11 tolle alte Berliner Kneipen, die ihr kennen solltet
von Robert von Lucius und Henning Kreitel
Es gibt nur noch wenige Dutzend altehrwürdige Kneipen in Berlin – die „Eckkneipe“ stirbt aus. Der Mitteldeutsche Verlag in Halle stellte 31 dieser Kneipen ausführlich und liebevoll vor in zwei Bänden – in Mitte, Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Wedding und Moabit in „Uff'n Bier“ und in Charlottenburg, Schöneberg, Kreuzberg und Neukölln in „Noch 'n Bier?“. Robert von Lucius, Autor über die Kneipen südlich der Spree, und Henning Kreitel, Fotograf beider Bände, suchten aus diesen elf aus, die sie in Kurz-Kurzform hier vorstellen. Und siehe da, nicht alle Eckkneipen liegen an Ecken..
1 Traditioneller Kneipenschmaus im Wilhelm Hoeck 1892
Das Wilhelm Hoeck 1892 ist die Traditionskneipe schlechthin, oft entstanden hier Spielfilme und Fernsehserien. Zum Glück für Atmosphäre und Dekor abseits der üblichen Touristenpfade. Einige sind hier mehr als fünf Jahrzehnte Stammgäste. Das äußere Bild reicht von viel Holztäfelung über eine altehrwürdige kupferne Registrierkasse von Krupp sowie Schnapsfässern bis zur Fotowand. Deftig schmausen könnt ihr hier auch: Auf der Speisekarte stehen neben Berliner Originalen wie Currywurst und Buletten auch Eisbein mit Erbsenpüree, Sauerkraut und Kartoffeln, Königsberger Klopse mit Kapernsauce und Roter Bete oder hausgemachte Sülze mit Bratkartoffeln.
2 Gepflegte Gesprächskultur im Möve im Felsenkeller
In seinen hundert Jahren hatte die „Möve im Felsenkeller“ nur vier Wirte – das Klientel, vor allem gebildete Schöneberger im mittleren Lebensalter, schätzen das und die gepflegte Gesprächskultur. Die Möve verzichtet auf Musik, Raucher, Spielautomaten. In der langgezogenen Schlauchkneipe bündeln sich Holztäfelung und Krimskrams.
3 Tradition in der Stadtklause
Die Stadtklause hebt sich in Atmosphäre, Preisen und Stil ab von den überzüchteten Bars am nahen Potsdamer Platz und bietet solide Hausmannskost. Die Stadtklause war eine der wenigen unzerstörten Häuser nahe dem Anhalter Bahnhof, dessen Tradition sie mit Bildern und Einrichtung pflegt. Die Kellner behandeln Touristen, die diesen versteckten Ort finden, gut, ohne Stammgäste zu vergraulen.
4 Nachbarschaftlich trinken im Leuchtturm
Der Leuchtturm ist eine Institution im schönen Akazienkiez. Seit den frühen 60ern wird die Kneipe nach dem Prinzip "runder Tisch" betrieben – das heißt: Jede und jeder ist willkommen (außer "intolerante Hetzer" (Zitat Leuchtturm)) und man sitzt gemütlich beisammen wie in einem extra großen Wohnzimmer. Hier wird gekickert, Karten gespielt, gequatscht und getrunken. Für die Grundlage gibt es in der Kneipentradition gehaltene Kleinigkeiten.
5 Rund um die Uhr Drinks im Schlawinchen
Im Schlawinchen ist es fast immer voll und laut: Die Bar hat rund um die Uhr geöffnet. Die Besucher*innen reizen die späte Öffnungszeit, das preisgünstige Bier (nur eine Sorte) und die überdrehte Atmosphäre bis zum Allerletzten aus. Überall steht Gedöns wie alte Grammophone auch geschnitzte Holzstatuen (die nebenbei nicht aus Westafrika stammen, sondern eher aus dem Grunewald) herum. Ein Ort, den man mögen muss. Ein Erlebnis ist es allemal. Prost!
6 In Ruhe das letzte Bier trinken im Stammtisch
Wandergesellen geben dem „Stammtisch“ ein besonderes Gepräge – aber unangekündigt nur einige Male im Jahr, wenn sie sich hier auf der Walz treffen. Sonst ist die Eckneipe, betrieben von einem rührigen Ehepaar, die sich nach dem Ruhestand weiter betätigen wollten, eher ruhig – außer wenn Künstler auf der Kleinkunstbühne auftreten. Sie liegt in Neukölln zwar an der Partymeile, aber davon genug entfernt.
7 Große Portionen in der Tiergartenquelle
Die Tiergartenquelle ist Kult über das Hansaviertel hinaus dank riesiger Portionen soliden Essens und den Gesprächen, die sich unter den Bögen des S-Bahnhofs Tiergarten leicht mit Tischnachbarn ergeben. Sie gehört einer Berliner Privatbrauerei, die (auch) dort ihr eigenes Bier anbietet. Der Ruf hat sich herumgesprochen – so kommen nun nicht nur Nachbarn und Studenten, sondern zunehmend auch Touristen, was die Atmosphäre verwässert und Wartezeiten verlängert hat.
8 Im Magendoktor ist immer Highlife
Solange es den Magendoktor im S-Bahnhof Wedding gibt, kann auf Reality-Shows und Daily Soaps getrost verzichtet werden. Im Doc, wie die Kneipe liebevoll genannt wird, wechseln Atmosphäre und Zusammensetzung des Publikums mindestens halbstündig: Sobald eine neue Truppe hoch motivierter Trinker*innen einfällt, verändert sich alles: der Lärmpegel, das musikalische Wunschprogramm aus der Jukebox und die Komplexität der Bestellungen.
9 Kegeln bei Tante Lisbeth
Die Tante Lisbeth ist ein wahrer Allrounder, denn ihr könnt hier nicht nur Tatort schauen, gemütlich Kaffee trinken, sondern auch kegeln. Und das, wie es sich gehört, im holzvertäfelten 70er Jahre Keller, in dem gefühlt schon unsere Eltern gekegelt haben. Für 15 Euro pro Stunde mietet man quasi den gesamten Keller und hat so neben zwei Kegelbahnen auch noch einen gemütlichen Raum zum Sitzen. Und wer clever ist, bucht die Bahn bis 22 Uhr, denn danach ist Schluss und man kann noch ein bisschen sitzen, ohne etwas vom Trubel oben mitzubekommen.
10 Unter Berlinern trinken in Gittis Bierbar
Dem gängigen Klischee, dass man in seinen Kiezkneipen schön sortiert nach sozialen Schichten lieber unter sich trinkt, widerspricht die bunte Ansammlung von Pils-Suchern in "Gittis Bierbar". Seit 1907, damals unter anderen Namen und Inhaber, wird im Hochparterre der Brückenstraße vor dem soliden Rückbüfett kräftig gegen den Durst gekämpft. Nachbarn sitzen neben Gewerkschaftsfunktionären und Bundestagsabgeordneten, Mitarbeiter des Springer-Verlags neben ehemaligen DDR-Eishockey-Größen.
11 Ehrlich trinken im Willy Bresch
Sollte im "Willy Bresch" der Biernachschub doch mal etwas dauern, kann man sich an dem unerschrockenen Material-, Zeiten- und Stilmix wunderbar sattsehen. Tiffanylampen beleuchten alte Fenster, um den Tresen herum ermuntern flotte Sprüche á la "Freibier gibt's morgen" und "Trau keinem, der nicht trinkt", alte Werbetafeln und ein fröhliches Sammelsurium von aus der Mode gekommenen Gläsern. Hier treffen sich noch Kundendienstler mit ihren Dachdecker-Kumpel zum Feierabendbier.