"Wir sind jeden Monat pleite." – Wie es sich als Newcomer in Berlin lebt.

Julian und Florian kennen sich seit über zehn Jahren, seit zwei machen sie als Snøffeltøffs zusammen Musik. Und obwohl man sie in der Berliner Garage-Szene schon fast als alte Hasen bezeichnen könnte, sind die beiden mit ihrer Band blutige Newcomer. Ich habe mit ihnen darüber gesprochen, wie es sich eigentlich als Newcomer in Berlin lebt und was das Newcomer-Dasein überhaupt ausmacht.

Ich treffe Florian und Julian in den Trixx Studios in Kreuzberg, wo Converse sein Rubber-Tracks-Zelt aufgeschlagen hat und jungen Künstlern die Möglichkeit gibt, ihre Songs professionell aufzunehmen. Mit Blick auf die Geldnot, die nicht nur Newcomer, sondern auch etablierte Bands oft haben, ist das eine gute Sache, denn Studiozeit kostet immer viel Geld und in den Trixx Studios können sich die Bands zudem an allen Instrumenten und Sound-Systemen ausprobieren.

Converse Rubber Tracks in den Trixx Studios

Habt ihr Angst davor, dass ihr in den nächsten zehn Jahren immer wieder die Frage nach dem Bandnamen beantworten müsst?
Beide: (lachen) Ja, auf jeden Fall.
Julian: Bis wir die Schnauze voll haben. Es hört leider nie auf, es wird auch nie aufhören.

Warum habt ihr euch denn einen so komplizierten Bandnamen ausgesucht?
Florian: Das kam aus einem Spaß heraus und der Bandname war dann irgendwie passend. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal in der Berliner Szene, es hat aber keine Intention, wir wollten uns nicht einen supercrazy Namen aussuchen, das kam spontan.

Florian von Snoffeltoff

Wie lange darf man sich eigentlich Newcomer nennen?
Florian: Maximal bis nach dem ersten Album.
Julian: Theoretisch ja. Es gibt auch Bands, die nach dem 5. erfolgreich werden. Das sind ja auch Newcomer.
Florian: Also das erste erfolgreiche Album dann.
Julian: Black Keys, zehn Jahre haben die gebraucht. Aber was ist erfolgreich? Miete bezahlen vielleicht, dann haste Erfolg.

Welche Fauxpas kann man sich als Newcomer leisten, die man sich später nicht mehr leisten kann?
Florian: Dieses Welpenstatus-Ding, das man ins Studio gehen kann und einfach keine Ahnung hat.
Julian: Dass man von Paparazzis mit Drogen fotografiert wird, was im Alter ein bisschen peinlich wirkt.
Florian: Das jeder einem vergibt, egal in welcher Situation man Kacke baut.

Wovon lebt ihr außer von Studium und Luft?
Florian: Auflegen und Vater Staat.

Und wie weit seid ihr davon entfernt, nur von eurer Musik leben zu können?
Beide gleichzeitig: Sehr weit.
Florian: Das Lustige ist, in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit oder der Wahrnehmung unserer Freunde ist das: „Ihr seid ja schon total bekannt und so riesig, ihr habt doch bestimmt schon das Studium geschmissen und euer eigenes Studio". Und so weiter. Aber nichts könnte ferner von der Realität sein, als dass wir uns irgendwas davon leisten könnten. Das ist ein reines Hobby und es ist ein teures Hobby. Wir sind jeden Monat pleite, weil wir einfach so viel Geld in dieses Hobby stecken. Es kommt eigentlich nicht viel bei raus, außer vielleicht ein bisschen Fame.
Julian: Wir sparen ja jetzt wieder, um uns die Tour im Herbst leisten zu können, aber sobald wir außerhalb von Berlin sind und viele Städte spielen, denken die Leute, da läuft der Rubel. Die wissen aber nicht, dass die Gagen am Anfang sehr klein sind und man sich eigentlich über höhere Beträge schon freut.

Und dann ist wahrscheinlich auch noch das Backstage-Essen scheiße, oder? Was war das schlimmste?
Florian: Diverses.
Julian: Pappige Brötchen, nur Süßigkeiten.
Florian: Oder gar nichts.
Julian: Zerkochte Nudeln mit Bolognesesoße geht mir auch so aufn Sack. Oder Chili con Carne finde ich noch am schlimmsten. Schmeckt, aber ist schlecht vor einem Konzert. Oder noch schlimmer: Burger im White Trash eine halbe Stunde vor dem Konzert.
Florian: Eigentlich ist alles scheiße, so gut es auch schmeckt, weil es so reichhaltig ist und dich so voll macht. Und wenn du eine halbe Stunde vor dem Auftritt isst, kannst du einfach nicht spielen. Dann hast du beim Auftritt keinen Spaß.

Trixx Studios Berlin
Trixx Studios Berlin

Wie groß ist die Bühne in euren Träumen, auf der ihr in zwei Jahren steht?
Florian: So wie der Tisch hier (Anm. d. Red.: 1 qm).
Julian: So wie im Kingsize damals, 2x2 Meter.
Florian: Ich habe am meisten Spaß auf kleinen Bühnen, deswegen kann man das gar nicht so traumabhängig machen. Klar wäre ein großes Festival auch mal geil, wo wir zehn Meter auseinander stehen, aber das wäre dann nicht mehr unser Sound.
Julian: Angenehme Größe, 500 Leute.

Snoffeltoff White Trash Fast Food
Snøffeltøffs live im White Trash Fast Food bei der "Order of Never Hide"-Party.

Was sagt eure Oma zu eurer Musik?
Julian: Der Satz meiner Oma zu meiner letzten Band war, als ich mit der ersten Vinyl ankam: „Da ist ein Rechtschreibfehler drauf.“ Das war ihre erste Reaktion, mehr muss man dazu, glaube ich, nicht sagen.

Und zu letzt: Was ist eure Lieblings-Newcomerband aktuell?
Julian: Mac Demarco. Dem würde ich gern die Hände absägen, weil der einfach so jung und so verdammt gut und erfolgreich ist. Der ist 23 und hat drei Alben rausgebracht. Das ist für mich ein Newcomer, aber nur in Deutschland.
Florian: Allah-Las sind eine meine absoluten Lieblingsbands seit einem Jahr, aber das sind ja auch schon wieder alte Hasen eigentlich.

 

Die Snøffeltøffs selbst sind übrigens auch von Florians absoluter Lieblingsband beeinflusst – Garage-Surf-Rock, der klingt, als hätten die beiden Jungs ihre erste EP in Shorts und mit Meerblick  aufgenommen. Im Converse-Studio musste ich nur die Augen schließen und den Aufnahmen lauschen, um mich unter Palmen wiederzufinden. Auch die Jungs waren sichtlich zufrieden. Ich bin gespannt auf den fertigen Song und vergnüge mich bis dahin mit ihrer aktuellen Single "Park Boys".

 

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Titelfoto: © Promo
Fotos: © Charlott Tornow
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