen nicht genauso – oder sogar viel schlimmer?

Diese Frage stellen sich viele Menschen. Vor allem im Winter scheint es ganz alltäglich, dass alle ein bisschen schlechter drauf sind als sonst und es ist sozial völlig akzeptiert, sich zu Hause zu verkriechen und die Decke über den Kopf zu ziehen. Aber wie viel trübe Stimmung ist "normal", und an welchem Punkt ist es vielleicht angebracht, sich Hilfe zu suchen?

Woher weiß ich, ob ich gerade nur eine doofe Phase habe – oder eine psychische Erkrankung?

Das Ding ist: Zwischen "gesund" und "psychisch krank" gibt es keine klare Linie, die man überschreitet. Eine psychische Erkrankung wird diagnostiziert, wenn bestimmte Symptome über einen gewissen Zeitraum hinweg eintreten – und gerade bei einer Erkrankung wie der Depression zählen zu diesen Symptomen eben viele Gefühle, die wir alle kennen, nur sind sie eben unterschiedlich stark ausgeprägt. Ein entscheidender Faktor ist dabei der Leidensdruck. Eine grobe Faustregel besagt: Wenn ihr immer wieder darüber nachdenkt, dass ihr euch vielleicht besser Hilfe suchen solltet, ist das schon ein Indikator dafür, dass das vielleicht eine gute Idee sein könnte.

Wann sollte ich mir Hilfe suchen?

Viele Menschen warten sehr lange, bis sie den Schritt wagen, sich professionelle Hilfe zu suchen – weil sie glauben, sie seien nicht "krank genug", oder, weil die Angst vor Stigmatisierung noch immer groß ist. Deshalb ist es im Zweifel immer ratsam, sich so früh wie möglich jemandem anzuvertrauen. Ein paar Fragen, die ihr euch stellen könnt, um herauszufinden, ob ihr vielleicht Hilfe gebrauchen könnt:

  • Fühle ich mich durch meine Sorgen und Probleme in meinem alltäglichen Leben eingeschränkt?
  • Habe ich noch Spaß an Dingen, die mir früher Freude bereitet haben?
  • Gibt es vielleicht körperliche Ursachen dafür, wie ich mich gerade fühle?
  • Habe ich schon länger versucht, aus eigener Kraft etwas an meinen Problemen zu ändern, schaffe es aber nicht?
  • Wurde ich von jemandem in meinem Umfeld schon mal darauf angesprochen, ob bei mir alles in Ordnung ist?

Ich will mit jemandem darüber reden – wo fange ich an?

Wenn ihr euch entschieden habt, mit jemandem über eure Sorgen zu sprechen – erstmal herzlichen Glückwunsch, das ist schon ein ziemlich großer Schritt. Vielleicht habt ihr euch auch schon einer guten Freundin oder einem Familienmitglied anvertraut? Noch besser. Nun könnt ihr euch überlegen, ob ihr euch an eine Beratungsstelle in eurer Umgebung wendet – hier findet ihr ein paar Adressen.

Als erste Anlaufstelle ist es aber eigentlich immer eine gute Idee, eurem Hausarzt oder eurer Hausärztin einen Besuch abzustatten. Dort bekommt ihr eine grobe Einschätzung und könnt (je nachdem, welche Symptome ihr erlebt) abchecken lassen, ob es körperliche Ursachen gibt. Vielleicht bekommt ihr auch eine Empfehlung dazu, ob ihr euch als nächstes an eine*n Therapeut*in, Psychiater*in oder eine andere Anlaufstelle wenden solltet.

Psycholog*in, Psychotherapeut*in, Psychiater*in – wo muss ich hin?

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen? Also: Psycholog*innen sind erstmal alle, die ein Psychologiestudium abgeschlossen haben. Psychotherapeut*innen haben im Anschluss an ihr Psychologiestudium eine Ausbildung zum*r Therapeut*in absolviert. Sie machen also sozusagen das, was ihr aus Filmen kennt, in denen Leute auf der berühmten "Couch" sitzen oder liegen und über ihre Kindheit sprechen (meistens sieht Therapie anders aus, aber dazu später mehr). Psychiater*innen haben im Gegensatz dazu Medizin studiert und eine psychiatrische Facharztausbildung gemacht, die sie unter anderem dazu befugt, Medikamente zu verschreiben.

Welche Therapie-Optionen gibt es?

In Deutschland werden drei verschiedene Therapieverfahren von der Krankenkasse übernommen: Die kognitive Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, und die analytische Psychotherapie. Wenn ihr eine ambulante Therapie beginnen möchtet, macht es Sinn, gezielt nach Psychotherapeut*innen in eurem Umkreis zu suchen, die das Verfahren anbieten, das ihr euch am besten vorstellen könnt (auch hier können euch Hausärzt*innen oder Beratungsstellen bei der Einschätzung helfen.)

Nun ist es eine Möglichkeit, direkt bei einigen Psychotherapeut*innen anzurufen und zu versuchen, ein Erstgespräch zu vereinbaren. Dieser Prozess kann langwierig und zermürbend sein, denn in den meisten deutschen Städten sind Therapieplätze Mangelware und die Wartezeiten auf einen Termin betragen oft mehrere Monate. Schneller geht's manchmal, wenn ihr euch an ein psychotherapeutisches Ausbildungsinstitut wendet: Dort werdet ihr an Therapeut*innen vermittelt, die sich gerade in ihrer Ausbildung befinden. In akuten Fällen könnt ihr übrigens auch jederzeit die Notaufnahme aufsuchen – am besten in einem Krankenhaus, das eine psychiatrische Abteilung hat.

Brauche ich Medikamente?

Noch immer haben viele Menschen extrem negative Vorbehalte, wenn es darum geht, Medikamente gegen psychische Erkrankungen zu nehmen. Fakt ist: Sie können Leben retten. Manchmal geht es nicht anders, und Medikamente gegen eine psychische Erkrankung zu nehmen, hat nichts mit Schwäche zu tun oder damit, es nicht "aus eigener Kraft" zu schaffen. Manchmal machen Medikamente eine effektive Psychotherapie überhaupt erst möglich.

Wie läuft das mit der Diagnose ab? Und was dann?

Ihr habt es geschafft, ein Erstgespräch zu vereinbaren? Juhu! Jetzt habt ihr die Möglichkeit, fünf Therapiesitzungen zu absolvieren, in denen ihr schauen könnt, ob ihr euch vorstellen könnt, bei diesem*r Therapeut*in eine Therapie zu beginnen. Diese Sitzungen werden probatorische Sitzungen genannt und dienen nicht nur dazu, dass ihr selbst schauen könnt, ob ihr euch bei dem*der Therapeut*in gut aufgehoben fühlt, sondern sie verschaffen dem*der Therapeut*in auch Zeit, sich ein genaueres Bild über euch und eure Situation zu machen. Am Ende der probatorischen Sitzungen wird schließlich eine Diagnose gestellt, die benötigt wird, um die Therapie bei eurer Krankenkasse zu beantragen. Das dauert dann nochmal ein paar Wochen – und dann kann's mit der Therapie richtig losgehen.

Dieser Artikel bezieht sich hauptsächlich auf die Suche nach einem ambulanten Therapieplatz. Wenn ihr in einer akuten psychischen Krise steckt, sucht die nächstgelegene psychiatrische Klinik auf, meldet euch bei der Telefonseelsorge unter 0800 - 1110111 oder 0800 - 1110222 oder sucht nach Beratungsstellen des Krisendienstes bei der Deutschen Depressionshilfe.

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