Extinction Rebellion: Wer steckt dahinter & warum wird die Gruppierung kritisiert?

© Marit Blossey

Wenn es darum geht, politische Aufmerksamkeit für ein bestimmtes Thema zu bekommen, ist Berlin meistens sehr weit vorne mit dabei. Und in dieser Woche ist es mal wieder soweit. Seit Montag finden nämlich in der ganzen Stadt an mehreren Stellen Blockaden und Sitzstreiks statt, bei denen Hunderte Aktivist*innen Hauptverkehrsstraßen und Kreuzungen blockieren. Das gab es in dieser Intensität tatsächlich schon etwas länger nicht mehr.

Organisiert werden die Klimaproteste und Blockaden von der Gruppierung Extinction Rebellion, die zu friedlichem Ungehorsam aufruft, um den Druck auf die Politik zu erhöhen, endlich etwas gegen den Klimawandel zu tun. Dafür müssen die jungen Rebell*innen von einigen Seiten viel Kritik einstecken. Wer steckt hinter dieser Gruppierung? Was fordern sie? Und warum werden sie so stark kritisiert? Hier folgt ein Überblick:

Was seit Montag in Berlin abgeht – eine kurze Chronologie

Mit Beginn dieser Woche wurden in Berlin zahlreiche Proteste und Blockaden angekündigt. Am Montag wurde dann zunächst der Große Stern an der Siegessäule, kurz darauf auch der Potsdamer Platz besetzt, zwei wichtige Verkehrsknotenpunkte also, die über mehrere Stunden gesperrt und nicht befahrbar waren. Für eine Rede an der Siegessäule war zudem die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete zu Gast. Das große Chaos blieb jedoch aus. Auch wir waren tagsüber vor Ort, haben ein friedliches Treiben und viele Menschen vorgefunden, die sich für eine bessere Klimapolitik engagieren. Und ja, wir haben eine Idee davon bekommen, wie sich eine autofreie Stadt eventuell anfühlen kann, denn für ein paar Stunden fuhr hier keins weit und breit.

Eine Räumung des Potsdamer Platzes, der kurze Zeit später besetzt wurde, am Montagabend konnte die Polizei nicht mehr durchsetzen, man ließ die Aktivist*innen über Nacht erst einmal gewähren. Am Dienstagmorgen wurde der Platz dann aber doch geräumt und wieder für den Verkehr freigegeben. Zum Teil haben sich die Demonstrierenden an der Siegessäule und am Potsdamer Platz festgekettet und mussten von den Polizist*innen weggetragen werden. Dennoch blieben die Klimaproteste friedlich, man begegnet sich mit Respekt und versucht offensichtlich Kompromisse zu finden.

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Heute Morgen, also am Mittwoch, ging es direkt weiter. In der Früh wurden zuerst die Marschallbrücke im Regierungsviertel und dann die Mühlendammbrücke in Mitte besetzt, wichtige Zufahrtswege für Menschen, die etwa im Kanzler*innenamt arbeiten, waren nicht passierbar. Darüber hinaus gibt es seit mittags Sperrungen an der Jannowitzbrücke und Blockaden in der Nähe des Rathauses. Für heute Nachmittag wurden großflächige Blockaden am Ku'damm angekündigt. Insgesamt seien momentan rund 600 Polizist*innen in der Stadt an mehreren Punkten im Einsatz, um den bisher friedlich verlaufenden Protest zu begleiten, erklärte ein Polizeisprecher am Dienstagabend gegenüber der Morgenpost.

Wer steckt hinter den Straßenblockaden?

Zu den Klimaprotesten und Blockaden in Berlin und weltweit, darunter in London, Paris und Amsterdam, hat die Gruppierung "Extinction Rebellion" (auch XR genannt, was so viel wie "Rebellion gegen das Aussterben" heißt) aufgerufen. Die Aktivist*innen selbst bezeichnen sich als soziale Bewegung, die "mit friedlichem Ungehorsam auf den drohenden Klimakollaps und das massive Artensterben aufmerksam machen will". Entstanden ist die Bewegung ursprünglich in Großbritannien, mittlerweile ist XR aber in über 50 Ländern weltweit aktiv.

Alle geplanten Blockade-Aktionen verfolgen in erster Linie den Zweck, zu stören und dadurch Reaktionen und Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu erzeugen, der Protest soll aber in jedem Fall "gewaltfrei, friedlich, kreativ, bunt und entschlossen" bleiben, so "Extinction Rebellion". Detaillierte Infos rund um das Thema #BerlinBlockieren, wie genau der Protest aussehen soll und wo die nächste Blockade stattfindet, geben die Initiator*innen immer daher immer erst sehr kurzfristig auf ihren sozialen Kanälen bekannt, damit er auch gelingen kann und die gewünschte Wirkung zeigt.

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Was ist der Auslöser für die Blockaden?

Wie die meisten von uns wahrscheinlich mitbekommen haben, gehen seit Monaten Tausende Jugendliche mit "Fridays for Future" jeden Freitag auf die Straße, um für eine bessere und konsequentere Klimapolitik zu protestieren. Im September waren wir allein in Berlin über 200.000 Menschen, die einen Tag lang die Arbeit nieder gelegt haben, um solidarisch mit den Jugendlichen für einen schnellen Wandel in der Klimapolitik zu demonstrieren.

Was danach folgte? Ein eher enttäuschendes und wenig Hoffnung bringendes Klimapaket, das im Bundestag hier in Berlin verabschiedet wurde. Viele der insgesamt über 1.4 Millionen Demonstrierenden deutschlandweit sind sauer, weil sich viel zu wenig und vor allem viel zu langsam bewegt. Seitdem ist der Berliner Alltag von vielen Aktionen, Camps und neuerdings auch Straßenblockaden bestimmt, denn die Menschen wollen das verabschiedete Klimapaket nicht tatenlos hinnehmen, abwarten und Tee trinken, sondern weiter dafür kämpfen, dass sich endlich etwas tut.

Was genau fordert Extinction Rebellion?

Genau wie "Fridays for Future" und andere Organisationen setzt sich "Extinction Rebellion" für einen Wandel der aktuellen Klimapolitik ein. Im Vergleich zu den Forderungen von "Fridays for Future" sind ihre Ziele allerdings noch ein wenig drastischer.

Drei zentrale Forderungen stehen im Vordergrund der XR-Bewegung:

  1. Klimanotstand ausrufen – und zwar sofort
  2. Klimaneutralität bis 2025 erreichen
  3. Bürgerversammlungen, Maßnahmen & Beschlüsse etablieren, an die sich die Regierung verbindlich halten muss

Im Vergleich dazu fordert "Fridays for Future":

  1. Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und des 1,5°-Ziels
  2. Klimaneutralität bis 2035 erreichen
  3. Kohleausstieg bis 2030 schaffen
  4. 100% erneuerbare Energien bis 2035

Die Forderungen und Ziele gehen tendenziell in die gleiche Richtung, der große Unterschied liegt hingegen in der Form des Protests.

Warum wird Extinction Rebellion teils so heftig kritisiert?

Der Kern der Kritik, der an der Vorgehensweise von "Extinction Rebellion" geübt wird, liegt hauptsächlich in der Form des Protests. Der Aufruf zum "zivilen Ungehorsam" beinhaltet nämlich auch, dass im Zweifel die Bereitschaft dazu besteht, Gesetze zu brechen. Ganz konkret bedeutet das in diesem Fall, Straßen und öffentliche Plätze zu blockieren und zu besetzen (was nicht erlaubt ist), um auf diese Weise Aufmerksamkeit (etwa durch mediale Berichterstattung) und einen Wandel, nämlich das Handeln der Politik gegen den Klimawandel, herbeizuführen.

Der worst case? Menschen, die Straßen blockieren und auch dies auch Aufforderung nicht unterlassen, machen sich strafbar. Klar, dass die Aktionen deshalb nicht von allen als richtig oder zielführend empfunden werden. Ganz im Gegenteil, man wirft den Rebell*innen vor, unnötige Kosten für beispielsweise den Einsatz der Polizei und die Räumungsarbeiten zu verursachen, die wiederum aus Steuergeldern finanziert werden müssten. Gesetzlich angemeldete Großdemonstrationen wie die von "Fridays for Future" oder die Mitarbeit in einer Partei hingegen seien laut der XR-Kritiker*innen legal und daher angemessener.

Historisch gesehen gab es aber immer wieder Beispiele, die gezeigt haben, dass es erst durch friedlichen, zivilen Ungehorsam einen Umbruch gab. Und ein wenig scheint es auch dieser Tage und in Anbetracht des nun beschlossenen Klimapakets so zu sein, als könne eine Großdemonstration wie beim Klimastreik im September noch immer nicht genug ausrichten. Wenn wir über Protest sprechen, ist es wichtig, dass er in jeder Form, egal welcher politischen Richtung, gewaltfrei bleibt! Und so wie es bisher aussieht, verläuft momentan alles auf Augenhöhe zwischen den Demonstrierenden und der Polizei, ohne Ausschreitungen, ohne Gewalt. Prominente Schauspieler*innen wie Anna Loos, Christian Ulmen oder Musiker Bela B. unterstützen den Protest von "Extinction Rebellion" inzwischen öffentlich.

Wir als Redaktion von Mit Vergnügen sind der Meinung, dass der Klimawandel uns alle angeht und keine Frage irgendeiner politischer Einstellung ist. Das Recht auf Protest und die Teilnahme an Demonstrationen sind ein wichtiges Gut unserer Demokratie. Aber Protest sollte immer und ausnahmslos gewaltfrei bleiben. Wir distanzieren uns von jeglicher Form von Gewalt.

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