Wird die illegale Vermietung auf Airbnb wirklich mit 100.000 Euro Bußgeld bestraft?
Der Umgang mit der modernen Welt scheint unserer Stadt schwer zu fallen. Gut zu beobachten ist dies in der aktuellen Diskussion rund um das sogenannte "Zweckentfremdungsgesetz". Dieses Gesetz möchte ab dem 1. Mai verbieten, die eigene Wohnung ohne Sondererlaubnis als kommerzielle Übernachtungsmöglichkeit anzubieten. Der Berliner Senat macht das unkontrollierte Vermieten von Wohnungen an Touristen für den fehlenden Wohnraum in Berlin mitverantwortlich. Genauer genommen macht er Portale wie Airbnb und seine Nutzer dafür verantwortlich.
Ich nutze die Plattform sehr oft. Ich habe Reisen durch Vermietung unserer Wohnung finanziert, während ich selbst auf Weingütern, Luftmatratzen und in Künstlerwohnungen geschlafen habe. Die eine oder andere Lebensweisheit habe ich durch Airbnb-Hosts mit auf den Weg bekommen und natürlich viele lokale Insidertipps, die kein Reiseführer verrät. Die Welt zu Gast bei Freunden, durch Airbnb habe ich es immer wieder erlebt.
Die Welt zu Gast bei Freunden vs. kommerzielle Interessen
Es scheint, dass dieses wunderbare Miteinander ein wenig in Richtung kommerzielle Nutzung gerückt ist. In unserer ruhigen Nachbarschaft gibt es ein halbes Wohnhaus, in dem mehrere Ferienwohnungen vermietet werden. Dort ist es gern mal laut. Eine Kollegin erzählt, dass ihre Freundin aus einer WG rausgeworfen wurde, da man ihr Zimmer gewinnbringender bei Airbnb vermieten konnte.
Das neue Zweckentfremdungsgesetz möchte dies und mehr unterbinden. Bereits seit dem 1. Mai 2014 gilt das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Für die Betreiber von Mietwohnungen zu gewerblichen Nutzung von Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Büros und Ferienwohnung gilt eine zweijährige Übergangsfrist. Ab dem 1. Mai sind nach aktuellem Stand alle Angebote illegal. Egal, ob man seine Wohnung vermietet, während man im Urlaub ist oder eine kommerzielle Ferienwohnung betreibt. Wer die neue Gesetzgebung nicht befolgt und seine Wohnung trotzdem unangemeldet anders nutzt und beispielsweise an Touristen vermietet, wird mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro rechnen müssen.
Die Anmeldung bedarf den Gang zum Bezirksamt. Die allerdings haben schon angekündigt, dass sie nur sehr wenige Fremdnutzungen genehmigen werden.
Wohnst du noch oder vermietest du schon? Foto: © Airbnb
Der Senat meint es ernst
30 neu geschaffene Stellen sollen die illegalen Ferienwohnungen aufspüren. Die Kreuzberger SPD will angeblich sogar frankierte Postkarten drucken lassen, mit deren Hilfe man innerhalb der Nachbarschaft illegale Vermietung anschwärzen kann. Dennoch besteht keine eindeutige Klarheit bei den Bezirksämtern, Gastgebern und auch nicht bei Airbnb. So sind zum Beispiel die 7000 möblierten Apartments, die im Eigentum der Stadt Berlin sind und als Ferienwohnung angeboten werden, vom neuen Verbot ausgenommen.
Wie verzwickt die ganze Sache ist, zeigen allein die vielen unterschiedlichen Zahlen, die von verschiedenen Seiten veröffentlicht werden. Der Berliner Senat schätzt, dass im vergangenen Jahr zehn Millionen Menschen allein in den Wohnungen von Airbnb übernachtet haben (insgesamt gab es 30,25 Milliarden Übernachtungen 2015). Weiterhin geht der Senat davon aus, dass ca. 10.000 Wohnungen durch Zweckentfremdung dauerhaft dem öffentlichen Wohnraum entzogen werden. Airbnb selbst gibt 250.000 Gäste für das letzte Jahr an, sagt aber nicht, wie viele Übernachtungen die ausmachen. Und dann wäre da noch die aktuelle Studie der GBI AG. Laut dieser gab es im letzten Jahr 6,1 Millionen Übernachtungen in ganzjährig angebotenen Privatwohnungen in Berlin. Die GBI AG wiederum hat seine eigenen Interessen, denn sie kümmert sich u.a. um die Entwicklung von Hostels und Hotels. Airbnb sagt, dass die Berechnungsgrundlagen falsch sind. Soweit so undurchsichtig.
Ist die Vermietung des Wohnraums während des eigenen Urlaubs strafbar?
"Die involvierten Parteien widersprechen sich.", sagt Airbnb-Pressesprecher Julian Trautwein im Berliner Büro. "Wir wünschen uns klare Regelungen zugunsten von Home Sharing. Also eine Regelung für Privatperson, die entweder ihr zu Hause vermieten, während sie im Urlaub sind oder ein leeres Zimmer mit Gästen teilen. Unserer Meinung nach findet dann nämlich keine Zweckentfremdung statt, da dieser Wohnraum dem Wohnungsmarkt sowieso nicht zur Verfügung steht."
Nach aktuellem Stand wäre dies aber der Fall. Schaut man sich andere Städte an, gäbe es da schon Kompromissmöglichkeiten: "In Amsterdam arbeiten wir zum Beispiel sehr eng mit der Stadt zusammen – dort existiert ein progressives Model fürs Home Sharing. Für Berlin müsste man noch ein eigenes passendes Modell finden, vielleicht sogar Stadtteilabhängig. Das können wir aber nicht vorgeben, das muss man gemeinsam mit der Stadt erarbeiten." Und genau daran scheitert es, denn die Stadt – genauer Stadtentwicklungssenator Geisel – möchte nicht mit Airbnb darüber sprechen.
Julian Trautwein im Airbnb-Büro. Foto: © Matze Hielscher
Airbnb darf nicht mitreden
Warum es bisher keinen Dialog gab, um genau diese Lösungsansätze und offenen Fragen zu diskutieren, ist unklar. "Es gibt Plenarsitzungen, da durften sich der Hotel & Gaststättenverband und der Mieterverband zu uns äußern, aber wir wurden dazu gar nicht eingeladen.", sagt Trautwein. Vielleicht möchte sich im beginnenden Wahlkampf niemand Fehler eingestehen, die bei der Gesetzgebung gemacht wurden. Denn das Thema Wohnungsnot wird, so Julian Trautwein, ein wichtiges Wahlkampf-Thema werden.
Für Airbnb ist die komplette Abschottung der Stadt Berlin im Vergleich zu anderen Großstädten sehr ungewöhnlich. In Städten wie London, Amsterdam, Paris, Lissabon oder sogar Hamburg gab es Gespräche und am Ende auch gute Regulierungen. Warum knirscht es hier? Trautwein: "Auch wir sind nicht perfekt und ich glaube wir waren nicht früh genug aktiv und sind zu spät auf die Stadt zugegangen. Natürlich versuchen wir aus Fehlern zu lernen, darum haben wir seit Ende letzen Jahres ein Team, das für die politische Kommunikation zuständig ist."
Wird es einen Kompromiss geben?
Einen ersten Lichtschimmer in diesem Durcheinander gab es letzte Woche. Im Interview mit der Berliner Zeitung ruderte Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup wieder etwas zurück: "Wenn man selber in der Wohnung wohnt, mehr als die Hälfte davon auch wirklich selber zum Wohnen nutzt, und dann ein Zimmer vermietet – dann ist das okay. Das ist ja auch der Gedanke des Sharings, des Teilens: Ich will jemandem gastfreundlich gegenübertreten, der soll mich und meinen Kiez kennenlernen."
Man kann nur hoffen, dass alle Parteien dieses Sharing Prinzip auch mal auf die allgegenwärtige Situation anwenden und sich einen gemeinsamen Tisch teilen.
Aber wenn es nicht kompliziert wäre, wäre es nicht Berlin.
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Titelbild: © Milena Zwerenz