Welttag des Theaters: 11 Stücke für ultimatives Home-Theater-Vergnügen
Ich sag's ganz ehrlich: Bei der Recherche für diesen Artikel habe ich schon den ein oder anderen Stich im Herzen gespürt. Der Liebeskummer, den ich verspüre, weil ich unter extremem Theater-Entzug leide, wurde allerdings auch schnell wiederum durch Vorfreude gelindert. Denn der Welttag des Theaters will am 27. März 2021 gefeiert werden und Häuser aus dem ganzen Land – und darüber hinaus – beehren unsere Bildschirme mit Livestreams, Aufzeichnungen und Stücken zum Mitmachen.
Besonders cool: Durch das online Angebot, kommen wir aus unserer Städte-Bubble raus und streamen auch mal ein Stück aus der Schweiz. Besorgt euch also kiloweise Popcorn, einen guten Rotwein oder Samtvorhänge für das richtige Feeling, werft euch in Schale und ab auf die Coach! 11 Stücke, die ihr für das Theater-Wochenende auf dem Schirm haben solltet, haben wir euch hier zusammentragen.
P.S.: Viele Theater stellen die Streams kostenlos oder für einen sehr geringen Preis online. Seid doch so nett und bedankt euch in Form einer Spende oder den etwas teureren Support-Tickets (die meist auch nicht mehr als 20 Euro kosten, also auf geht's!) für dieses tolle Angebot.
1. Futureland | Gorki Berlin
Was bringt einen Teenager dazu, alleine eine gefahrenvolle Reise in ein unbekanntes Land anzutreten? Welche Situation führt Eltern dazu, ihr Kind in ein anderes, fernes Land zu schicken, um es in Sicherheit zu bringen? Und was sagt dies über die Welt und die Gesellschaft, in der wir leben, dass Millionen von Minderjährigen ihr Leben auf der Suche nach einer Zukunft riskieren.
"Futureland" ist ein Science-Fiction-Dokumentartheaterstück mit Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, die alleine aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Guinea und Bangladesch nach Deutschland gekommen sind. Sie haben die Welt zu Fuß, mit dem Boot oder versteckt in einem Lastwagen durchquert und leben jetzt in Berlin, umgeben von Sozialarbeiter*innen, Jugendamt, Vormündern und anderen jungen Menschen verschiedener Kulturen.
Gorki Berlin | Futureland | Freitag, 26. März 2021: 19.30 Uhr | 24 Stunden online | Tickets: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro | Mehr Info
2. Und morgen streiken die Wale | Theater der Jungen Welt Leipzig
Die 16-Jährige Mel hat mit Umweltschutz eigentlich noch nicht so viel am Hut. Doch eines Tages ändert sich alles: Zehn Wale verirren sich im seichten Wasser der Bucht ihrer Heimatstadt. Wir alle, ist Mel überzeugt, haben uns viel zu lange damit abgefunden, nichts tun zu können im Kampf gegen die andauernde Umweltkatastrophe. Das muss sich ändern! In dieser Nacht, allein auf sich gestellt, sieht Mel ihre Möglichkeit, selbst aktiv zu werden.
Das zeitgenössische Stück "Und morgen streiken die Wale" des österreichischen Dramatikers Thomas Arzt beschäftigt sich mit Umweltbewusstsein, Mut und die Wichtigkeit von persönlichem Engagement. Es wird als interaktives Stück mit Gaming-Elementen auf Zoom erlebbar sein, wo ihr Mel an den Strand der Ereignisse begleitet und direkten Einfluss auf die Handlung nehmt. Was würdet ihr tun? Welche Entscheidungen treffen?
Theater der Jungen Welt | Und morgen streiken die Wale | Samstag, 27. März 2021: 18 Uhr | Tickets für 8 Euro | Mehr Info
3. Früchte des Zorns | Schauspiel Köln
Die Dekonstruktion des amerikanischen Traums steht im Mittelpunkt des Romans "Früchte des Zorns". John Steinbeck erzählt darin die Geschichte der Farmerfamilie Joad aus Oklahoma, die nach Jahren der Dürre ihr altes Leben aufgibt und sich auf die Reise entlang der Route 66 macht. Ihr Ziel: Kalifornien. Doch der Californian Dream rückt in immer weitere Ferne, als die Migrierenden im Westen bloß auf Schwindelei, Ausbeutung und Ausgrenzung stoßen. Ein Stoff der Stunde, der die Zusammenhänge zwischen Wirtschaftskrise, Migrationsbewegung und Klimawandel aufdeckt.
Gestreamt wird aus dem Schauspiel Köln mit drei Kameras, die das Geschehen auf und unter der Bühne sowie vor dem Theater aus verschiedenen Perspektiven festhalten.
Schauspiel Köln | Früchte des Zorns | Samstag, 27. März 2021: 19.30 Uhr | Tickets auf Spendenbasis ab 1 Euro | Mehr Info
4. Die Jury tagt | Hans Otto Theater Potsdam
In "Die Jury tagt" treffen vier Menschen aufeinander, um aus mehreren Denkmalentwürfen einen auszuwählen. Denn im Stadtzentrum soll ein Denkmal zu Ehren der Friedlichen Revolution errichtet werden. Aber der Austausch der Jurymitglieder über die Revolution ist nicht so friedlich wie der Umbruch selbst. Die anfangs simpel erscheinende Angelegenheit fördert neue und alte Feindseligkeiten zu Tage. Jeder und jede versucht, seine oder ihre Interessen durchzubringen, alle haben persönliche Ansprüche, eigene Bilder der Vergangenheit und vor allem eigene Versionen der Gegenwart.
Hans Otto Theater | Die Jury tagt | Samstag, 27. März 2021: 19.30 Uhr | 24h online | Tickets ab 5,50 Euro | Mehr Info
5. Maria Stuart | Deutsches Theater Berlin
Schillers "Maria Stuart" ist ein Klassiker, den wir noch vage aus dem Deutschunterricht im Kopf haben. Für alle, die nicht aufgepasst oder einfach kein überdurchschnittlich gutes Gedächtnis haben, hier eine kleine Auffrischung: Maria Stuart, katholische Königin von Schottland, ist vor ihrem Volk geflohen, das ihr Auftragsmord an ihrem Gatten vorwirft. In England erhofft sie von ihrer Cousine, der protestantischen Königin Elisabeth, politisches Asyl, erhebt gleichzeitig aber Anspruch auf ihre Krone, als deren rechtmäßige Erbin sie sich sieht. Ein Ränkespiel im Geflecht von Politik, Religion, Liebe und Macht.
Deutsches Theater Berlin | Maria Stuart | Samstag, 27. März 2021: 20 Uhr | Nachtgespräch im Anschluss | Stream-Ticket: 10 Euro, ermäßigt ab 3 Euro | Mehr Info
6. In seiner frühen Kindheit ein Garten | Staatsschauspiel Dresden
Oliver war gegen alles, schon immer. Sein Vater Richard hingegen, ein Beamter auf Lebenszeit, hat sich zur Loyalität gegenüber Grundgesetz und Amt zu verpflichten. Oliver wurde im Mai 1985 nach einer Denunziation verhaftet. Unschuldig, wie sich herausstellte. Seither galt er als gefährlicher Terrorist – und ist als solcher gestorben. Während die Familie um ihn trauert, stellen sie fest, dass sie doch kaum etwas über das Leben von Oliver gewusst haben. Nichts über sein Leben und nichts über seinen Tod an einem Bahnhof im mecklenburgischen Bad Kleinen. War der Todesschuss Zufall oder eine Hinrichtung durch den Staat?
"In seiner frühen Kindheit ein Garten" ist ein Roman von Christoph Hein, der auf dem Fall des 1993 bei einem Polizeieinsatz gestorbenen RAF-Terroristen Wolfgang Grams basiert. Im Fokus steht vor allem eins: Die Frage nach Schuld.
Staatsschauspiel Dresden | In seiner frühen Kindheit ein Garten | Samstag, 27. März 2021: bis 24 Uhr | kostenlos | Mehr Info
7. Die Ermüdeten oder Das Etwas, das wir sind | Schauspiel Leipzig
Sie sind Nichtraucher*innen, sie trinken Bio-Bier und sie bauen ihr Gemüse selbst an. Sie sind Paare, Singles oder Eltern. Sie sind in der Mitte ihres Lebens angekommen. Jetzt treffen sie sich endlich mal wieder, auf einer Party, mit ausnahmsweise auch mal alkoholischen Getränken, auf einer Dachterrasse hoch über der Stadt. Die Kinder sind im Bett, das Kindermädchen instruiert und doch will der geplante ausgelassene Abend irgendwie nicht so recht gelingen.
Bernhard Studlar scheut in "Die Ermüdeten oder Das Etwas, das wir sind" den Abgrund nicht, der sich zwischen diesen Freund*innen und Bekannten auftut. Ohne doppelten Boden schauen wir ihnen dabei zu, wie sie auch noch die letzten Grenzen des guten Anstands fallen lassen. Prost!
Schauspiel Leipzig | Die Ermüdeten oder Das Etwas, das wir sind | Samstag, 27. März 2021: 20 Uhr | Tickets: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro | Mehr Info
8. Was bisher geschah | Schlachthaus Theater Bern
Eine besondere Perle dieser Theaterliste ist das Stück "Was bisher geschah", denn das beehrt unsere Bildschirme aus dem schönen Bern in der Schweiz. Keine Sorge, es ist dennoch universal verständlich. Das transkulturelle Ensemble widmet sich hier allen möglichen Fragen rund um das Thema Geschichte: Was ist und wer schreibt sie? Wer entscheidet, was in die Geschichte eingehen soll?
Die acht Schauspieler*innen machen sich mit einem trashig-absurden Film samt Making-of daran, uns und sich selbst einen Überblick zu verschaffen. Live gestreamt aus mehreren Filmsets auf der Bühne. Am Sonntag erwartet euch außerdem eine Diskussionsrunde im Anschluss, die sich mit rassismuskritischem Theater beschäftigt. Super spannend!
Schlachthaus Theater Bern | Was bisher geschah | Samstag, 27. März: 20 Uhr, Sonntag, 28. März 2021: 19 Uhr | Mehr Info
9. Quartett | Ernst Deutsch Theater Hamburg
"Quartett" wirft in einem schonungslosen Geschlechterkampf gesellschaftliche, moralische und erotische Konventionen über Bord. Die Marquise de Merteuil und ihr ehemaliger Geliebter Valmont liefern sich in einem beispiellosen Intrigenreigen ein radikales Gefecht. Beide schlüpfen virtuos in unterschiedliche Rollen, die Geschlechter-Identitäten lösen sich immer weiter auf und es entstehen faszinierende Perspektivenwechsel.
Die Inszenierung von Harald Weiler am Ernst Deutsch Theater in Hamburg ist ein Experiment, das in sechs gestreamten Episoden dem existentiellen Spiel der Geschlechter folgt.
Ernst Deutsch Theater Hamburg | Quartett | Sonntag, 28. März 2021: 19 Uhr | kostenlos | Mehr Info
10. Leonce und Lena | Residenztheater München
Die Geschichte von "Leonce und Lena" ist scheinbar schnell erzählt: Ein Prinz und eine Prinzessin aus benachbarten Königreichen flüchten vor einer arrangierten Ehe, verlieben sich inkognito ineinander und versuchen, mit einer List ihren Lebensweg selbst zu bestimmen – nur um am Schluss festzustellen, dass sie ihrem vorbestimmten Schicksal in die Arme gelaufen sind. Was als klassische Verwechslungs-Komödie beginnt, endet als seltsames Traumspiel über Sinn und Unsinn des Daseins. Wer, weshalb, wohin? Vielleicht finden wir mit dem Stück im Jahr 2021 ja endlich eine Antwort auf diese Fragen.
Residenztheater München | Leonce und Lena | Sonntag, 28. März 2021 um 19.30 Uhr | Pay As You Wish | Mehr Info
11. Cocooning | Lichthof Theater Hamburg
Was, wenn ein Virus nicht nur der schwere Befall eines Organismus wäre? Wenn er die Gesellschaft nicht in den Kollaps, sondern aus ihm herausführte? "Cocooning" ist ein Tanz- und Konzertfilm, der die Pandemie umdeutet. Die Bewohner*innen im Haus der Antikörper mutieren dank Virus zu resistenten Antikörpern. Sie lassen sich erleichtert ein, wenn es krankmachende Normen und Gewohnheiten zersetzt. Dieses Virus bringt dem Organismus weder Krankheit noch Tod, sondern – ganz im Gegenteil – Heilung.
Lichthof Theater | Cocooning | Video on demand bis Sonntag, 28. März 2021 | kostenlos | Mehr Info