40 DAYS OF EATING #40 – Patio

© Mit Vergnügen

Natürlich müssen am letzten Abend noch einmal unvorhergesehene Dinge geschehen. Ob das Schiff, auf dem heute gegessen wird, untergeht, wer am Ende mit ausgebreiteten Armen am Bug steht und wohin die Reise nun geht, erfahrt ihr hier.


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Maria, erzähl uns von deinem Tag.

Nanananananana! Der letzte Abend! Ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Dieser Text wird mit meiner Stirn getippt. Narkolepsie. Freude. Trauer. Multiple Persönlichkeit. Bipolar. Hungrig. Satt. Wein. Wasser. Konfetti. Traurige Musik. Ich bin inzwischen zu 100% in meiner eigenen Welt angekommen, bekomme keinen geraden Satz mehr heraus und habe eine optimistische Konzentrationspanne von ungefähr 10 Sekunden. Schon von weitem kann sehen, wie sich die Fackeln des Restaurants im Wasser spiegeln, in dem wir diesen wahnsinnige Projekt beenden werden. Beenden. Das wird so unwirklich auf mich. Ich will nicht. Doch ich will. Nein, ich will nicht. Als ich die heutige Location betrete, bin ich so durch den Wind, dass ich unseren Fotografen Max nicht finde. Sophia fehlt auch. Was ist hier los? Mein Handy plingt ununterbrochen und ich irre orientierungslos durch den Laden, bis ich endlich Max erspähe, der im Schein einer Fackel bereits auf uns wartet und sich über irgendwas zu freuen scheint. Mich? Nein. Oder doch? Der letzte Abend!

Wo habt ihr heute gegessen?

Es wird romantisch. Wir essen auf einem Boot, dem Patio. (Heißt das nicht auf Spanisch eigentlich 'Hof'? Naja, egal. Letzter Abend!)

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Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?

Den Rieslingsekt ignoriere ich gekonnt und konzentriere mich komplett auf die Nahrungsaufnahme. Und weil wir gute Gäste sind, die sich auch mal zu benehmen wissen (haha), bestellen wir heute Meeresfrüchte. Schließlich sind wir auf einem Boot. Die Vorspeise kommt in Form dreier wohlgenährter Garnelen auf Salat. Bitte gleich noch einmal. Danke. So lecker und sehr gut gewürzt. Als Hauptspeise bestelle ich Lachsforelle auf Risotto. Das Risotto überzeugt durch einen guten Biss und eine angenehme Schärfe. Die Forelle ist ultra zart und besitzt keine einzige Gräte. Ich bin beeindruckt. Generell bin ich über gute Küche auf Booten jedes Mal erstaunt, haben die Köche doch vermutlich nur einen Aktionsradius von 2x2 Metern. Vielleicht beschränkt man sich dann aber auch auf die wirklich wichtigen Dinge und hört auf, Dingelchen von A nach B zu tragen. Das Dessert schenke ich mir und auf Grund der Befeuerung von allen Seiten schlafe ich wirklich direkt am Platz mit wärmender Köterdecke ein. Zum dritten Mal jetzt, glaube ich.

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Wie ist der Service dort?

Ich glaube, dass es heute besonders voll ist. Dementsprechend ausgelastet ist der Service. Da ich aber sowieso vor mich hindämmere, Max munter plaudert und Sophia noch Brotkrumen von Neukölln nach Moabit verlegt, stört es uns nicht weiter, dass es heute ein bisschen länger dauert.

Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?

Ich bin tief beeindruckt, Matthias hat dieses Boot eigenhändig renoviert, persönliche Beziehungen hinten angestellt und sein gesamtes Herzblut in diesen Laden gesteckt. Herausgekommen ist ein edler Kahn, romantisch gelegen an einer Brücke. Was mir nicht gefällt, ist die Mörderfackel, die hier so bedrohlich in unsere Richtung züngelt.

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Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?

Hipsterfreie Zone. Wir kennen niemanden. Und das ist ziemlich super.

Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?

Kerzenlicht, Rosenblätter auf den Tischen, Wasser vor dem Fenster... ACHTUNG! Hier werden indirekt bereits große Gefühle vermittelt. Besser nicht mit dem Chef hingehen. Es sei denn, man... Ach. Nicht mit dem Chef hingehen.

Worüber habt ihr gesprochen?

Neben einigen schnippischen Bemerkungen lachen wir auch viel, können wir ja beides gut, machen wir also auch beides. Matthias, Besitzer und eigenhändiger Erbauer des Patio, gesellt sich zu uns, weckt mich aus meinem Sekundenschlaf und zwingt uns, zu trinken. Und trinkt selbst. Und gießt uns nach. Wir reden über die Irrungen und Wirrungen der Berliner Ämter und er berichtet uns, bei wie vielen Stellen man sich anmelden muss, wenn man einen Weg auf ein Stück Wiese bauen möchte. Ich habe mir gemerkt, dass es ca. 200 Ämter sind und beschließe, den Weg auf meiner imaginären Wiese aus meiner Zukunftsplanung zu streichen. Hüpfe ich halt barfuß übers zukünftige Grün, Wege sind eh fürn Arsch. So. Hätten wir das auch geklärt.

Was hast du Neues über Sophia gelernt?

Auch wenn ich immer erwachsener tue, muss ich mich manchmal einfach von Sophia betüddeln lassen. Ich wusste vor diesem Projekt nicht, dass sie das kann. Kann sie aber. Ich bin eher so der Barfußwiesentyp, Sophia passt dann auf, dass ich mir nix eintrete.

Das Beste an diesem Essen...

Es war wirklich kein perfekter Abend. Sophia war zu spät, wir wurden von Fackeln gegrillt, ich bin mitten im Gespräch eingeschlafen, der Koch ist in der Küche umgefallen, der Service hatte richtig viel zu tun. Das allerschlimmste war jedoch, dass ich vergessen habe, mein Matrosenoutfit anzuziehen. Trotzdem: Das Essen war sehr lecker und die Vorspeise möchte ich bitte noch zehnmal nachbestellen. Noms.

Möchtest du noch etwas sagen?

Liebe Mitwirkende. Danke. Vielen lieben Dank an alle Fotografen, die sich mit unserer Doppelkinnparanoia rumschlagen mussten. Vielen lieben Dank an Nati für diese tolle Restaurantauswahl mit vielen Perlen und einigen Überraschungen. Vielen lieben Dank an Lisi for being so smart. Und natürlich möchte ich mich bei allen beteiligten Restaurants und Restaurantbesitzern bedanken. Ohne euch wäre das alles nur eine Idee geblieben. <3


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Sophia, erzähl uns von deinem Tag.

Wenn man eine Reise tut, dann hat man etwas zu erzählen. Also "Reise" würde ich einen Ausflug in den wunderschönen Berliner C-Bereich (passenderweise auch Speckgürtel genannt) nicht nennen, aber immerhin muss ich Regionalbahn fahren und es gibt überall Grün und Gegend. Heute besuche ich meine Mama. Nachdem wir ausgiebigst über alle wichtigen Dinge getratscht haben (Jungs, Jobs, Klamotten, Proust), fahren wir gemeinsam zurück in die Stadt. Ich liefere sie im KaDeWe ab (dem Småland für Mamas) und treffe das Männchen. Wir watscheln etwas ratlos durch die Stadt und wissen nicht so recht, was wir mit den wenigen Stunden anfangen sollen, die uns noch bleiben. Schließlich muss ich ja heute abend wieder essen gehen. Aus Mangel an Ideen gehen wir einfach nach Hause. Super. Und es kommt so, wie es kommen musste: Ich penne ein und wache pünktlich um 10 vor 8 auf. Ich habe also genau 10 Minten Zeit, um mich fertig zu machen und ans andere Ende der Stadt zu fahren. Heute ist der letzte Tag 40 DAYS OF EATING und ich komme zu spät! Dies soll aber nur der Anfang einer wunderbar verbimmelten Verkettung von Missgeschicken sein. Als ich im Taxi sitze, bekomme ich zeitgleich Nachrichten von Maria und unserem Fotografen Max: "Bin da, Maria/Max aber noch nicht." Ich versuche aus der Entfernung beiden zu verklickern, dass der jeweils andere auch schon da ist. Sie schaffen dann, meinen Anweisungen Folge zu leisten und finden sich, zumindest verebbt die SMS-Flut und ich kann im Taxi in Ruhe meine Stresshormone bändigen.

Wo habt ihr heute gegessen?

Auf dem Restaurantschiff Patio in Tiergarten.

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Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?

Nachdem ich ENDLICH eintreffe, bekommen wir ein Glas Riesling Sekt. Fotograf Max hat bereits seine zweite Flasche Cola geleert und ist entsprechend hyperaktiv. Maria hängt in den Seilen und nickt immer wieder kurz weg. Auch der Sekt kann daran nichts ändern, ich habe eher das Gefühl, dass es durch das Bubberwasser schlimmer wird (ich bin so klug). Dann kommt die Vorspeise und Maria muss sich aufsetzen. Ich esse einen sehr leckeren Vitalsalat mit Roter Bete (is halt Saison, nech?), Mozarella und Nüssen. Als Hauptgang bekomme ich, wie so oft während dieser Reihe, Ravioli gereicht. Langsam habe ich echt die Schnauze voll. Ich vergesse leider kurz, dass ich Ravioli eigentlich über alles liebe. So nach dem erstem Bissen auch die im Patio. Denn die sind endlich mal nicht mit Kürbis gefüllt, nein, es gibt Mangold-Ravioli auf Quittenpüree und Nusspesto. Meine Augen werden größer, Marias immer kleiner. Lecker! Mehr! Jetzt! Max klaut von meinem Teller. Wäre ich nicht so schlapp, ich würde ihm mit der Gabel ins Auge pieken. Da ich ja seit Neuestem zur Dessertfreundin geworden bin, ist es wohl überflüssig zu erwähnen, dass ich hin und weg bin, als der Nachtisch aufgefahren wird. Beeren-Sorbet auf einem Spiegel aus Crème brûlée. Da werd ich gleich zur Creme Brülleeeeee! Sabber! Wir lassen den Abend bei einer Flasche Riesling ausklingen. Also Max, Inhaber Matthias und ich. Maria hat sich den nasenlosen Hund geschnappt und ist längst eingeschlafen.

Wie ist der Service dort?

Freundlich, aber leicht überfordert. Heute kamen überraschend viele Reservierungen rein und die meisten Leute vom Servicepersonal, die heute arbeiten, sind noch nicht so lange dabei. Dann wird noch eine Bestellung verpeilt, der Koch bricht in der Küche zusammen und ach, was soll ich sagen? Der Abend ist einfach verhext. Also es kann wirklich nur am Abend liegen! Denn die Leute hier machen alle durchweg einen eigentlich kompetenten Eindruck, sind lieb und nett und lassen sich auch durch den Abend, der offensichtlich direkt aus der Hölle kommt, nicht aus der Ruhe bringen. Ooooommmmmmm. Maria hat schon ihr Chi zurecht geruckelt und befindet sich in irgendeiner ominös entspannenden Parallelwelt. Da schick ich den Koch auch gleich hin.

Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?

Burn, motherfucker, burn! Der Kamin heizt uns ordentlich ein, aber damit wir auch ganz sicher nicht frieren, wird noch eine Fackel direkt neben unserem Tisch angezündet. Wir nennen sie liebevoll 'die Fackel des Todes', denn ich habe selten eine so euphorisch brennende Fackel gesehen. Und ja, da ist noch das Glasfenster dazwischen. Und ja, angeblich kommt da keine Wärme durch. Aber Einbildung ist auch 'ne Bildung und so schwitzen wir uns gepflegt durch das Menü. Ähnlich wie im Van Loon ist auch hier viel Glas verbaut worden, sodass man einen wunderbar ungehinderten Blick (vorbei an der Fackel des Todes) auf das Wasser hat. Ich mag Boote. Ich mag Essen. Unnötg zu sagen, dass ich es hier spitze finde, oder?

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Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?

Das Pärchen am Nachbartisch macht Selfies mit 'nem iPad. Das Publikum hier ist also erfrischend uncool. Das ist doch mal eine nette Abwechsung zum üblichen Kreuzberg/PBerg/Mitte-Kladderadatsch.

Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?

Wie bei jedem ultraromatischen Restaurant empfehle ich auch hier: Betthäschen lieber zu Hause lassen. Das Patio ist ein Ort für große Emotionen.

Worüber habt ihr gesprochen?

Also Maria spricht ja eher gar nicht mehr, sie pennt. So ein Kutter kann einen aber auch gut in den Schlaf schunkeln. Ansonsten reden wir mit der Restaurantleitung darüber, wie wahnsinnig viel Arbeit so ein Projekt und das Gastrogewerbe ist. Tell me about it, damit kenn ich mich ja aus.

Was hast du Neues über Maria gelernt?

Maria tut immer so organisiert. Manchmal ist aber auch sie total verpeilt.

Das Beste an diesem Essen...

Das Dessert. Und die Ravioli. Und der Wein.

Möchtest du noch etwas sagen?

Ich bin jetzt wirklich geschafft. Und traurig. Also wirklich traurig. Aber auch glücklich und ein bisschen stolz auf Maria und unser Team. Wir haben die 40 Tage einfach mal so richtig gerockt. YOLOSWAG.

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Gestern waren Maria und Sophia im FluxBau. Alle Folgen 40 DAYS OF EATING gibt es hier.

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Location: Restaurantschiff Patio, Helgoländer Ufer, Kirchstraße, 10557 Berlin

Fotos: Max Thesseling
Text: Maria und Sophia Giesecke

Titelfoto: Franziska Taffelt

Artwork: Frau Grau

Produktion: Mit Vergnügen

(Ja, "40 Days of Eating" ist eine Adaption von "40 Days of Dating".)

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