670 Wohnungen auf der Karl-Marx-Allee sind jetzt wieder in den Händen der Stadt Berlin

© Conrad Wegener

Dass die Wohn- und Mietsituation in Berlin sich in den vergangenen Jahren extrem zugespitzt hat und dementsprechend zu einer Menge Unmut unter Mieter*innen führt, ist nichts Neues. Die Krise resultiert zum einen aus dem akuten Wohnungsmangel im Innenstadtbereich, da die Stadt es offensichtlich über viele Jahre hinweg versäumt hat, neue Wohnungen zu bauen. Zum anderen, weil Berlin insbesondere in den 1990er-Jahren etliche Wohnungen verkauft hat, um die hohe Verschuldung der Stadt abzubauen. Masshafte Privatisierungen von Wohnungen führten letztendlich zu einem nicht mehr zu stoppenden Mietenwahnsinn, der zu verstärkten Protesten geführt hat. Jede*r, der oder die in letzter Zeit in Berlin schon mal eine Wohnung gesucht hat, weiß wovon hier konkret die Rede ist: absolut überzogene Preise (1.700 Euro für 65 Quadratmeter? Can do!), meterlange Schlangen bei Hausbesichtigungen und sowieso Gentrifizierung at its best!

Die Politik hat das Problem jahrelang ignoriert, oder zumindest nicht genug dafür getan, um den drohenden Kollaps zu verhindern – bis jetzt. Vor einigen Wochen hat der Berliner Senat den sogenannten Mietendeckel beschlossen, der 2020 kommen soll und unter anderem vorsieht  – wie der Name schon impliziert – die Mietpreise immerhin für einen gewissen Zeitraum zu deckeln. Man erhofft sich davon eine vorübergehende Entspannung des Wohnungsmarktes, will Zeit gewinnen. Zeit, um beispielsweise einen Teil der Wohnungen, die in den 1990ern privatisiert wurde, wieder in staatliche Hände zu bringen. Rekommunalisierung nennt sich das Konzept und soll verhindern, dass Berlin ein zweites London oder Paris wird, wo sich bald kein normaler Mensch mehr eine Wohnung im Innenstadtbereich leisten kann. Soweit zu den Fakten.

Die Strategie bauen, kaufen, deckeln kann gelingen.
Michael Müller, regierender Bürgermeister von Berlin

Wie heute Morgen zu lesen war, gibt es jetzt offenbar einen ersten großen Ritterschlag, denn laut des Berliner Bürgermeisters Michael Müller hat die Stadt Berlin 670 Wohnungen auf der Karl-Marx-Allee (KMA) in Friedrichshain zurückerobert und somit erfolgreich rekommunalisiert. An der KMA herrschte ein monatelanger Streit, weil der Verkauf eines Großteils der Wohnungen an die Deutsche Wohnen geplant war. Insgesamt seien rund 1.000 Mieter*innen betroffen gewesen. Die Wohnungskonzern Deutsche Wohnen, mit über 110.000 Wohneinheiten in Berlin und einer halben Milliarde Gewinn einer der größten Akteure am Markt, steht immer wieder in der Kritik, weil er rein profitorientiert arbeitet. Der darauf folgende Protest der Bewohner*innen gegen diese Pläne ist also mehr als nachvollziehbar und hat offenbar Wirkung gezeigt, denn nun konnten sich der bisherige Eigentümer Predac sowie die Deutsche Wohnen darauf einigen, dass die Wohnungen in den Besitz der landeseigenen Gewobag gehen. Damit ist der Verkauf an private Unternehmen nun wohl endgültig vom Tisch. Das sind gute Nachrichten, denn die Gewobag will sich zu sozialverträglichen Neuvermietungen verpflichten und außerdem 60 Prozent der Wohnungen in der geschichtsträchtigen Allee an Mieter*innen mit einem niedrigeren Einkommen und einem Wohnberechtigungsschein vergeben.

Man könnte also sagen, der Fall KMA ist ein Schritt in die richtige Richtung für eine größere und langfristige Lösung. Mittelfristig möchte der Berliner Senat nämlich wieder 50 Prozent der Mietwohnungen in staatliche Hände bringen und durch Rekommunalisierung für mehr Frieden in der Stadt sorgen. Bürgermeister Müller gibt sich optimistisch: "Die Strategie bauen, kaufen, deckeln kann gelingen." Die Anwohner*innen jedenfalls sind begeistert – und das können wir bei aller Skepsis und Zweifel gegenüber so manch seltsamer Maßnahme aus der Vergangenheit richtig gut verstehen. Bleibt zu hoffen, dass bald noch mehr dieser Meldungen folgen werden.

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