Der Wedding kommt auf leisen Sohlen, doch nicht unbemerkt

© Max Müller

Als Alt-Mieter eines privaten Berliner Hauses muss man angesichts des immer heftiger umkämpften Wohnmarktes wohl zwangsläufig paranoid werden. Anders lässt es sich nicht erklären, warum die Bewohner des Mehrfamilienhauses an der Ecke Amsterdamer und Malplaquetstraße auf einem gängigen Immobilienportal ihr eigenes Zuhause gesucht und schließlich gefunden haben. Es steht zum Verkauf.

Der eher schmucklose Gründerzeitbau wird als „Altbau-Eckhaus mit Potential in Berlin-Wedding“ angepriesen. Auf rund 2800 Quadratmetern Wohnfläche sind 31 Mietparteien zuhause. Käufer sollen rund 3,5 Millionen Euro für das Gebäude berappen. Mittlerweile ist das Angebot deaktiviert und aus dem Archiv genommen worden – auch weil die Politik sich eingemischt hat.

Das Vorkaufsrecht steht auf der Kippe

Die alarmierten Mieter haben Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) informiert, der von seiner Behörde den Verkauf untersuchen lassen will. Erstmals überlegt der Bezirk Mitte, nun das sogenannte Vorkaufsrecht anzuwenden, das besonders im grün regierten Friedrichshain-Kreuzberg als Instrument gegen die Verdrängung genutzt wird. Doch ob die bereits kontaktierte Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) zum Zug kommt, ist ungewiss. Die Details liegen noch im Dunklen. Auch das Vorkaufsrecht an sich steht auf der Kippe. Das Berliner Landgericht entschied kürzlich in einem Verfahren für die Investorenseite, der Senat ging daraufhin in Berufung.

Dass sich auch andernorts im ehemaligen Arbeiterbezirk die Menschen gegen die Gentrifizierung ihres eigentlich als ungentrifizierbar geltenden Bezirks stellen, konnten Besucher der Müllerstraße in der vergangenen Woche erleben: Die neuen Studentenapartments von YouniQ wurden mit roten und gelben Farbbeuteln „verschönert“.

Der Neubau erregt schon eine Weile die Gemüter der gestandenen Weddinger. Er ist schick und vor allem ziemlich teuer. Die vollausgestatteten Ein-Zimmer-Wohnungen sind 18 bis 45 Quadratmeter groß und kosten zwischen 514 und 1119 Euro Miete. Das sind Preise, die Mieter aus dem nun zum Verkauf stehenden Wohnhaus für ihre gesamte Unterkunft aufbringen müssen. Und um die sie nun bangen müssen.

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