Das Leben der Anderen #6 – Frau L. und Mr. Mole

© Matze Hielscher

Frau Lewandowski redet mit ihrer Handpuppe Mr. Mole. Er hat heute Würmer zum Frühstück gehabt, erzählt sie mit verstellter Stimme. Uns offeriert sie Tee und Kekse. Die Tische sind klein, die Stühle sind kleiner. Wir sind in einer Grundschule.

Frau Lewandowski heißt für uns Eva. Eva ist ziemlich jung und frischgebackene Klassenlehrerin an einer Grundschule in Friedrichshain. Sie liebt ihren Beruf, das ist kaum zu überhören. Sie erzählt gerne detailliert davon, über die Licht- und die Schattenseiten. Sie malt mit den Kindern nach Monet und freut sich, wenn sie die Kids nach anfänglichen Zweifeln überzeugen kann. Wenn der Englischunterricht ansteht, kommt die Handpuppe zum Einsatz. Eigentlich mag es Eva privat nicht, sich so «zum Affen» zu machen. Aber zu ihrem Beruf gehört das eben dazu. Da muss sie auch mal ihre Stimme verstellen und sich mit Mr. Mole unterhalten.

Ihre Schule ist keine von den berühmt-berüchtigten »Brennpunktschulen«. Nein, hier sieht alles ganz gemütlich aus, es werden neue Schulformen und Unterrichtsmethoden ausprobiert. Zwischen den kleinen Nachwuchs-Monets und den Girlanden wirkt alles irre friedlich. Aber auch an dieser Schule schmeissen Kinder manchmal mit Stühlen oder versuchen, die Lehrerin niederzubrüllen. Alles ganz normal, »auch Kinder haben mal einen schlechten Tag«, sagt Eva und lächelt. Im nächsten Moment kann das gleiche Kind auch kuscheln kommen. Was früher ein Tabu war – mit der Grundschullehrerin kuscheln, herrje! – ist heute total normal.

Muss man dann dringend ganz erwachsene Dinge tun, wenn man den ganzen Tag zwischen Handpuppen und Kuscheln und dem ABC verbringt? Eva denkt kurz nach, «Nein, eigentlich nicht.» Auch zu Hause lese sie gerne mal gute Kinderbücher, die Harry Potter-Reihe habe sie verschlungen! Und überhaupt, viel Freizeit bleibe sowieso nicht übrig. Alle Welt denkt, sie habe um zwölf schon frei, aber nur wenige wissen, wie viel Zeit sie darüber hinaus in der Schule verbringt, mit Vor- und Nachbereitung, mit Elterngesprächen und Eltern, denen man dann hinterhertelefonieren muss. Wenn sie nach Hause kommt, ist sie meistens total geschafft. Ist auch nicht ganz einfach, den ganzen Tag in einem Raum mit 26 lärmenden Neunjährigen zu stecken. Was ihr dann aber doch noch einfällt: Sie kann zu Hause ihre sarkastische und ironische Seite rauslassen. Mit Freunden, von denen zwar ein paar ebenfalls Lehrer sind, aber bei weitem nicht alle. Man rede sowieso schon die ganze Zeit von Schule, dann tut es ganz gut, mal anderen Input zu bekommen. Auch wenn man manchmal dann doch zu Hause schwarzhumorig über den Arbeitsalltag herziehen muss.

Aber kann eine Grundschullehrerin auch mal so richtig feiern gehen? Darf eine Grundschullehrerin abstürzen? »Klar!«, sagt diese hier. Auch wenn sie meistens darauf gar keine Lust hat. Lieber sitzt sie mit einem Bier auf dem Tempelhofer Feld. Oder geht spazieren, um Berlin zu entdecken. Eine Stadt, mit der sie noch nicht ganz warm geworden ist als geborene Hamburgerin: »Am Hafen zu sitzen ist schon etwas anderes, als an der Spree. Das Gefühl von Freiheit fehlt.«

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Die Fotos hat Birte Filmer für uns gemacht.

Buch, Mit Vergnügen, Berlin für alle Lebenslagen
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