Wir sind hier nicht in München, Jann. - Ein Tag auf dem Oktoberfest. In Berlin.

© Jann Petersen

Auf den Wiesn wurden schon am 7. Oktober die Zelte abgebaut und die letzten "Massleichen" weggetragen. Hier und da ist noch ein bisschen Mageninhalt an den plattgetrampelten Grashalmen festgekrustet, aber ansonsten ist nicht mehr viel zu sehen vom größten Volksfest der Welt. Zwei Wochen Bierzelt und Megarummel mit Millionen von Besuchern ist ja auch genug. Denn schön ist ja immer besonders das, was auch ein Ende hat. Oder so. Berlin hat da aber was in der Hinterhand. Auf dem zentralen Festplatz Berlin am Kurt-Schuhmacher-Damm findet das Berliner Oktoberfest statt und es geht eine ganze Woche länger als im Süden. Am Wochenende habe ich mir deshalb ein bisschen Zeit genommen und bin auf eine Mass in die U7 gestiegen. Eins sei dazu gesagt: Die Wiesn in München gehört zu einem der Orte, von denen ich glaube, dass ich sie nicht besuchen brauche.

Als wir am Jakob-Kaiser-Platz auf den Bus zum Festgelände warten, regnet es und ich frage mich, wie unangenehm es wohl ohne Unterwäsche in nassen Lederhosen sein muss. Je näher wir dem Fest kommen, desto mehr von den schönen Beinkleidern gibt es zu sehen. Hier und da auch ein Dirndl. Trotzdem lässt der Berliner Nahverkehrsalltag diese mitsamt ihrer Träger ein wenig deplaziert wirken. Der Bus hält direkt am Eingang vor dem verrosteten kleinen Riesenrad, das man schon öfter bemerkt hat, wenn man über die A100 braust. Zumindest ich habe mich dann immer gefragt, was für Veranstaltungen an diesem Ort stattfinden und ob man diese irgendwann mal besuchen wird. So schön überholt klingt doch der Name: ZENTRALER FESTPLATZ BERLIN. Besonders das Attribut zentral, aber das ist ja relativ.

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Wir laufen einen breiten Weg entlang durch ein kleines Wäldchen und landen vor einem ausladenen Rummeleingangsbogen. "Wir wünschen viel Vergnügen" steht da groß in Rot auf Gelb mit ganz viel Geblinke. Daneben ein verrammeltes Kassenhäuschen. Der Spaß soll hier nichts kosten. Da schmeckt die kleine Zuckerwatte für 4 Euro nämlich gleich viel besser.

Zwei Runden laufen wir über den Rummelplatz, vorbei an Schießbuden, Spielautomaten und Breakdancer. Viele Menschen sind nicht unterwegs, aber das ist ja umso besser. In München verbringt man bestimmt eh die meiste Zeit mit warten. Mein Favorit ist ein Boot, das sich auf einem Wellenbewegung imitierenden Apparat ununterbrochen um die eigene Achse dreht. Vollbesetzt mit Betrunkenen bestimmt noch schöner. Die Hauptattraktion ist aber das Festzelt in original Oktoberfestgröße. Als wir erfahren, dass es Eintritt kostet, gehen wir noch eine weitere Runde über den Platz. Danach stellen wir uns in die Schlange. Die Dame an der Kasse sagt 'Grüß Gott' und berlinert dann heftig im Gespräch mit ihrem Kollegen. Es ist 16:00 Uhr.

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Zehn Minuten später stehen vor uns 2 Liter Oktoberfestbier und 4 Weißwürste. Die sind erstaunlich lecker. Es ist nicht viel los, aber das "Kommt noch" wurde sofort erwähnt. Wir gucken solange den flinken, überall mit Tribals tattoowierten Dirndlkellnerinnen dabei zu, wie sie 8 Mass auf einmal an einen Tisch bringen. Hossa. Dann kommt endlich DJ Hummel.

DJ Hummel steht vor einen Alleinunterhaltertechnikturm auf der riesengroßen Festzeltbühne und serviert die Tunes zum Anstoßen. „Krüge hoch!“, ein Prosit. Immer wieder. Um 17:00 Uhr das erste Mal Alarm Stufe Rot. Mit charmanter Stimme kündigt er nicht nur einmal, gekonnt mitten ins Lied gebrüllt, die original Wiesnband D‘Chieminger an und das Finale des Dirndlschönheitswettbewerbs. Ich trinke schnell mit großen Schlucken, mir ist ein bisschen kalt.

Um 18:00 Uhr betreten die Musiker die Bühne. Ein Prosit. Es sind über 20 und im Zelt stehen die Ersten auf den Tischen. Wir lassen unsere Gläser noch einmal auffüllen und versuchen zu schunkeln. Das Sänger(ehe)paar der Truppe liest die Liedtexte ganz traditionell von einem iPad ab. Alles hier ist so schön einstudiert.

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Dann muss ich das erste Mal auf Klo, was sich als großer Fehler rausstellt. Sagte mein neuer Sitznachbar Andreas aus Tegel doch noch: „Das Fass darf man erst so spät wie möglich anstechen, sonst läufst du nur noch hin und her.“ Er war dieses Jahr auch in München, sein Rekord liegt bei 7 Mass. Ich trinke meine zweite aus, als DJ Hummel wieder auf die Bühne kommt. Er ist wirklich Entertainer in den besten Jahren.

Miss Dirndl 1949 zwinkert ein bisschen zu oft in unsere Richtung. Sie muss den Bierkrug mit beiden Händen halten. Im Gang stehen inzwischen jede Menge Leute, die auf einen Sitzplatz warten. Das Zelt ist voll und wir auch. Wir wollen gehen. Andreas sagt, wir sollen umbedingt nächstes Jahr nach Diedersdorf kommen. Da wäre das alles tausendmal geiler. Ich schüttle ihm die nasse Hand. Auf dem Weg nach draußen kommt mir ein netter Mensch entgegen. Auf seinem T-Shirt Darth Vader mit einem Bierhumpen in der Hand, darüber steht MASS WARS. Ach, schön. Wir laufen zum Ausgang und steigen in den falschen Bus. Am Flughafen Tegel verliere ich den Bayernhut, den wir für 3 Euro gekauft haben. Spätestens am Hermannplatz bin ich darüber sehr froh. Es ist 20:00 Uhr, aber es fühlt sich nicht so an.

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