Der Fluss als Kulturraum: So könnte ein neues Clubkonzept in Berlin aussehen
Wohin man auch hört, in den vergangenen Monaten erreichten uns fast wöchentlich Nachrichten von Clubschließungen. Zuletzt hat es die Griessmuehle in Neukölln getroffen, aber auch der legendäre KitKat Club, eine Berliner Institution, und das SAGE an der Köpenicker Straße müssen bald die Türen schließen. Die Griessmuehle hat zwar vorübergehend ein temporäres Zuhause gefunden, aktuell wird am Wochenende in der Alten Münze in Mitte und unter der Woche im Polygon Club in Lichtenberg weitergetanzt, aber ein dauerhafter neuer Standort ist bis jetzt noch nicht gefunden.
Was sich an diesen Beispielen manifestiert, ist in vielerlei Hinsicht ein Problem. Gesellschaftliches Leben und soziale Gefüge, die auch als Safe Spaces für marginalisierte Gruppen dienen, werden zunehmend aus dem Stadtinnenraum verdrängt. Dabei ist gerade die reiche Club- und Kulturlandschaft Berlins weit über ihre Stadtgrenzen hinaus bekannt, sie gehört zur DNA dieser Stadt und macht ihre Anziehungskraft aus. Die Clubs bieten nicht nur Raum zur kreativen Entfaltung für Menschen, die hier leben, sie machen mittlerweile auch einen nicht ganz unbedeutenden Wirtschaftsfaktor der Hauptstadt aus, denn immerhin zieht das kulturelle Leben – und vorneweg die Clubs – in Berlin Monat für Monat Tausende Tourist*innen an.
Wie kann Berlin wachsen, aber zugleich kreative Räume schützen und entwickeln?
Andererseits werden urbane Zentren wie Berlin auch von permanenter Veränderung begleitet. Das wird niemand, der schon länger hier oder in anderen Städten lebt, bestreiten können. Veränderung heißt ja auch nicht per se immer gleich etwas Schlechtes. Ganz im Gegenteil. Sie bietet Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, ganzheitlicher und vielleicht sogar fortschrittlicher zu denken und zu handeln. Aber das gelingt nur, wenn man aktiv wird und größer denkt. Weil das Thema Verdrängung und Raumknappheit (zumindest wird das immer wieder behauptet) in Berlin momentan akuter denn je ist, haben sich im Februar Vertreter*innen aus der Club- und Kulturszene, des Senats und der Kreativwirtschaft getroffen, um im Rahmen des Workshops "Stadt essen Kultur auf", der von dem ehemaligen Staatssekretär für Kultur, Tim Renner, konzipiert wurde, über neue Konzepte und Lösungen zu debattieren, wie Kulturräume in Berlin langfristig erhalten und neue geschaffen werden können. Wir stellen euch einen der für uns spannendsten Ansätze mal etwas genauer vor.
Der Fluss als Lösung
In dem zweitägigen Thinktank haben alle Teilnehmer*innen aus verschiedenen Disziplinen (wie Stadtplanung, Clubbetreiber, Polizei, Kreativen, Senat etc.) sich zunächst angeschaut, wo sich die meisten Kulturstandorte und Clubs in der Stadt befinden. Das Ergebnis ist nicht neu, aber durchaus spannend, weil es im Prinzip schon einen wichtigen Ansatz für zukünftige Lösungen beinhaltet. Insgesamt befinden sich nämlich auf nur 3 Prozent der gesamten Stadtfläche (räumlich gesehen) rund 30 Prozent der "kontemporären Kulturproduktions- und Expositionsstätten" auf bereits erschlossenen Strukturen rund um die Spree im Innenstadtraum. Oder anders gesagt: Die Clubdichte ist an der sogenannten Creative Spree am dichtesten. Das belegen zum Beispiel auch verschiedene Untersuchungen der Berliner Clubmission und des Forums Stadtspree.
Davon ausgehend wurde im Workshop nun eine Agenda abgeleitet, von der unter anderem ein wichtiger Punkt lautet: Die Spree ist ein wichtiger Kulturraum der Stadt, muss aber noch besser genutzt und eingebunden werden, um bereits existierende Räume miteinander zu vernetzen und auch um neue Flächen zu erschließen. Denn, wer hätte es gedacht, genügend Platz ist vorhanden. Doch wie gelingt das alles nun am besten? Eine Idee ist deshalb, einen Bootsverkehr einzurichten, der regelmäßig im Bereich zwischen der Alte Münze und der Rummelsburger Bucht verkehrt. Berliner*innen sowie Gäste könnten so mit dem öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), quasi einem Shuttle, ganz easy von Club zu Club gebracht werden. Einige Areale verfügen bereits jetzt über einen Steg zum Anlegen und wären daher perfekt angebunden. Noch einen Schritt weiter gedacht, könnten auf dieselbe Weise ebenfalls zusätzliche, bisher ungenutzte, Räume flussaufwärts (bis zur Nalepastraße) vom Wasser aus neu erschlossen werden.
Stadt essen Kultur auf – gemeinsam aktiv werden, Subkultur bewahren
Klar wird, dass die Initiative Stadt essen Kultur auf sich vehement dafür einsetzt, dass die Flussufer für alle zugänglich bleiben oder weiterhin zugänglich gemacht werden, auch außerhalb des Innenstadtraums. Damit diese Pläne möglichst schnell in die Tat umgesetzt werden können, ist jedoch eine Zusammenarbeit aller Beteiligten unabdingbar und ein Umdenken in den Behörden dringend nötig, die die Clubs nicht mehr nur als reine Vergnügungsstätten führen dürfen, sondern sie auch endlich als bedeutende Kulturstandorte begreifen müssen, die es unter allen Umständen in städtebauliche Konzepte einzubeziehen, zu erhalten und zu schützen gilt. Die erste Reaktion auf diese Vorschläge von Seiten der Politik war sehr positiv. Bleibt zu hoffen, dass nun auch schnell mehr Bewegung in die Sache "Kultursektor Spree" kommt, bevor es noch mehr Clubs trifft.
Insa Grüning