Die Beelitzer Heilstätten könnt ihr bald von einem Baumkronenpfad aus erkunden
Von den Beelitzer Heilstätten habt ihr wahrscheinlich schon mal gehört, auch wenn ihr noch nie dort war. Man kennt die Fotos von den graffitibeschmierten Ruinen, den leeren Sälen, Schutt und Asche. Kein Wunder, denn Beelitz Heilstätten ist einer der liebsten Fotospots von Hobbyfotografen, Zeitreisenden und Historikerfreunden. Außerdem Filmstätte, Schauplatz für Horrorgeschichten und (ok, letztlich dann doch nicht) Spargelfesten.
Ab Ende August kann man jetzt auch das Gelände von oben betrachten, wenn der Baumkronen- und Zeitreisepfad eröffnet. Ein 320 Meter langer Pfad in 23 Meter Höhe, der sich zwischen den Gebäuden der Heilstätte und den Baumkronen entlang schlängelt. Georg Hoffmann, Geschäftsführer der Heilstätten Projektentwicklungs GmbH (HPG), hat die Idee für einen solchen Pfad in Eisenach gesehen und sie nach Beelitz gebracht. Zusammen mit seiner Frau Beate hat er sieben Jahre lang an diesem Plan gefeilt, seit vier Monaten wird nun gebaut.
Der 40 Meter hohe Turm, von dem aus der Pfad startet, steht schon. Von hier oben kann man weit über den Baumspitzen Richtung Umland blicken. Eine tolle Aussicht, obwohl nur vereinzelt Häuserdächer durch die Blätterdecke hervorschauen. Im Winter dürfte das anders aussehen. Dann sieht man die Geschichte der Heilstätten deutlicher.
Die "Arbeiter-Lungenheilstätten“, die Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurden, sind eine der größten Krankenhauskomplexe im Berliner Umland. Damals begaben sich die Tuberkulosekranken nach Beelitz, um in dem ausgedehnten Waldgebiet die Ruhe und die gute Luft zu genießen. Im 1. und 2. Weltkrieg bezog das Militär die Beelitzer Heilstätten. Unter den rund 17.500 Rekonvaleszenten, die zwischen 1914 und 1918 in Beelitz untergebracht wurden, befand sich für zwei Monate auch der Gefreite Adolf Hitler.
Nach 1945 gingen die Heilstätten – vom Krieg teils schwer beschädigt – an die sowjetische Armee über, wurden militärisches Sperrgebiet und beherbergten das größte sowjetische Militärhospital außerhalb des eigenen Territoriums. Dadurch blieben die Bauten erhalten und vom Abriss verschont. Nach der Wende wurden einige Gebäude saniert und durch neue Gebäude ergänzt.
Dort, wo jetzt der Aussichtsturm steht, befand sich früher ein Freiluftbad, Ladies only. Der Baumkronenpfad schlängelt sich vorbei an einem 1944 ausgebrannten, riesigen Sanatorium, das seit 65 Jahren sich selbst überlassen wurde. Auf dessen Dach ist bereits ein kleiner Wald gewachsen.
Wenn der Park eröffnet, sollen Infotäfelchen helfen, Flora und Fauna zu verstehen, Führungen soll es auch geben. Unten am Boden wird ebenfalls einiges los sein. Café, Restaurant, Biergarten, Spielplatz, Shop, Rundwege. Die Hoffmanns haben große Pläne. Den Pfad möchten sie noch verlängern, in ein Gebäude wollen sie ein Hotel bauen, eine Jugendherberge ist geplant. Sie wollen weg vom Horrorimage der Heilstätten: "Wer hier Stimmen hört, soll zum Arzt gehen", sagt Herr Hoffmann etwas fuchsig. Sie wollen ein neues Bild schaffen, gleichzeitig aber auch das Material erhalten, sofern möglich.
Ein bisschen einschüchternd sehen die Stahlträger des Baumwipfelpfades schon aus. Immerhin mussten dafür fast keine Bäume gefällt werden; den Wald zu schützen, ist den Hoffmanns wichtig. Doch so wirklich gliedern sich die Pfähle nicht in die alte Parklandschaft und neben den Gebäuden ein. Massiv, neu, glänzend. Ich weiß teilweise nicht, was ich von all dem halten soll.
Mir gefällt der Charme der verfallenen Heilstätten, dieses echte Historische. Gerade das Heruntergekommene macht den Glanz aus. Andererseits ist fraglich, wie lange solche Gebäude ohne ein bisschen Umsorgung noch stehen. Modernisierung bedeutet nun mal Veränderung und gut gemacht, kann das eine gute Veränderung sein. Gerade für die Leute in Beelitz sind die Heilstätten nichts anderes als "Russengelände", von nostalgischen Gefühlen keine Spur.
Baumkronen- und Zeitreisepfad Beelitz Heilstätten | RB 7 Berlin-Dessau, Station Beelitz-Heilstätten | Eröffnung Ende August, genaue Daten auf der Website, dann Mai – September: 9–19 Uhr, April & Oktober 9–17.30 Uhr, November – März: 10–16 Uhr | Eintritt 9,50 Euro
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Fotos: © Milena Zwerenz, Foto Vogelperspektive: © Baum & Zeit/Pressematerial