Kleine, geile Firmen #15 – TINTYPE BERLIN FOTOGRAFIE
Jedes Foto, das Marcin macht, ist ein Unikat, denn er fotografiert mit einer 150 Jahre alten Technik auf Fotoplatten. Das Verfahren hat er vor ein paar Jahren in einem Workshop gelernt, sein transportables Entwicklungslabor hat er selbst gebaut. Wir finden seine Arbeiten und seine Leidenschaft fürs Fotografieren toll und stellen euch deshalb seine kleine, geile Firma TINTYPE BERLIN vor.
Was macht TINTYPE BERLIN ganz genau?
TINTYPE BERLIN nutzt eines der ersten fotografischen Verfahren aus dem Viktorianischen Zeitalter, also von vor ungefähr 150 Jahren. Ich mache Porträts auf Glas- und Metallplatten und biete den Leuten damit eine materiell greifbare Alternative zu den unglaublich omnipräsenten Digitalfotos.
Was machst du ganz genau nicht?
Mainstream-Fotografie.
Was hast du vor TINTYPE BERLIN gemacht?
Ich habe die letzten 20 Jahre als Digital Artist gearbeitet, Animationen und Visual Effects gebastelt.
Wie viele Leute arbeiten bei TINTYPE BERLIN?
Nur ich, aber manchmal habe ich auch Assistenten.
Wie entstehen die Bilder?
Der historische Entwicklungsprozess beinhaltet mehrere Schritte und verschiedene Chemikalien. Zuerst muss ich die Metall- oder Glasplatte ordentlich säubern, dann ummantele ich sie mit einer dünnen Schicht Kollodium, tauche sie in eine Silbernitrat-Lösung und stecke sie in die Kamera. Um ein Foto zu schießen, muss ich die Platte 20 Sekunden belichten. Anschließend wird das Foto in meiner kleinen Dunkelkammer entwickelt, fixiert, gewaschen, getrocknet und zuletzt mit einer Mischung aus Sandarak Harz und Lavendelöl lackiert.
Wie lange dauert es also, bis du ein fertiges Foto in der Hand hälst?
Die Platte zu präparieren und sie zu entwickeln dauert insgesamt ungefähr 10 Minuten, die Festigstellung nimmt nochmal etwa 40 Minuten in Anspruch. Aber bevor ich überhaupt bereit bin zu shooten, brauche ich noch etwa eine Stunde Aufbau- und Vorbereitungszeit.
Wie viel kostet es, von dir fotografiert zu werden?
Bisher habe ich noch keine fixen Kosten für eine Session. Meine Kunden zahlen nur für die Platten, die sie am Ende mitnehmen wollen. Der Preis liegt bei ungefähr 100 Euro pro Platte (was ziemlich günstig ist, wenn man bedenkt, dass ein Foto früher so viel wie ein gutes Monatsgehalt gekostet hat).
Was ist dein wichtigstes Arbeitsutensil?
Kollodium, um die Glasplatten zu präparieren.
Woher bekommst du deine Ausrüstung?
Manche Sachen kann ich bei Ebay kaufen, aber da das Verfahren gerade ziemlich beliebt wird, gibt es auch Firmen, die alle Möglichen Accessoires anbieten. Allerdings sind die immer ziemlich teuer, sodass viele Fotografen – mich eingeschlossen – anfangen, manche Dinge selbst zu bauen. Ich habe zum Beispiel mein transportables "Labor" selbstgebaut und werkel gerade an einer neuen Kamera.
Wie sehen deine Arbeitszeiten aus?
Ich arbeite nicht von einem festen Studio aus, sondern behalte eher die nomadischen Tradition bei, die zu dieser Art des Fotografierens gehört. Dementsprechend gibt es keine festen Arbeitszeiten.
Welche Musik hörst du beim Arbeiten?
Mit dem Nassplatten-Verfahren zu arbeiten ist eine ziemlich meditative Aufgabe, von daher bevorzuge ich Musik, die mich nicht ablenkt. Ich mag ruhigen Blues oder Jazz.
Wer war die letzte Person, die du fotografiert hast?
Meinen Vater, der kurze Zeit, nachdem ich ein Porträt von ihm geschossen hatte, gestorben ist. Es ist das wertvollste Foto in meiner Sammlung.
Beim Aufbauen deiner Firma: Was lief nicht so, wie du es erwartet hast?
Ich bin immer noch dabei, mich von meinem Job als Grafikdesigner komplett zu lösen. Ehrlich gesagt, dachte ich, der Übergang wäre einfacher und würde viel schneller ablaufen.
Welche wichtige Lektion hast du letzten Monat gelernt?
Haha, gute Frage. Ich habe festgestellt, dass ich meinen Stand auf dem Weihnachtsmarkt sehr früh buchen muss.
Die Fragen hat uns Marcin beantwortet. Vielen Dank! Wenn ihr von ihm fotografiert werden möchtet, hält euch seine Facebook-Seite auf dem Laufenden. Oder ihr schreibt ihm einfach eine Mail.
Vor zwei Wochen haben wir Freunde von Freunden besucht. Den “kleinen, geilen Firmen”-Floh hat uns übrigens dieser Song von Funny Van Dannen ins Ohr gesetzt. Alle kleinen, geilen Firmen findet ihr hier.