Lesevergnügen #16: 11 Neuerscheinungen für den Winter

© Marit Blossey

Der Januar liegt hinter uns, und wir wissen nicht, wie es euch geht, aber wir werfen mal die steile These in den Raum, dass das hier gerade der längste Winter aller Zeiten ist. Denn bis die Nächte mit Minusgraden und der wolkenverhangene Himmel sich verabschieden und der Frühlingsanfang Ende März das alles hoffentlich mit ganz viel Sonnenschein wieder gut macht, dauert es noch ein paar Wochen. Was hilft? Sich hinter einem guten Buch verstecken. Dieser Winter mag lang und anstrengend sein, aber er bringt so einige tolle Neuerscheinungen mit sich. Mit denen vergehen die nächsten Wochen sicher wie im Flug. Ganz bestimmt!

1. Esther Becker: "Wie die Gorillas"

"Wie die Gorillas" handelt vom Erwachsenwerden – es ist jedoch keine klassische Coming-of-Age-Geschichte. In Esther Beckers Debütroman, der am 12. Januar im Verbrecher Verlag erschienen ist, gibt es kein großes Abenteuer, keinen dramatischen Spannungsbogen, keine verrückte Liebesgeschichte. Stattdessen schildert die Autorin die Erfahrungen ihrer Protagonistin mit ihrem eigenen Körper. Erfahrungen, die so viele junge Frauen machen, dass sie fast banal wirken: Auf einmal einen BH tragen müssen. Den Rasierer im Schwimmbad in die Dusche schmuggeln, weil man auf einmal in einem Alter ist, in dem es das Schlimmste wäre, nicht glatt rasiert zu sein. Laufen gehen und nichts essen, weil die besten Freundinnen viel dünner sind und man von der Pille, die man seit Kurzem nimmt, noch mehr zugenommen hat. Sich übergeben wollen, aber da kommt nichts. Mit dem Apotheker diskutieren, weil man die Pille danach braucht. Beckers Geschichten erzählen von einem Gefühl der Machtlosigkeit in einer Welt, in der wir doch scheinbar alle Möglichkeiten haben, für uns selbst zu entscheiden.

"Wie die Gorillas" von Esther Becker | 160 Seiten | erschienen im Verbrecher Verlag | Mehr Info

© Verbrecher Verlage | Aufbau Verlag

2. Tove Ditlevsen: "Kopenhagener Trilogie"

Die autofiktionale Trilogie von Tove Ditlevsen erscheint endlich auf Deutsch – mehr als 40 Jahre nach dem Suizid der dänischen Schriftstellerin, die in ihrer Heimat heute als eine der größten Schriftstellerinnen des Landes gefeiert wird. Ihre Kopenhagener Trilogie teilt sich in "Kindheit", "Jugend" und "Abhängigkeit" und erzählt vom Aufwachsen in Kopenhagen in den 1920er Jahren, in einfachen Verhältnissen, aus denen Ditlevsen selbst stammte. Die Bände sind sowohl eine Liebeserklärung an Kopenhagen als auch ein Porträt der Autorin, die ihr eigenes Leben zur Romanvorlage werden ließ – bis hin zu ihrem eigenen Suizid. Der erste Teil der Trilogie ist im Januar auf Deutsch erschienen, Teil 2 und 3 folgen Mitte Februar im Aufbau Verlag.

"Kindheit" von Tore Ditlevsen | 118 Seiten | erschienen im Aufbau Verlag | Mehr Info

3. Eva Reisinger: "Was geht, Österreich?"

In ihrer Kolumne "Was geht mit Österreich?" berichtete Eva Reisinger für ze.tt regelmäßig davon, was in unserem Nachbarland eigentlich los ist. Am 14. Januar ist nun ihr erstes Buch erschienen. Darin erklärt sie Österreich noch einmal von A bis Z, von B wie "Ball" (Opernball, sehr wichtig) bis Y wie "Yippie, Ibiza!". Fragen danach, wie eigentlich ein 31-Jähriger Kanzler werden kann, wieso den Österreicher*innen Autos und Keller so wichtig sind, und warum die Menschen ausgerechnet in der lebenswertesten Stadt der Welt so unfreundlich sind, werden geklärt. Dazwischen finden sich Rezepte für Schnitzel und Kaiserschmarrn und Erläuterungen der wichtigsten österreichischen Ausdrücke und Redewendungen. Und dank vieler persönlicher Geschichten aus Evas Jugend auf dem Land versteht man am Ende auch ein bisschen besser, wie es möglich ist, dass in Österreich eine rechtspopulistische Partei in der Regierung beteiligt ist – denn da kann es schon mal vorkommen, dass Freunde von Freunden nach dem fünften Bier bei YouTube Nazimusik anmachen und den rechten Arm heben. Uff, darauf erst mal einen Wodka-Bull.

"Was geht, Österreich?" von Eva Reisinger | 288 Seiten | erschienen bei Kiepenheuer & Witsch | Mehr Info

© Kiepenheuer & Witsch | Aufbau Verlag

4. Hengameh Yaghoobifarah: "Ministerium der Träume"

Das Romandebüt von Hengameh Yaghoobifarah, "Ministerium der Träume" erwartet uns im Februar: Im Mittelpunkt der Handlung steht Nas, an deren Tür plötzlich Polizeibeamte klingeln, um ihr mitzuteilen, dass ihre Schwester Nushin tot ist. Nas ist überzeugt: Ihre Schwester hat sich umgebracht. Sie beginnt zu erzählen, was sie gemeinsam mit ihr erlebt hat: Migration nach Deutschland, Verlust des Vaters, eine emotional abwesende Mutter, die ungeplante Schwangerschaft von Nushin. Da war offenbar viel, was die beiden verbunden hat. Doch Nas entdeckt, dass ihre Schwester auch Geheimnisse vor ihr hatte. Es gab also auch Trennendes, das bisher im Verborgenen lag. Nas begibt sich auf die Suche nach der Geschichte ihrer Schwester und nimmt ihre Nichte bei sich auf, obwohl ein Kind bisher eigentlich nicht in ihrem Leben vorgesehen war. Den Roman könnt ihr jetzt vorbestellen.

"Ministerium der Träume" von Hengameh Yaghoobifarah | 384 Seiten | erscheint am 15. Februar 2021 im Aufbau Verlag | Mehr Info

5. Haruki Murakami: "Erste Person Singular"

Murakami lesen fühlt sich an, als würde vor dem eigenen inneren Auge plötzlich ein Film ablaufen, bei dem wir uns fragen, wer zur Hölle eigentlich so intensive, melancholisch aufgeladene Bilder auf die Leinwand gezaubert hat. Das neue Buch des japanischen Bestsellerautors wird da wohl keine Ausnahme sein. "Erste Person Singular" besteht aus acht Geschichten von verschiedenen Ich-Erzählern, die alle auf ihre Weise von Menschen, Dingen und Momenten, die sie prägten, berichten: nostalgische Jugenderinnerungen, vergangene Liebschaften, philosophische Betrachtungen, Literatur und Musik.

"Erste Person Singular" von Haruki Murakami | 224 Seiten | erschienen im DuMont Verlag | Mehr Info

© DuMont Verlag | s. Fischer Verlage

6. Sharon Dodua Otoo: "Adas Raum"

"Adas Raum", der langersehnte erste Roman der britischen Schriftstellerin und Aktivistin Sharon Dodua Otoo, erscheint am 24. Februar bei Fischer Verlage. Seit 2006 lebt Otoo in Berlin, ist bei der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland aktiv und schrieb unter anderem für das Missy Magazine, den Tagesspiegel oder das feministische Magazin an.schläge über Identität und Empowerment. Diese Themen spielen auch in ihrem neuen Roman eine Rolle: Die Protagonistin Ada bewegt sich darin zwischen den Räumen, und das nicht nur zwischen verschiedenen Orten von Ghana über Großbritannien bis Berlin, sondern auch zwischen den Jahrhunderten. Denn Ada ist nicht nur eine Frau, sondern alle, und Otoos Roman erzählt mit einer bildreichen Sprache, Empathie und Humor davon, was Frausein eigentlich bedeutet.

"Adas Raum" von Sharon Dodua Otoo | 288 Seiten | erscheint am 24.02.2021 bei s. Fischer Verlage | Mehr Info

7. Clint Lukas: "Asche ist furchtlos"

Clubs, wisst ihr noch? Die Läden mit dem vibrierenden Bass, den schwitzenden Körpern, den kleinen Grüppchen in den Kabinen auf der Toilette? Das ist ein Buch für alle, die das Nachtleben so schmerzlich vermissen wie wir: In seinem Debütroman "Asche ist furchtlos", der im Dezember beim Berliner Indie-Verlag Periplaneta erschienen ist, nimmt uns Clint Lukas mit in den Club. Dabei ist der Protagonist Jonas eigentlich gar keiner von denen, kein abgeklärter Hedonist, der jedes Wochenende unterwegs ist, auf der Gästeliste vom Berghain steht und immer weiß, wo noch Afterhour geht. Jonas ist viel zu schüchtern dafür, und er hat auch keine Ahnung: Er kauft die falschen Drogen, pustet das Pulver vom Spiegel, und ohne die Hilfe seiner neuen Freunde käme er sowieso nie an einem Türsteher vorbei. Deshalb ist "Asche ist furchtlos" keine klassische Berliner Feiergeschichte – und trotzdem eine, die uns daran erinnert, wie schön das war, als das Wochenende noch eine Bedeutung hatte.

"Asche ist furchtlos" von Clint Lukas | 256 Seiten | erschienen bei Periplaneta | Mehr Info

© Periplaneta | Kiepenheuer & Witsch

8. Robert Habeck: "Von hier an anders"

Krise hier, Krise da. Die Corona-Krise hat in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund gedrängt, womit wir uns auch im Jahr 2021 dringend auseinandersetzen müssen: die Klimakrise. In seinem neuen Buch "Von hier an anders" skizziert Grünen-Politiker Robert Habeck eine Politik, die den Problemen unserer Zeit angemessen ist, in der nichts mehr selbstverständlich zu sein scheint. Dabei berichtet er von seinen persönlichen Erfahrungen der letzten Jahre und sucht nach Antworten auf die Fragen, wie wir den Zerfall der Demokratie in der westlichen Welt, dem Vertrauensverlust in die Politik, und ja, auch der Klimakrise, entgegentreten können. Wer gern Bücher zum politischen Weltgeschehen liest und gerade in diesen Zeiten nach Hoffnung und Tatendrang sucht, sollte dieses Buch lesen.

"Von hier an anders" von Robert Habeck | 384 Seiten | erschienen bei Kiepenheuer & Witsch | Mehr Info

9. Mithu M. Sanyal: "Identitti"

"Als würden Sally Rooney, Beyoncé und Frantz Fanon zusammen Sex Education gucken", so kündigt der Verlag Hanser den Roman von Mithu M. Sanyal an, der am 15. Februar erscheint. Und darauf darf man wirklich gespannt sein, denn in "Identitti" geht es um eine der ganz großen Frage unserer Zeit: Wer darf welche Geschichte erzählen? Sanyal holt uns genau da ab, wo wir gerade stehen: In den 2020er Jahren, wo alles ein bisschen komplizierter ist als noch vor ein paar Jahren. An der Düsseldorfer Universität gibt es einen Skandal, denn die Professorin für Postcolonial Studies, eben noch gefeiert als "die Übergöttin aller Debatten über Identität", beschrieb sich als Person of Colour – dabei ist sie eigentlich weiß. Identität, Zugehörigkeit, Authentizität, was bedeutet das alles eigentlich? Darüber schreibt Mithu Sanyal und tut dies voller Witz und Selbstironie.

"Identitti" von Mithu M. Sanyal | 432 Seiten | erscheint am 15. Februar 2021 bei Hanser Literaturverlage | Mehr Info

© Hanser Literaturverlage | Kein & Aber

10. Laila Lalami: "Die Anderen"

Nora sitzt in einem Bistro in Oakland und trinkt Champagner, als ihr Vater stirbt. Er wurde angefahren, mitten in der Nacht, vor seinem Diner in der kalifornischen Wüste. Nora kann nicht glauben, dass das ein Unfall gewesen sein soll, und beginnt gemeinsam mit ihrem alten Schulfreund Jeremy, Nachforschungen anzustellen. Doch wie das immer so ist, weiß man als Tochter eben nicht alles über seine Eltern und so stößt Nora bei ihren Recherchen auf Dinge, die ihren Vater plötzlich in einem ganz neuen Licht zeigen. Was hatte er zu verbergen? Und was hat das mit seinem Tod zu tun? Laila Lalami ist Autorin von vier Romanen und zahlreichen Essays und unterrichtet kreatives Schreiben an der University of California. Für "Die Anderen", im Original "The Other Americans", wurde sie unter anderem für den amerikanischen National Book Award nominiert. In Deutschland erscheint der Roman am 16. März bei Kein & Aber.

"Die Anderen" von Laila Lalami | erscheint am 16. März 2021 bei Kein & Aber | Mehr Info

11. Carolin Wiedemann: "Zart und frei"

Dass ein kleines Sternchen so viel Triggerpotenzial in sich trägt: Mit kaum einem Thema lässt sich derzeit so viel Hass mobilisieren wie mit Genderpolitik. Dass es bei dieser Debatte um mehr geht als bloß "sprachliche Befindlichkeiten" einer links-grünen Minderheit, zeigt Carolin Wiedemanns Analyse "Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats". Darin beschreibt sie den antifeministischen Diskurs als zentrales Element des politischen Rechtsrucks und macht deutlich, wie wir uns den patriarchalen Gewaltstrukturen als Kollektiv entgegenstellen können – und müssen. "Eine Anstiftung zum rebellischen und zärtlichen Miteinander" – das klingt vielleicht genau nach dem, was wir gerade brauchen.

"Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats" von Carolin Wiedemann | 218 Seiten | erschienen bei Matthes & Seitz Berlin | Mehr Info
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