So hat eine Berliner WG einen Mitbewohnerwechsel eingeklagt und gewonnen

© Ben White | Unsplash

In Berlin findet man als Normalsterblicher kaum noch bezahlbare Wohnungen und hat man nach langer Odyssee endlich ein Zuhause bezogen, hagelt es rasante Mieterhöhungen und Co. Es muss sich endlich etwas ändern – und zwar nicht, indem wir auf bessere Mietpreisbremsen warten, sondern kämpfen! Eine 3er WG hat's vorgemacht und ist vor Gericht gezogen, als die Vermieter einem Mitbewohnerwechsel nur zustimmen wollten, wenn sich die Miete um 100 Euro erhöht.

Paula* wohnt seit 2012 in einer Dreier-WG in einem hippen Bezirk. Die Wohnung ist zu diesem Zeitpunkt durchaus bezahlbar für die drei Studis: 750 Euro warm für 70 Quadratmeter. Zwei Jahre später: Einer der Mitbewohner hat sein Studium beendet, zieht aus und möchte im Mietvertrag durch eine neue Person ersetzt werden – der Klassiker in einer WG eben. Die Hausverwaltung stimmt dem Prozedere zu, aber nur unter folgender Bedingung: Es soll ein komplett neuer Vertrag aufgesetzt und die Miete um 100 Euro erhöht werden. Was nun?

Erster Schritt: Verhandlungen mit den Vermietern scheitern

„Zuerst versuchten wir, uns mit der Hausverwaltung zu einigen“, erzählt Paula. „Wir haben vorgeschlagen, eine Mieterhöhung von 100 Euro zu akzeptieren, wenn kein neuer Vertrag aufgesetzt wird und beim nächsten Mieterwechsel nicht wieder eine Erhöhung ansteht.“ Die Hausverwaltung lässt sich darauf jedoch nicht ein – mit der Begründung, dass der Eigentümer bei Vertragsänderungen in seiner Entscheidung frei sei. Paula vermutet den Grund für die Ablehnung eher darin, dass nur ein neuer Vertrag die Mieterhöhung gerechtfertigt hätte. Denn nach §557-560 BGB darf der Vermieter die Miete nur erhöhen aufgrund einer Veränderung der Betriebskosten, nach Modernisierungsmaßnahmen oder in Form einer Angleichung an die ortsübliche Vergleichsmiete. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Miete der WG aber schon auf Niveau des ortsüblichen Mietspiegels und es hat keine Modernisierung stattgefunden, im Gegenteil: Die Wohnung ist über Monate hinweg von einem Lärmpegel beschallt – aufgrund von Bauarbeiten auf dem Gelände.

„Wir wollen klagen!“

Die WG beschließt, nicht auf die Forderungen der Hausverwaltung einzugehen und sich erstmal grundlegend zu informieren – beim Mieterschutzbund und im Freundeskreis. So erhält Paula von einer befreundeten Jura-Studentin den Hinweis auf ein Urteil beim Landesgericht Berlin vom 28.8.2013 mit folgendem Leitsatz: „Wer eine Wohnung an eine Wohngemeinschaft vermietet, der muss das sich daraus ergebende Wechselrecht in Bezug auf die zur Wohngemeinschaft gehörenden Personen in Kauf nehmen, wenn das nicht ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen ist.“ Mit diesen Infos im Gepäck sucht die WG den Berliner Mieterschutzbund auf und lässt sich beraten. Dort empfehlen die Anwälte, gegen die Hausverwaltung zu klagen und das Recht einzufordern, den Mieterwechsel ohne Vertragsänderung vornehmen zu dürfen. Doch es gibt einen Haken.

Worst case: Ein paar tausend Euro Gerichtskosten blechen

Keiner der Mitbewohner hat eine Rechtsschutzversicherung und die WG ist erst jetzt in den Mieterschutzbund eingetreten und genießt dementsprechend über diese Mitgliedschaft noch keinen Prozesskostenrechtsschutz. Denn dieser beginnt beim Berliner Mieterschutzbund erst drei Monate nach Eintritt – und nur bei Rechtsfällen die zu Beginn der Mitgliedschaft noch nicht aktuell sind.

Paula und ihre Mitbewohner überlegen hin und her – doch sie wollen sich nicht unterkriegen lassen und entscheiden sich dafür, das Risiko in Kauf zu nehmen: Erstmal bedeutet das, 300 Euro Gerichtskosten vorzustrecken, die im Falle einer Rechtsprechung zurückerstattet werden. Es ist jedoch grundsätzlich auch möglich, Prozesskostenhilfe beim jeweiligen Prozessgericht zu beantragen – das bedeutet die volle oder teilweise Befreiung einer Partei von den Kosten und kann für jede Art von Verfahren beantragt werden, wenn jemand aufgrund der Einkommensverhältnisse nicht in der Lage ist, die Kosten selbst zu tragen.

Auch für den schlimmsten Fall wappnet sich die WG, wie Paula heute erzählt: „Wenn die Vermieter Recht bekommen hätten, dann wären das für uns im worst case ein paar tausend Euro Gerichtskosten gewesen. Wir haben deshalb in der WG untereinander eine Kostenübernahmeregelung vereinbart.“ Im Anschluss formulieren sie gemeinsam mit dem Mieterschutzbund eine Klageschrift, in der sie den gesamten Sachverhalt sowie die Kommunikation mit den Vermietern schildern und mit entsprechenden Belegen wie Emails und Briefen versehen. Das Schreiben schicken sie per Post an das zuständige Amtsgericht.

Der erste Gerichtstermin – doch der Vermieter kreuzt nicht auf

Kurz darauf erhält die WG eine Eingangsbestätigung – die Klageschrift wurde vom Amtsgericht angenommen und der Beklagte (die Vermieter) darüber informiert. Leider reagieren diese mitnichten, weshalb drei Monate später die Einladung eintrudelt, vor Gericht zu erscheinen. Paulas WG fühlt sich zwar im Recht, aber ein mulmiges Gefühl macht sich da natürlich trotzdem breit: „Vor dem ersten Gerichts-Termin waren wir sehr nervös und hatten Angst, die Vermieter mit der Klage so wütend zu machen, dass weitere Probleme auftauchen.“ Doch es läuft erstmal anders als gedacht, denn von Seiten der Vermieter lässt sich vor Gericht niemand blicken und es kommt zum Versäumnisurteil: Die WG erhält aufgrund ihrer Darstellung in der Klageschrift und des Nichterscheinens der Beklagten Recht.

Beim zweiten Gerichtstermin wird der WG Recht gegeben

Dieses Urteil veranlasst die Vermieter dazu, sich doch mal zu rühren: Sie legen Berufung ein, was zu einer zweiten Gerichtsvorladung führt. Dabei können die Argumente der Vermieter jedoch nicht überzeugen und der WG wird abermals Recht gegeben: Es handle sich eindeutig um eine Wohngemeinschaft, die nicht zum Zweck der gemeinsamen Lebensführung gegründet wurde, sondern lebensphasenabhängig sei und bei einer solchen Wohnform besteht der Anspruch auf Mieterwechsel. Paula und ihre WG können also endlich aufatmen. Einige Monate später erhalten sie das Urteil auch schriftlich und schicken es gemeinsam mit der Bitte, den Mieterwechsel durchführen zu können, an die Hausverwaltung – woraufhin diese endlich zustimmt.

Kämpfen lohnt sich

Insgesamt hat sich das gesamte Prozedere ein ganzes Jahr hingezogen – vom ersten Einigungsversuch über die Prozesse bis hin zum schriftlichen Urteil. Es braucht also einen langen Atem, Mut und Kraft, um sich zur Wehr zu setzen. Aber für die WG hat es sich gelohnt: „Im Rückblick hat uns der ganze Prozess zwar viel Zeit und Nerven gekostet, aber das Ganze hat uns stärker gemacht. Denn wir haben uns was getraut, uns Wissen angeeignet und uns nicht länger ohnmächtig gefühlt. Wir haben gelernt, dass man sich von Vermietern nicht einschüchtern lassen darf und es sich lohnt, zu kämpfen!“

*Name geändert

Zurück zur Startseite