Lost Places: 11 spannende verlassene Orte in und um Berlin
Obwohl Berlin sich stetig verändert, neu gebaut und frisch gestrichen wird, gibt es ein paar Orte, um die sich schon seit Jahren niemand mehr kümmert. Auf seinem Blog Abandoned Berlin schreibt Ciarán eben darüber. Für uns hat er die 11 spannendsten Orte und ihre Geschichten zusammengetragen.
1 Cité Foch
Wer sich anschauen will, wie der Tod des Kommunismus’ aussieht, der ist beim Cité Foch Shopping-Center an der richtigen Adresse. Seit 2006 ist es verlassen, weil die Investoren pleite gegangen sind. Das Gebäude inklusive Kino und Freizeitzentrum wurde 1975 für französische Militärkräfte und ihre Familien vor Ort erbaut. Frankreich war damals für diesen Teil von Westberlin verantwortlich. Ursprünglich hieß das Wohngebiet Cité Toucoulou, wurde aber zu Cité Foch umbenannt, zu Ehren des Soldaten Ferdinand Foch (nicht zu verwechseln mit Ferdinand Fuchs, einem echten Fuchs). Das Cité Foch Einkaufszentrum soll abgerissen werden und an dessen Stelle Apartments entstehen. Wenn man den Tod des Kommunismus’ sehen will, bevor er komplett verschwunden ist, sollte man dort bald vorbeischauen.
2 Teufelsberg
Jeder kennt den Teufelsberg, aber eine Liste über verlassene Orte in Berlin ist ohne ihn nicht komplett. Die alte westliche Abhöranlage steht auf einem Trümmerberg, den die Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg aufgetürmt haben. Seit der Kalte Krieg vorbei ist, verkommt die Anlage. Ihre Zukunft hängt davon ab, wie sich die Stadt und die Besitzer einigen. Zwischen den beiden Parteien herrscht zwar kein Kalter Krieg, aber die Verhandlungen sind ziemlich frostig und niemand weiß, wie sie ausgehen werden. Erstmal hat der Sohn des Besitzers das Ruder in die Hand genommen und lässt interessierte für 15 Euro durch die Gebäude schlendern. Einst war die Anlage wirklich verlassen und man konnte einfach herumlaufen.
3 Auf dem alten Flugplatz Rangsdorf spazieren
Der Flugplatz Rangsdorf, von dem aus Claus Schenk Graf von Stauffenberg einst mit einer Bombe losflog, um Hitler umzubringen, ist verlassen, vergessen, verdrängt und wird ignoriert. Sähe natürlich ganz anders aus, hätte Von Stauffenberg Erfolg gehabt! Vielleicht wäre Rangsdorf dann auch berühmt und anerkannt worden, so wie Tempelhof – auch verlassen, aber niemals verfallen. Die Russen haben Rangsdorf nach dessen Blütezeit übernommen – Stars wie Elli Beinhorn, Bernd Rosemeyer, Beate Uhse sind von hier aus geflogen – aber sie konnten die guten Zeiten nicht mehr aufleben lassen. Sie ließen eine Menge Müll zurück, als sie nach Moskau zurückkehrten. Müll, der verschwunden ist, aber doch seine Spuren hinterlassen hat.
4 SS-Bäckerei
In der Nähe des Konzentrationslagers Sachsenhausen steht eine Bäckerei, in der die Arbeiter schufteten, um ihren Mitgefangenen Brot zu backen. Auch, wenn sich niemand wirklich darum scherte, ob sie lebten oder starben, sollten die Gefangenen doch am Leben gehalten werden. So buken sie bis zu 40.000 Laibe täglich für ihre Brüder und die Konzentrationslager in Mittelbau-Dore, Groß Rosen und Ravensbrück. Nach dem Krieg übernahmen die Russen und ließen die Produktion weiterlaufen, um befreite Gefangene und sich selbst bis zum Mauerfall zu versorgen. Danach änderte sich vieles und vieles verstummte. Die SS-Bäckerei ist jetzt auch leise. Vielleicht ist es so besser.
5 VEB Berliner Metallhütten und Halbzeugwerke
Im BMHW, wie die riesige Metallproduktion an der Spree von Leuten genannt wurde, die Buchstaben mehr zu schätzen wissen als Worte, arbeiteten bis zur Wiedervereinigung etwa 2.300 Menschen. Vielleicht war es der richtige Moment, zum Ende zu kommen, denn die BMHW stehen auf einem Grundstück, das einst von einer jüdischen Familie gestohlen worden war – auch, wenn das natürlich nicht der Fehler der Arbeiter war. In den 1990ern wurden die BMHW aufgelöst und verwandelten sich in den Cisch-Klub, ein Ort für legendäre Depeche-Mode-Partys. Heute ist die Musik aus, aber man kann immer noch ein Bier auf dem Dach genießen.
6 Auf den Spuren der Militärgeschichte in Wünsdorf
Die militärische Vergangenheit ist nicht unbedingt etwas, auf das Wünsdorf stolz ist. Jetzt präsentiert sich die Stadt lieber als “Bücherstadt”. Hier liebt man das Lesen. Doch einst war das ganz anders. Bereits 1910 wurden hier erste Militärgebäude errichtet, unter anderem das sogenannte “Halbmondlager”, welches zu Beginn des Ersten Weltkriegs als Lager für Kriegsgefangene, muslimische Araber, Inder und Afrikaner aus der britischen und französischen Armee diente. Die Nazis bauten hier unterirdische Bunkeranlagen samt der hochmodernen Nachrichtenzentrale “Zeppelin” und etwa 20 Luftschutzbunker. Danach übernahmen die Russen und machten Wünsdorf zum Hauptsitz des sowjetischen Militärs in Deutschland, weshalb die Stadt auch als “Klein-Moskau” oder auch “Verbotene Stadt” bezeichnet wurde. Zum Glück ist es jetzt nicht mehr verboten, dort vorbeizuschauen. So kann man hier die zahlreichen Museen, Bunker und sogar das Haus der Offiziere mit der beeindruckenden Lenin-Statue besichtigen.
7 Das einsame Nilpferd im Wernerbad besuchen
Knautschke, das einsame Nilpferd, wartet seit 2002 darauf, dass das Wernerbad wieder eröffnet. Er wird wohl noch länger warten. In der DDR war das Wernerbad ziemlich beliebt bei Schwimmern, doch als die Mauer fiel, war es nicht mehr gut genug. Zu laut! Zu teuer! Nicht genügend Parkplätze! Schlechte Anbindung! Bah. Das Wernerbad war Berlins ältestes Freibad, dessen Geschichte bis 1901 zurückgeht, als Wilhelm Werner das Badeschlösschen, eine Badehütte mit Restaurant neben einem kleinen natürlichen Teich, eröffnete. Vier Jahre später wurde es ein offizielles Freibad und um einen 50-Meter-Pool erweitert, in dem 1957 bis 1959 Wettkämpfe stattfanden. Jetzt würde es einiges an Geld kosten, das Schwimmbad wiederzueröffnen. Millionen, die wahrscheinlich niemals investiert werden. Der arme Knautschke wartet schon so lange, dass er zu Stein geworden ist.
8 Führungen im Spreepark machen
Der Spreepark ist Berlins berühmter verlassener Freizeitpark. Seit 2001 rottet er zwischen den Bäumen des Plänterwaldes vor sich hin: Nur noch ein paar Dinos, eine rostige Achterbahn, ein einsames Piratenschiff und ein paar Überbleibsel der Westernstadt sind übrig geblieben. Der Park wurde anlässlich des zwanzigsten Geburtstages der DDR im Jahr 1969 als “VEB Kulturpark Plänterwald” eröffnet. Mittlerweile gibt es neue Pläne für das Areal: Bis 2026 soll der Park schrittweise wieder eröffnet werden und Besucher*innen mit einer Mischung aus Kunst, Kultur und Natur anlocken. Seit Mitte Juni 2020 werden auch wieder Führungen durch den Spreepark angeboten – Tickets könnt ihr vorab online buchen.
9 Siemensbahn
Drei Geisterstationen befinden sich auf der vergessenen S-Bahn-Linie der Siemensbahn, die darauf warten, dass hier mal wieder ein Zug vorbeikommt. Die Gleise sind längst überwuchert von Unkraut und Blättern, verdeckt von Ästen und Laub – im Prinzip allem, was nichts mit Zügen zu tun hat. Seit September 1980 fährt hier nichts mehr. Ein Boykott der DDR-betriebenen S-Bahnen in Westberlin und ein Streik der Zugarbeiter veranlasste die Ostdeutsche Reichsbahn, den Betrieb zu stoppen. Manch einer träumt davon, dass die Siemensbahn nochmal durch die Jungfernheide fährt, aber es ist ziemlich offensichtlich, dass dieser Betrieb schon längst die Endstation erreicht hat.
10 Bärenquell Brauerei
Nach dem Fall der Berliner Mauer wurde den Berlinern plötzlich klar, dass es noch mehr zu tun gab, als zu trinken. Zum Unglück der ostdeutschen Brauereien bedeutete dies für viele das Ende und sie verwaisten schneller als eine Party, nachdem der Kühlschrank leer ist. Die Bärenquell Brauerei schloss am 1. April 1994 nach 112 Jahren Braubetrieb ihre Pforten. Sie hatte als Borussia Brauerei 1882 eröffnet, war später von der Schultheiss AG gekauft worden und hatte 1889 expandiert. Zu DDR-Zeiten VEB Bärenquell genannt, produzierte sie eines der beliebtesten Berliner Biere, das für seinen guten Geschmack weithin bekannt war. Zur Zeit der Schließung war sie eine der “Big Four”-Brauereien neben Berliner Kindl, Berliner Pilsener und Schultheiss.
11 Haus der Statistik
Eine große unförmige Ruine thront über den Touristen und Einkaufenden am Alexanderplatz und blickt kühn von oben auf sie herab, trotz ihres eigenen verwahrlosten Zustands. Zu DDR-Zeiten hat sie auch schon alle genau beobachtet, allerdings nicht nur die Touristen – die damals im Gebäude ansässige Stasi überwachte alle. Das Haus der Statistik beherbergte damals die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik der DDR, die gesamten oberen drei Etagen des 12-stöckigen Gebäudes wurden ausschließlich von der omnipräsenten Stasi genutzt. Nach der Wiedervereinigung wurde das Gebäude zur Berliner Außenstelle des Statistischen Bundesamtes und der Berliner Dienstsitz der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Die Stasi-Akten wurden dort aufbewahrt, sodass ehemalige Überwachte einsehen konnten, was von der Stasi über sie geschrieben oder gesagt worden war. Die Pläne, das Gebäude abzureißen und die üblichen Apartments und Büros dort zu errichten, wurden zugunsten von Geflohenen und Künstlern geändert, sodass es nun in einen Wohn- und Arbeitskomplex umgewandelt wird. Viele Clubs und kulturelle Organisationen haben bereits ihr Interesse an einem Einzug bekundet und auch weitere 1000 Wohnungen könnten dort gebaut werden. Eine Weiterentwicklung ist jedenfalls bald zu erwarten – die Tage der “Verlassenen Statistik” sind gezählt.
Danke an Ciarán für die Zusammenfassung!
Noch mehr spannende Orte gefällig? Schaut mal bei Abandoned Berlin vorbei oder das Buch des Blogs. Hier findet ihr zudem ein schönes Interview & Video von Ciarán.