ARTVERGNÜGEN #32 featuring Max Kersting, Tomas Saraceno bei Esther Schipper und Die Lange Nacht der Museen in der Gemäldegalerie
Aus gegebenem Anlass sah ich mir den Schnee von gestern an, habe mich in animalische Galaxien geflüchtet und den lustigen Überzeichnungskünstler Max Kersting zum digitalen Interview getroffen und schlage den Winterblues damit in die Flucht.
ARTVERGNÜGEN featuring: Max Kersting
Max Kersting ist - genau wie Karl-Heinz Rummenigge und Super-Richie - in Lippstadt geboren und aufgewachsen. Seine Jugend verbrachte er als Blader und beim Psychologen. Nachdem er seinen ersten richtigen Job im Marketing eines Schiebetürenherstellers für Baumärkte an den Nagel gehängt hatte, ging diese Firma einige Monate später insolvent. Max hat außerdem mindestens sechs verschiedene Werbeagenturen von innen gesehen und sich auch als Illustrator und Texter, Party-DJ und Eistee-Produzent einen Namen gemacht. Vor kurzem hat er ein Buch mit dem Titel »Drei unbeschwerte Tage« beim neuen Berliner Verlag Metrolit herausgebracht. In dem Buch finden sich 54 übermalte Flohmarktfotos. Der sehr berühmte Illustrator Christoph Niemann hat folgendes zum Ergebnis gesagt: »Nur mit alten Schnappschüssen, Tipp-Ex und einem Edding bewaffnet, kreiert Max Kersting herrlich absurde Bildpoesie.« Wir haben Max per E-Mail interviewt.
Hey Max! Letzten Sommer hast du mir bei deiner Life-Überzeichnung bei Pavlov’s Dog einen sehr lustigen Mittag beschert– mein nachträglicher Dank dafür. Dein neues Buch hast du neulich mit einer Ausstellung erneut in der Hundehütte gelauncht. Wie steht es denn heute um dein patriotisches Herz: Berlin oder Lippstadt?
Die Frage beantwortet das von mir bemalte T-Shirt. In meinem Online-Shop habe ich es zum Verkauf angeboten. Weil aber fast niemand das T-Shirt gut fand, geschweige denn eins kaufen wollte, habe ich den Status aus Trotz auf SOLD OUT gestellt obwohl die Kiste noch voll ist.
Und was zählst du sonst zu deinen größten Erfolgen?
Kurz nach meinem Abitur hatte ich sturmfreie Bude. Es war Sommer und ich habe mit Freunden Hasch-Brownies gebacken und gegessen. 50% waren bereits heftige Kiffer, 50% komplette Neulinge auf dem Gebiet. Mir wurde ein sanfter geiler Trip versprochen. Es war leider irgendein Scheiß-Hasch und wir alle hatten mit heftigen Todesängsten zu kämpfen. Alle! Selbst die Profis. Den Höllentrip ohne großen Schaden überstanden zu haben, zähle ich eindeutig zu meinem bis dato größten Erfolg.
Wie hältst du es sonst mit deiner Ernährung: bist du auch Vegetarier?
Natürlich.
... und was ist dein Lieblingsgemüse?
Die Zucchini.
Was außer Grünzeug bereitet dir sonst Vergnügen?
Hörbücher. Vor circa fünf Jahren bin ich durch eine echt stressige Zeit gegangen. Ohne Hörbücher hätte ich das nicht geschafft. Erst waren sie nur Therapie, jetzt sind sie pures Vergnügen. Mein aktuelles Lieblingshörbuch ist »Lila, Lila« von Martin Suter, gelesen von Daniel Brühl. Megagerne würde ich auch mal selbst eins einlesen. »Das weiße Buch« von Rafael Horzon zum Beispiel. Muss ich einfach mal auf eigene Faust machen. Ach so, es würde mir natürlich großes Vergnügen bereiten wenn alle Leute »Drei unbeschwerte Tage« kaufen würden.
Folgendes Foto habe ich von dir im Internet gefunden. Was hat es damit auf sich?
Es sollte ein Großprojekt am Skatepark des Erwitter Skatevereins werden. Ich wollte auf alle Rampen aktuelle Bestseller malen. Nachts und voll betrunken war der ganze Verein dafür, nüchtern war der ganze Verein dann wieder gegen die Idee. Damit ich aus Wut nicht aus dem Verein austrete, durfte ich eine kleine Rampe mit dem Bestseller schlechthin bemalen.
Vor einigen Wochen ist dein Buch »Drei unbeschwerte Tage“ erschienen. Was ist dein Lieblingsbild daraus?
Und gibt es eines, das du mittlerweile schon nicht mehr leiden kannst?
...also ich finde das lustig. Wie kamst du eigentlich auf die Idee der Überzeichnungen?
Die ausführliche Antwort findet man hier.
Du bist ja außerdem auch Illustrator. Was hat dich dazu motiviert?
Als ich so 12 war habe ich auf der Herbstkirmes in Lippstadt am Musik-Express diesen Festhalt-Affen bewundert. Ich habe ihn immer nachgezeichnet. Alle Schulhefte waren voll mit diesem Affen. Ich habe ihn zum Glück irgendwann mal fotografiert, mittlerweile ist er nämlich verschwunden.
Was ist Kunst für dich?
Letztes Weihnachten habe ich im Keller meiner Eltern die alte Kunstmappe von meinem jüngeren Bruder Lukas gefunden; auch meine lag da rum. Ich habe bis zu dem Zeitpunkt immer gedacht, ich wäre das Talent in der Familie. Aber gegen die Bilder von meinem Bruder sind meine Bilder totaler Müll. Seine sind genial. Seine Bilder sind Kunst!
Titel: Rauchen und Waldbrand
So, Max, ich glaube wir haben genug im Kasten. Hat Spaß gemacht! Danke!
Gerne! Lass uns das Interview bei Gelegenheit fortführen.
Tomas Saraceno bei Esther Schipper
Tomas ist der Neue. Bei Esther Schipper erklärt er, warum er tut, was er tut und warum in dieser Form. Den argentinischen Architekten und Künstler interessieren alternative Formen des Zusammenlebens, Biodiverstiät und Hybridität. Weil er zwar fantastisch, aber nicht genial ist, kooperiert er in der Entwicklung seiner raumgreifenden, oftmals immersiv erleb- und besteigbaren Skulpturen wie die Cloud Cities im Hamburger Bahnhof mit Biologen, Radiologen und Astrophysikern. Spätestens seit seiner Zeit im International Space Studies Program bei der NASA weiß er, dass die Astrophysik Spinnwebenstrukturen verwendet, um die Entstehung der Galaxien darzustellen. Alles andere als interdisziplinär agiert die Spinne, dieses asoziale Tier. Für die aktuelle Ausstellung überlistete der kluge Saraceno diese und zwang sie in kollaborative Arbeitsstrukturen. Es entstanden filigrane Skulpturen höchster Fragilität, Komplexität und Anmut. Die toten Meister hängen noch in den Netzen, thronen jetzt imposant in musealen Mausoleen (=Stehlen), sind überwiegend gesichert durch Plexiglas, ausgeleuchtet in einem sonst vollkommen verdunkelten Raum wie sonst wertvollste Diademe. Auf den Lichtstrahlen flirren Staubkörner zu, von und zwischen dem Netz, wodurch der Anschein entsteht, sie seien lebende Skulpturen. Saraceno wird es so schnell zum Klassenliebling schaffen.
Macht anschließend doch auch noch einen Abstecher ins Untergeschoss zur musikalischen Installation Songbook (ES13). Ich kann leider nichts dazu sagen, da ich unwissentlich dran vorbeigezogen bin. Das sollte euch nicht passieren; sagt man.
Social .. Quasi social .. Solitary.. Spiders ... On hybrid cosmic webs
noch bis 13.April 2013
Esther Schipper, Schöneberger Ufer 65
Di- Sa 11.00 – 18.00 h
Bilder: © Andrea Rossetti, Courtesy : der Künstler und Esther Schipper, Berlin
Lange Nacht der Museen | Gemäldegalerie im Kunstforum am Potsdamer Platz
Die Lange Nacht der Museen lockt alle. Zugezogene, die sich einen ersten Überblick verschaffen möchten. Nachbarn aus dem Umland, die Flatrate-Kunstsättigung wollen und natürlich die Massenspektakelunersättlichen. Kurz vor meinem zehnjährigen Jubiläum in Berlin besteige ich die Routenbusse für den ganz persönlichen Realitätscheck. Und es tun sich doch wahrhaftig Schätze auf. Im Naturkundemuseum werden Cocktails unterm Skelett serviert, Lisa schüttelt die Gesteinsüberraschungseier während ich kaum vom Dinosimulator lassen kann. Daneben gibt’s Haariges und Widerwärtiges.
In der Gemäldegalerie schließlich wartet das prunkvolle Urgestein. Hier offenbart sich der Ursprung von Phänomenen und Stilen. Die Leuchtkraft, das Ausmaß, die inhaltliche Wucht sind kaum zu fassen. Leicht vergisst man die Zeit und verliert sich in der Reichhaltigkeit, währned man über Symboliken der christlichen Szenen, historischen Ereignisse und Allegorien spekuliert. Dokumentationen in Ölfarbe, jahrelange Arbeit, mit einem Klick redokumentiert. Aber nein, meine Fotos versagen gnadenlos , da sie nicht in der Lage sind, die Kraft der Bilder zu transportieren. Und so ziehen wir weiter, gehen fast 2 km behangene Wände ab. 1.500 Arbeiten von Meistern aus Italien und Spanien (13.- 16. Jahrhundert), Holland und Deutschland (15.- 16. Jahrhundert) bis zur Erschöpfung. Ich halte nicht durch bis zum Schlussgong. Mach’s noch gut, du lange Nacht. So ohne bist du gar nicht.
Gemäldegalerie. Matthäikirchplatz
Di- So 10.00 – 18.00 h
Do 10.00- 20.00 h
Eintritt 8 Euro
Vernissage der Soloausstellung von Erkin Gören in der Galerie Merkezi
Am Donnerstag eröffnet die Ausstellung des türkischen Künstlers in der Galerie Merkezi. Erkin Gören ist ein interdisziplinär arbeitender Künstler, der auch als selbst produzierender Musiker, bildender Künstler und als (Mit-)Gründer verschiedener kollaborativer Kunstprojekte bekannt ist. 2012 ist er nach Berlin gezogen. Nach fünf kuratierten Ausstellungen (Berlin, Kassel, Saarbrücken) und seiner ersten Soloausstellung diyemedim folgt jetzt seine zweite Soloausstellung in Deutschland.