So wehrt sich eine Berliner Kiezinitiative gegen die Privatisierung des Dragoner Areal

© Stadt von unten

Update 20.04.2017: Heute berichtet die B.Z., dass die Stadt Berlin das Dragoner-Areal vom Bund erhält, ohne etwas dafür zahlen zu müssen. Auf der letzten freien Areal werden dann in den nächsten Jahren 500 städtische Wohnungen (Hälfte mit Sozialmieten), Gewerberäume und Kulturstätten entstehen.

In Berlin gibt es zwar nicht mehr viele Hausbesetzer, dafür jede Menge Menschen, die mit anderen Mitteln für bezahlbaren Wohnraum in ihrer Nachbarschaft kämpfen. Besondere Aufmerksamkeit bekam zuletzt das Kiezprojekt Bizzim Bakal, das sich für den Verbleib eines Gemüsehändlers in der Wrangelstraße einsetzte.

Ein anderes Nachbarschaftsprojekt heißt "Stadt von Unten" und machte vor Kurzem mit einer tollen Aktion auf sich aufmerksam: Nachdem ihr Kleingartenprojekt auf dem leerstehenden Dragoner-Areal – wo sich unter anderem einige Werkstätten, die Clubs Gretchen und Miami und ein LPG befinden – geräumt wurde, bauten sie es kurzerhand einfach wieder aufStadt von Unten kämpft als Zusammenschluss von stadtpolitisch aktiven und interessierten Menschen seit zwei Jahren für den Bau von sozialem und bezahlbarem Wohn- und Gewerberaum auf dem Gelände, das derzeit für Streit zwischen dem Bund und der Stadt Berlin sorgt. Wir haben mit den Menschen hinter der Initiative gesprochen.

Wenn es nach euch ginge, was sollte auf dem Dragoner Areal entstehen?
"Unser Modellprojekt 'Selbstverwaltet und kommunal', mit dem wir weder eine 'linke Insel' aus Hausprojekten noch einfach städtischen Wohnungsbau anstreben, wollen wir beispielhaft auf dem sogenannten Dragoner Areal verwirklichen. Wir wollen das Beste aus beiden Strukturen zusammenführen – also zum Beispiel die selbstverwalteten und selbstbestimmten Elemente aus Hausprojekten mit der breiten Wirkung und den Fördergeldern des städtischen Wohnungsbaus kombinieren. Um dies überhaupt verwirklichen zu können, darf das sogenannte Dragoner Areal nicht privatisiert werden. Denn für die von dem Investor Dragonerhöfe GmbH gebotenen 36 Millionen Euro könnten hier nur Luxuswohnungen entstehen."

Was sind denn die Pläne des Senats?
"Das Land Berlin möchte das Gelände für seine städtischen Wohnungbaugesellschaften nutzen und spricht mittlerweile von bis zu 50% bezahlbarem Wohnraum, der hier entstehen könnte. Das ist aus unserer Perspektive aber nicht genug, denn in der Gegend entstehen ohnehin genug hochpreisige Neubauten. Was Berliner wirklich brauchen, sind tatsächliche bezahlbare Mietwohnungen – und zwar zu 100%."

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Wie ist die aktuelle Situation? Wie kommt es zu dem Stillstand auf dem Gelände?
"Das Grundstück befindet sich in öffentlicher Hand. Besitzer ist der Bund, vertreten durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die dem Bundesfinanzministerium unterstellt ist. Die BImA wurde 2004 gegründet mit dem Zweck, bundeseigene Liegenschaften zu verwalten und zum Höchstpreis zu verkaufen. Im Sommer 2014 ging auch das sogenannte Dragoner Areal in solch ein Höchstpreisverfahren, in dem auch städtische Wohnungsbausgesellschaften mitboten. Den höchsten Preis mit 36 Millionen Euro rief allerdings die Dragonerhöfe GmbH auf. Jeder Verkauf bundeseigenen Eigentums über 15 Millionen Euro muss durch die Finanzausschüsse des Bundestags und des Bundesrats abgesegnet werden. Durch unseren Kampf konnten wir so viel Druck aufbauen, dass die Länderfinanzminister im September 2015 schließlich gegen die Privatisierung stimmten – zum ersten Mal in der Geschichte dieser Regelung.

Doch seitdem hat die BImA den Verkauf an den Investor nicht rückabgewickelt. Das heißt, das Geld liegt immer noch beim Bund und dem Areal ist eine andere Entwicklungsperspektive versperrt. Das Land Berlin, das ebenfalls gegen die Privatisierung des Geländes ist, hat in der Zwischenzeit das Gebiet um das Gelände zu Sanierungsgebiet erklärt, um mit diesem stadtplanerischen Instrument Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen."

Währenddessen lasst ihr euch nicht beirren und habt letzte Woche Blumen gepflanzt. Was hatte es mit der Aktion vom Sonntag auf sich?
"Wir haben in den letzten Monaten schon mal mit der Stadtentwicklung von unten begonnen und einen Ort auf dem Gelände geschaffen, der für die Nachbarschaft zugänglich ist und an dem man sich treffen kann, um über die Zukunft des Geländes zu entscheiden – das 'Stadtteilwohnzimmer' aus Garten und Möbeln."

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Das war ja nicht das erste Wohnzimmer, sondern nur ein Wiederaufbau des vorherigen. Was ist da passiert?
"Das passte der BImA offensichtlich nicht, denn sie plant ja weiterhin, das Gelände zu verkaufen, obwohl demokratisch dagegen entschieden wurde. Also ließ sie kurzerhand das Stadtteilwohnzimmer räumen. Da wir genauso dickköpfig sein können, haben wir vergangenen Sonntag zum Wiederaufbau geladen. 40 Nachbarn sind gekommen und haben unseren Versammlungsort wieder hergestellt."

Also habt ihr auch Unterstützung aus der Nachbarschaft?
"Seit Stadt von Unten sich gegründet hat, haben wir in zahlreichen Aktionen mit der Nachbarschaft und anderen stadtpolitischen Gruppen zusammen gearbeitet. Die Gewerbemieter des Geländes – Kleingewerbetreibende, Handwerker und Clubbesitzer – haben sich mittlerweile organisiert und treten gegen die Privatisierung und für ihr Recht zu bleiben ein. Eine Nachbarschaftsgruppe Dragopolis hat sich gegründet und denkt zum Beispiel in 'Zukunftswerkstätten' über die Zukunft des Geländes nach. Eine Geschichtsortsinitiative aus der Nachbarschaft möchte das historische Erbe des Ortes ausarbeiten, in dem 1919 die ersten politischen Morde an Revolutionären verübt wurden. Bei unseren Aktionen und Demonstrationen erhalten wir immer großen Zuspruch zu unseren Forderungen und erfahren viel über die empörenden Geschichten von Verdrängung und Mietsteigerung in der Gegend."

Was habt ihr als nächstes vor?
"Für den Winter fordern wir einen Kiezraum auf dem Gelände von der BImA. Es stehen genügend Gebäude leer. Die Stadtgesellschaft wird sich aneignen, was sowieso ihr gehört: 4,7 Hektar in öffentlicher Hand."

Vielen Dank!

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