Wird der Traum von mehr und besseren Radwegen in Berlin bald wahr?

© Benjamin Pfau

Da in der Redaktion mindestens eine Person jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, könnten wir uns auch praktisch jeden Tag über die Verkehrssituation in Berlin aufregen.

Das Problem

Zugeparkte Radwege, unübersichtliche Kreuzungen, nicht vorhandene Fahrradständer, Unfälle, you name it. Die velodramatische Journalismus-Empörungsschiene würde aber irgendwann ein bisschen langweilig und führt regelmäßig zu starrer Ignoranz seitens des Senats, wie man an der Nicht-Verbesserung der Verkehrssituation sieht.

Die Lösung

Dafür setzen sich andere für den Radverkehr in Berlin ein. Bereits letztes Jahr gab es eine tolle Idee, wie man den Bereich unter der U1 nutzen könnte. Der U1-Radweg stieß auf ziemlich viel Gegenliebe, leider haben wir seitdem nicht viel von dem Projekt gehört. Nun gibt es einen neuen Vorstoß, denn was der Senat seit zwei Jahren nicht schafft, will nun ein Fahrrad-Volksentscheid erzwingen – und fordert mehr von allem: Radwege, Sicherheit und Stellplätze.

radbahn3-700x394© U1 Radweg

Was sind die Ziele des Volksentscheids?

Die Macher haben 10 Ziele und Forderungen definiert, die ihr hier nachlesen könnt. Gefordert werden unter anderem neue Fahrradstraßen, welche baulich und gut sichtbar von KFZ-Hauptverkehrsstraßen sowie Fußgängerwegen getrennt sind, zwei Meter breite Fahrradwege an jeder Hauptstraße sowie Radschnellwege, die sich durch das gesamte Stadtgebiet ziehen. In den nächsten 9 Jahren sollen außerdem über 200.000 neue Abstellmöglichkeiten geschaffen werden.

Zudem sollen bürokratische und rechtliche Unzulänglichkeiten beseitigt werden: Einerseits durch ein – Achtung, Bürokratendeutsch – "Fachabteilung für den Radverkehr", die sich um alle Belange in dem Bereich kümmert; andererseits soll es polizeiliche Fahrradstaffeln geben, die Verstöße ahnden.

Wer steckt dahinter?

Hinter dem Volksentscheid steht ein Team von 100 Freiwilligen. Außerdem wird der Volksentscheid von verschiedenen Verbänden wie dem ADFC (Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club e.V.) mit 13.500 Mitgliedern, Greenpeace Deutschland, der BUNDjugend u. a. unterstützt. Der ADFC sei auch an der juristischen Ausarbeitung des Gesetzesentwurf beteiligt gewesen, berichtet der rbb.

Unterstützung findet die Initiative auch von den Grünen. Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, sagte dazu in einer Aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses: "Ich finde das Engagement der Initiatoren bewundernswert".

Gibt es Kritik?

Wie sollte es anders sein, lehnt der Senat den Volksentscheid ab (der ja direkte Demokratie eh nicht so wichtig findet und schon das Volksbegehren Tempelhofer Feld torpediert hat). Staatssekretär Christian Gäbler wirft den Initiatoren "Blindheit" vor und sagte, dass das Verkehrssystem unterschiedlichen Anforderungen und Zuständigkeiten unterliege und beispielsweise eine grüne Welle für Fahrradfahrer mit Blick auf den Autoverkehr nicht so einfach durchzusetzen sei.

Auch die SPD und CDU teilen die Freude über die Initiative nicht und verweisen zum Teil auf die Radverkehrsstrategie des Landes Berlin, in der sich bereits Vorschläge aus dem Volksentscheid fänden. Dass diese Strategie bisher recht erfolglos umgesetzt wurde, haben wir ja hier schon mal beschrieben.

bike© Susan Yin/Unsplash

Auch der ADAC Berlin-Brandenburg sieht das Volksbegehren und die Unverhältnismäßigkeit kritisch. Es gebe immer noch mehr Autos als Fahrräder auf der Straße, sagte ADAC-Verkehrsvorstand Volker Krane, der so, scheint es, eben genau nichts verstanden hat. Denn der Autoverkehr soll und sollte ja auf lange Sicht reduziert werden, wenn die Lebens- und Luftbedingungen einer Stadt erhöht werden sollen, wie es in der Radverkehrsstrategie steht.

Was sind die nächsten Schritte?

Die Initiative will ab Mai Unterschriften für ein Volksbegehren sammeln und rechnet mit Kosten von 150 Millionen Euro. Für einen Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens müssen mindestens 20.000 gültige Unterschriften gesammelt werden; für eine angestrebte Änderung der Verfassung mindestens 50.000.

Update 14.06.2016: Heute haben die Initiatoren die gesammelten Unterschriften beim Senat abgegeben und das Ziel um das Fünffache überschritten, berichtet der Tagesspiegel. Innerhalb von 3 1/2 Wochen wurden 105.425 Unterschriften gesammelt – ein ordentlicher Denkzettel für den Senat, der das Volksbegehren von Anfang an nicht befürwortete.

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