Warum ich euren Diät-Bullshit nicht mehr hören kann

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Gesund leben und sich für Ernährung interessieren? Cool. Spaß an Fitness haben und seine sportlichen Ambitionen verfolgen? Super cool. Nicht zufrieden mit seinem Körper sein und etwas daran verändern wollen? Jaja, meinetwegen auch in Ordnung. Aber wenn mir noch ein Mensch erzählt, dass er jetzt wirklich dringend an seinem "Bikini Body" arbeiten muss, weil ja schon März ist und man sich so ja eigentlich nicht im Urlaub – wenn er denn überhaupt stattfinden kann – an den Strand traut und so weiter, dann muss ich leider kotzen (bitte entschuldigt die zynische Wortwahl in diesem Kontext).

Willkommen in der Essstörung

Ganz ehrlich: Es ist nicht so, als hätte ich nicht selbst schon viel zu viel Lebenszeit mit solchen Gedanken verschwendet, Zeit, in der ich stattdessen einfach hätte zufrieden und glücklich sein und die Tatsache genießen können, dass ich überhaupt die Möglichkeit habe, mich an den Strand zu legen. Und trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – kann ich hin und wieder kaum fassen, wie allgegenwärtig die mediale Obsession mit dem Thema Ernährung und einseitigen Schönheitsidealen ist. Auch, wenn inzwischen mehr wert auf "Diversity" gelegt wird: Die Frauen, die auf dem Cover großer Modezeitschriften abgebildet sind, sind noch immer größtenteils schlank, und dazu noch meistens jung und weiß, na klar. Es ist doch ein Scherz, dass sich "Frauenzeitschriften" und sogar Zeitschriften für junge Mädchen im Jahr 2021 immer noch zu 80 Prozent mit Diättrends, Outfit-Tipps, die einen schlanker wirken lassen sollen, und Schlagzeilen darüber, welcher Promi gerade "schockierende" fünf Kilo zugenommen hat, beschäftigen. Gibt es keine wichtigeren Themen?

"Diet culture" nennt man das, was in unserer Gesellschaft so allgegenwärtig ist, dass es einem kaum noch auffällt. Es ist eine Bezeichnung dafür, dass es als ultimativ erstrebenswert wahrgenommen wird, dünn zu sein. Es ist der Grund dafür, dass sich junge Mädchen schon Gedanken über ihre Figur machen, lange bevor sie überhaupt zum ersten Mal ihre Tage bekommen, und dafür, dass 14-Jährige sich schuldig fühlen, wenn sie zu ihrem eigenen Geburtstag ein Stück Schokoladenkuchen essen. Dafür, dass es unglaublich viel Arbeit braucht, diese Ideen von „Schönheit“ oder „Disziplin“, die man oft schon vor der Pubertät verinnerlicht hat, wieder abzulegen. Dafür, dass erwachsene Frauen sich unter Druck setzen, nach der Geburt ihres ersten Kindes so schnell wie möglich wieder in "Topform" zu sein, weil Kylie Jenner das ja auch geschafft hat.

Die Formel "dünn = attraktiv" ist noch immer fest in unseren Köpfen verankert

Das Ganze geschieht oft sogar ziemlich unbewusst, denn inzwischen folgt ja sowieso fast jeder irgendeinem bestimmten Ernährungskonzept, verzichtet auf Kohlenhydrate oder macht zumindest intermittierendes Fasten und teilt seine Fitness-Routine in Echtzeit in der Insta-Story. Eine Studie zum Einfluss von Medien auf die Körperwahrnehmung von Frauen zeigte, dass die regelmäßige Konfrontation mit Medien im Zusammenhang mit genereller Unzufriedenheit von Frauen mit ihrem Körper, sowie mit gestörtem Essverhalten steht – und diese Studie ist von 2008. Bitch please, da gab es noch nicht mal Instagram.

Was daran am meisten verwundert: Wie kann es denn gleichzeitig sein, dass wir uns doch inzwischen fast überall für Body Positivity einsetzen und Persönlichkeiten feiern, die sich „trauen“, ihren Körper selbstbewusst zu präsentieren, auch wenn dieser nicht der sogenannten Norm entspricht? Trotz aller Aufrufe zu Selbstakzeptanz und Vielfalt ist die Formel "dünn = attraktiv" noch immer sehr fest in unseren Köpfen verankert.

Es ist doch ein Scherz, dass sich 'Frauenzeitschriften' im Jahr 2019 immer noch zu 80 Prozent mit Diättrends, Outfit-Tipps und Schlagzeilen darüber, welcher Promi gerade 'schockierende' fünf Kilo zugenommen hat, beschäftigen.

Eine Studie aus dem Jahr 2011 fand heraus, dass der Einfluss herkömmlicher Medien auf unsere Körperwahrnehmung geringer ist als der unseres direkten sozialen Umfelds. Eine solche Studie würde heutzutage wohl ein wenig anders aussehen, denn 2011 gab es immer noch kein Instagram, auch wenn das wohl ohnehin nicht in die Kategorie der „herkömmlichen Medien“ fällen würde. Das ständige Sich-Vergleichen und der Drang nach Selbstoptimierung, der so entsteht, ist durch Social Media heute größer als je zuvor und es gibt mittlerweile schon erste Studien, die belegen wollen, dass Instagram von allen Apps den schädlichsten Einfluss auf unsere Psyche haben kann.

Andererseits bedeutet das Ergebnis, das die Studie 2011 nahegelegt hat, aber auch: Wir können unsere Mitmenschen durch unsere eigene Einstellung zu unserem Körper viel stärker beeinflussen, als wir denken – positiv ebenso wie negativ. Auch wenn Shows wie „Germany’s Next Topmodel“ sich wohl trotzdem nicht unbedingt positiv auf das Selbstbild ihrer jungen Zuschauerinnen auswirken, aber das ist nochmal eine andere Geschichte.

Vielleicht sollten wir mit "Body Positivity" also mal bei uns selbst anfangen, anstatt nur andere für ihren "Mut" zu feiern, zu ihren nicht-normativen Körpern zu stehen. Natürlich steht es jedem frei, seinen Körper zu verändern, um sich selbst besser zu fühlen. Aber vielleicht sollten wir unsere Beweggründe dafür mehr hinterfragen. Vielleicht brauchen wir keine weiteren, hippen Diät-Methoden, sondern ein wenig mehr Sensibilität dafür, wie viel Raum wir diesem ganzen Thema wirklich noch geben wollen – in unserem Instagram-Feed, aber vor allem auch in unseren Gesprächen miteinander.

Was wir brauchen, ist nicht weitere, hippe Diät-Methoden, sondern ein wenig mehr Sensibilität dafür, wie viel Raum wir diesem ganzen Thema wirklich noch geben wollen.
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