WG-Leben: Wir holen uns die Kaution zurück!

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In Berlin finden Normalsterbliche kaum noch bezahlbare Wohnungen. Hat man nach langer Odyssee endlich ein Zuhause bezogen, hagelt es rasante Mieterhöhungen und Co. Es muss sich endlich etwas ändern – und zwar nicht, indem wir auf bessere Mietpreisbremsen warten, sondern kämpfen! Diesmal macht es eine 2-er WG vor und zieht vor Gericht, als die Vermieter die Kaution nach dem Auszug der WG nicht auszahlen wollen.

Leni* wohnt ein Jahr lang in einer Zweier-WG in Prenzlauer Berg. Bei Auszug streichen die beiden Mitbewohnerinnen die Bude – und warten im Anschluss vergeblich auf die Auszahlung ihrer Mietkaution. Die zwei Studentinnen beschließen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und fordern die Hausverwaltung schriftlich dazu auf, die Kaution auszuzahlen. Erst nach mehrmaliger Aufforderung kommt endlich ein Betrag auf dem WG-Konto an. Es ist ein lächerlicher Mini-Betrag: Ganze 76 von 1400 Euro Kaution erhalten die jungen Frauen zurück.

Die Last des Übergabeprotokolls

Leni hat Angst, das restliche Geld nie wieder zu sehen, denn die Kommunikation mit den Vermietern war schon von Anfang an problematisch: „Wir sind damals in eine unrenovierte Wohnung eingezogen. Natürlich haben wir bei der Übergabe den Vermieter aufgefordert, alle Mängel aufzuschreiben. Aber er hat sich geweigert, das zu tun. In dieser Situation war ich leider sehr unerfahren und überfordert. Außerdem stand ich unter Druck: Ich wollte in den darauffolgenden Tagen einziehen, weil ich mich natürlich darauf eingestellt hatte, in dieser Wohnung ein neues Dach über dem Kopf zu finden.“ Deshalb unterschreibt Leni, dass sie die Wohnung so übernimmt, wie sie ist – ohne Kennzeichnung der bereits bestehenden Mängel.

Eine Anwältin muss her

Als Leni und ihre Mitbewohnerin ein Jahr später ausziehen, wird ihnen dieses Übergabeprotokoll zum Verhängnis. Denn bei der Übergabe der Wohnung nach Auszug vermerkt der Vermieter alle Mängel, die vorher bereits bestanden hatten und lastet diese den beiden Studentinnen an: Darunter zum Beispiel sanierungsbedürftige Fenster oder ein Loch in der Decke. Leni und ihre Mitbewohnerin fühlen sich über den Tisch gezogen und entscheiden sich trotz des problematischen Übergabeprotokolls für die Rückzahlung der vollen Kaution zu kämpfen.

Sie suchen eine befreundete Anwältin auf, die ein anwaltliches Schreiben verfasst: Die Hausverwaltung soll darlegen, warum ein so großer Teil der Kaution zurückbehalten wurde. Doch auch diesmal lässt sich die Hausverwaltung viel Zeit mit einer Reaktion und schickt nach einigen Monaten schließlich eine Rechnung zu. Es handelt sich dabei um eine Auflistung von Reparaturen, die von der Verwaltung in Auftrag gegeben und von einer externen Firma durchgeführt wurden: Unter anderem die Installierung neuer Heizkörper, eine neue Deckenverkleidung und die Renovierung der Fenster. Leni kann es kaum fassen, schließlich sind all das Mängel, die mitnichten innerhalb von einem Jahr Miete verursacht werden können.

Prozesskostenhilfe beantragen

Mit dieser Rechnung im Gepäck wenden sich die beiden jungen Frauen an einen auf Mietrecht spezialisierten Anwalt und beantragen Prozess- und Verfahrenskostenhilfe. Diese muss beim zuständigen Amtsgericht beantragt werden, das den Prozess führen soll. Eine derartige Hilfe bedeutet die teilweise oder komplette Befreiung von den Prozesskosten für die Partei, die aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht in der Lage ist, die Kosten selbst zu tragen. Normalerweise nimmt der zuständige Anwalt diese Beantragung in die Hand, sodass man selbst nur die notwendigen Unterlagen beisteuern muss.

Die Prozesskostenhilfe wird nur dann bewilligt, wenn dabei eine Aussicht auf Gewinn besteht. Das Risiko, den Prozess zu verlieren, besteht natürlich trotzdem – dann müssen alle Kosten selbst getragen werden. Allerdings entscheidet über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe eben das Gericht, das am Ende auch über den Fall entscheidet. Eine Zusage erfolgt normalerweise nur dann, wenn eine hohe Chance für diejenige Partei gesehen wird, welche die Prozesskostenhilfe beantragt. Bei Lenis WG stuft der entsprechende Richter den Gewinn als wahrscheinlich ein und der Prozesskostenhilfe wird stattgegeben.

Vor Gericht

Als es zur Gerichtsverhandlung kommt, erklärt der Richter das Vorgehen der Hausverwaltung sehr schnell als absurd. Abgesehen von den fragwürdigen Forderungen der Hausverwaltung, die Renovierung der Heizkörper und Fenster durch Mieterinnen bezahlen zu lassen, die dort nur ein Jahr lang gewohnt haben, hat der Vermieter nämlich eine wichtige Regel missachtet: Er darf die Schönheitsreparaturen nicht einfach selbst durchführen und in Rechnung stellen, sondern er ist verpflichtet, die Mieterinnen zunächst dazu aufzufordern, alle festgestellten Schäden innerhalb einer gesetzten Frist selbst zu beheben. Werden die Mieterinnen hierzu nicht angehalten und bekommen demnach nicht die Chance, die Schäden selbst zu beheben, ist das nach Paragraph 281 BGB rechtswidrig.

Vor Gericht kommt außerdem die problematische Übergabe beim Einzug zur Sprache: Lenis Anwalt hält der Gegenpartei vor, dass die beiden jungen Frauen hierbei unter Druck gesetzt wurden, das Übergabeprotokoll ohne Vermerk von Mängeln und Schäden zu unterschreiben. Angesichts dieser Anklagepunkte macht die Anwältin der Vermieter keinen großen Hehl mehr daraus, keine Gegenargumente anbringen zu können. Die Hausverwaltung selbst lässt sich vor Gericht gar nicht erst blicken.

Kämpfen lohnt sich

Leni und ihre Mitbewohnerin gewinnen den Prozess haushoch und erhalten kurze Zeit später die Kaution inklusive Zinsen endlich zurück. Für den Prozess müssen sie aufgrund ihres Siegs keinen Cent der Kosten tragen. Ein paar Nerven bezahlen sie trotzdem – immerhin hat das Prozedere über ein Jahr lang gedauert. Doch das Ergebnis ist Leni jede Minute des Aufwands wert: „Ich hatte am Anfang Angst, dass ich die Kaution nie wiedersehe – obwohl die Hausverwaltung sich nicht mal ans Gesetz gehalten hat und uns nur einschüchtern wollte. Gerade deshalb ist es so wichtig, sich zu wehren und sich keinesfalls über den Tisch ziehen zu lassen!"

*Name geändert

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