Pflanzen statt tanzen: Warum Gärtnern das beste Hobby in der Krise war
Die Luft ist frisch, ein kühler Wind bläst über das Feld und es regnet wie in Strömen, als wir ankommen. Beinahe ist es zu nass und zu kalt, um sich draußen aufzuhalten. Aber dann stehen wir auf dem schmalen, trockenen Streifen unter dem Scheunendach und es lohnt sich, hier zu sein. Denn hier auf dem Land steht bei Regen kurz alles still und es ist schön, einfach zuzusehen. Die Minuten, in denen ich den Ausblick genieße, sind erholsamer als jeder Urlaub. Ich stehe vor einem Feld, auf dem Bekannte von mir ein Stück Acker gemietet haben.
Die Minuten, in denen ich den Ausblick genieße, sind erholsamer als jeder Urlaub.
Sie wollen das Jahr über Gemüse anpflanzen, einfach mal sehen wie das ist, wenn der Salat jede Woche ein bisschen höher aus dem Boden wächst und sie irgendwann Karotten aus der Erde ziehen können. Sie haben davor noch nie groß etwas angepflanzt, lernen von den anderen Ackermieter*innen oder googeln eben schnell, wenn sie etwas nicht wissen. Rund um die großen Städte gibt es jetzt eine Menge solcher Felder. Sie werden von Bäuer*innen zur Verfügung gestellt, man kommt in der Woche so oft man will vorbei und arbeitet an dem gemieteten Teil des Feldes.
Viel Arbeit ist es schon: Unkraut jäten, neue Setzlinge pflanzen, Gemüse ernten, Käfer von Kartoffeln pulen und regelmäßig rausfahren. Aber vielleicht ist es ja gerade das, was wir momentan brauchen: Eine Aufgabe, die nichts mit dem Alltag zu tun hat. Für die man die Wohnung verlässt und bei der man jede Woche Erfolge sieht. Und schmeckt, denn es ist einfach etwas anderes die Bio-Karotte aus dem Supermarkt zu essen und sich zu fragen wie bio die eigentlich wirklich ist oder einen Salat auf dem Teller zu haben, bei dem man die Tomaten, Karotten, Radieschen und natürlich den Salat selbst angepflanzt, gegossen, von Schnecken befreit und groß gezogen hat.
Der Natur wieder ein Stück näher zu kommen, macht das Gärtnern auf den Feldern zu einem erstaunlichen Hobby. Selbst ich, die den vielleicht ungrünsten Daumen von allen hat – so ungrün, dass sogar Peter, der Kaktus eingegangen ist – bin begeistert, wenn ich sehe wie die Pflanzen gewachsen sind. Und das nicht nur auf dem Feld. Ein Freund von mir hat Mangoldsamen in eine kleine Schüssel voll Erde auf dem Küchentisch eingepflanzt und wir konnten dem Mangold quasi täglich beim Wachsen zusehen. Mittlerweile hat er eine stolze Höhe von drei Zentimetern erreicht und wächst in einem größeren Topf auf dem Balkon munter weiter.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass gerade sonst vieles nicht geht. Dass die Städte irgendwie lahm liegen, alles ein bisschen anders ist.
Gemüse anzupflanzen wurde nicht neu erfunden, aber es erlebt dieser Tage ein Revival – man sehe sich nur die langen Schlangen vor Baumärkten und Blumenläden an. Vielleicht ist es Zufall, so wie das mit Trends manchmal ist, vielleicht liegt es aber auch daran, dass gerade sonst vieles nicht geht. Dass die Städte irgendwie lahm liegen, alles ein bisschen anders ist, oder gar nicht mehr: Dem wilden Clubleben haben wir nicht adieu gesagt, es wird zurückkehren. Vielleicht tut es uns dieses Jahr deshalb noch mehr als sonst gut zu sehen, dass manche Dinge einfach trotzdem funktionieren.
Jäten, pflanzen, ernten: Hauptsache selber machen
Für nächstes Jahr habe ich mir dick und fett in den Kalender geschrieben, im April einen Acker zu mieten – mal sehen ob meine Euphorie bis dahin durchhält. Wer wie ich zu spät dran ist für ein Stück vom Feld, kann aber genauso gut ein Mini-Beet auf dem Balkon oder Fensterbrett anlegen. Das reicht dann nicht für monatelange Gemüseversorgung, sondern vielleicht nur für einen Salat. Aber hier geht es mal wieder mehr um den Weg – und der ist ein schöner, kann ich euch sagen.
Als der Regen endlich aufhört, ist der Weg zum Feld zwar matschig, aber wir stiefeln trotzdem zu den zwei Gemüsereihen meiner Bekannten. Sie zeigen uns stolz ihre Setzlinge, erste Salatköpfe, die aus der Erde sprießen, deuten zum Feld nebenan, wo am Vormittag gegen Kartoffelkäfer gekämpft wurde. Und auch wenn außer unseren schmatzenden Schritten und dem Rauschen am Waldrand kaum etwas zu hören ist, wissen wir, dass es hier noch tobt, das wilde Leben.