40 DAYS OF EATING #23 – Ottenthal
Heute lernen Maria & Sophia in einer noblen Umgebung, was ein Otti ist und wälzen sich trotz Strampler in Panade. Die kleinen Hauderwacherl, die.
Maria, erzähl uns von deinem Tag.
Eigentlich wiederhole ich mich jeden Tag: Es ist Winter und mein Tag ist voll. Kurz vor Hunger erfahre ich, dass es heute chic österreichisch zu futtern gibt. Also flitze ich einmal durch den firmeneigenen Showroom meiner Arbeitsstelle und werfe mich in ein Outfit, das, wie ich finde, nach wohlerzogener Upper-Class-Schnalle mit einem Hang zur Reitdressur aussieht. Als ich in West Berlin ankomme, werde ich von Sophia und Max als Domina bezeichnet und verteile daraufhin eine Runde Backpfeifen. Zudem zücke ich die Augenbraue des Todes, bis sie sich wieder benehmen. Sophia muss sich melden.
Wo habt ihr heute gegessen?
Im Ottenthal.
Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Wir beginnen mit dem sogenannten Otti, einem erfrischenden Prickelgeränk und dem hauseigenen Maskottchen. Er kommt süß daher und Sophia hat sofort einen im Tee. Ich, umsichtig und eben dann doch sieben Minuten älter und somit manchmal etwas erwachsener (hüstel), bestelle alkoholfrei und bin demnach nur vom Zucker berauscht. "Das freundliche Menü" spricht uns mit einer Kürbissuppe, Schnitzel und Apfelstrudel an. Sophia quengelt und bekommt die Suppe, also nehme ich Ziegenkäse auf Brioche - wirklich ausgesprochen gut. Der Ziegenkäse ist fluffig und die Brioche auch, geschmacklich leicht süß, weil Honig. Nachdem Max 'ne Schippe zieht, als ich den goldbraunen Schnitzelfladen verputzen möchte, lasse ich mal meine nette Seite raus und er darf den anmutig wirkenden Fleischteppich zu sich nehmen. Daraufhin entscheide ich mich für Cordon-Bleu, nomsen! Das Cordon-Bleu ist riesig und ich kann meine nölenden Begleitpersonen nur schwer durch das Gebirge aus Panade erkennen - diese wirft nämlich gigantische Wellen und erinnert mich an Österreich. Ich bekomme sofort Fernweh, aua. Dazu gibt es einen Riesling, der allerfeinste Sahne ist und von Weinkennern wohl geschätzt wird. Eigentlich sollte es noch Apfelstrudel geben, allerdings ist mein Bauch voll mit Panade, Fleisch und Käse und somit muss ich dankend ablehnen.
Wie ist der Service dort?
Sehr freundlich und überaus aufmerksam wird uns ein Tisch am Fenster angeboten. Zwischen den Gängen werden wir gefragt, ob wir eine Pause wünschen und überhaupt ist der Service hier sehr höflich. Aber trotzdem charmant und witzig.
Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?
Ich fühle mich wie in einem antiken Boardrestaurant einer Eisenbahn. Die Decke verläuft im Halbbogen einmal komplett durch den ganzen Raum und der Raum ist sehr schmal, aber lang. Habe ich das jetzt gut erklärt? Nein? Müsst ihr es euch halt selbst anschauen. Vor den Klos hängen diverse Urkunden, die bestätigen, dass es hier exzellente Weine und Speisen gibt. Kann ich so auch nur bestätigen und möchte meine handgemalte Urkunde direkt dazu hängen.
Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?
Etwas älter als wir. Fast alle essen Schnitzel. Auch reden alle sehr leise. Außer uns. Wir befinden uns in einem erwachsenen Restaurant.
Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?
Ich würde hier definitiv keinen Kindergeburtstag feiern. Aber so ein nettes Abendessen bei gutem Wein, Gesprächen und den Schnitzelalpen - Why not?
Worüber habt ihr gesprochen?
Wie bereits erwähnt, werde ich gemobbt. Ich möchte das an dieser Stelle auch noch einmal sagen: Ich werde gemobbt.
Was hast du Neues über Sophia gelernt?
Wenn man Pannade isst, isst man dann schon Schnitzel?
Das Beste an diesem Essen...
Ich habe den Cordon-Bleu-Rochen zwar nicht komplett aufgegessen, aber er war wirklich lecker. Und hat mich an früher erinnert. Nur damals war er nicht so lecker.
Möchtest du noch etwas sagen?
Ich wäre wahrscheinlich aus freien Stücken nie auf die Idee gekommen, ins Ottenthal zu gehen. Aber es war super. Danke.
Sophia, erzähl uns von deinem Tag.
Richtig gute Laune! Auch wenn es heute wieder keine ultra spannenden Aktivitäten gibt, ist meine Laune ganz ausgezeichnet. Aber als freiberufliche Journalistin ist dein Tag nun einmal voll mit Recherche und Getippsel. Ist oft nicht spannend, aber ist halt Alltag. Ich freue mich wie blöd auf die heutige Location, denn heute geht es in die City West. Da war ich früher mit meiner Mama immer zum Shoppen und ich fand das mega cool so als Umlandskind. Irgendwie war mir aber nicht bewusst, wie gehoben das heutige Restaurant ist, also greife ich outfittechnisch mit meinem Lieblings-Overall etwas daneben. Egal, hauptsache gemütlich.
Wo habt ihr heute gegessen?
Westberlin maskulin, heute geht es ins Ottenthal in der Kantstraße.
Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Im Ottenthal werde klassische österreichische Küche und gute Weine geboten. Wir bekommen erst einmal ein Glas Otti Spezial, den Aperitif des Hauses, und sind sofort betrunken. Schon wieder! Ich starte das Menü mit einer Kürbissuppe, welche mir wirklich ausgezeichnet schmeckt. Aber wir wissen ja bereits: Mit Kürbis kannste bei mir nix falsch machen. Sogar mein kleiner Freund, das Schäumchen, gesellt sich zur Suppe, ich habe dich vermisst, mein kleiner Racker. Mit Suppe und Wein im Bauch wird mir muckelig warm ums Herz und ich schaue etwas schadenfroh durch das riesige Fenster auf die Kantstraße. Draußen huschen manchmal dick eingepackte Menschen vorbei, es ist erschreckend leer auf der Straße. Offensichtlich haben sich die Menschen noch immer nicht an die Temperaturen gewöhnt. Es ist auch so: Wenn man raus muss, so wie wir, ist es irgendwann nicht mehr ganz so schlimm. Weiter geht es mit dem Hauptgang: Aus Mangel an vegetarischen Alternativen bestelle ich die Käsespätzle. Yay, wieder Käse. Ich bin aber echt posiviv überrascht, denn die Spätzle sind ganz fantastisch, nicht in so 'ner künstlichen Cremesoße, angedickt mit Billigkäse und Sahne (schauder!). Nein, diese Spätzle wurden mit bestem original Vorarlberger Bergkäse zu einer Art Omelette zusammengepanscht, welches eine gute besuchte Geschmacksparty in meinem Mund auslöst. Aufgrund des heftigen Käse-Overflows schaffe ich allerdings nicht alles. Maria findet den Gurkensalat total lecker und somit huscht ihre Gabel immer wieder zu meinem Teller. Iss mein Kind, iss! Zum Essen bestellen wir einen Riesling, der auch sehr gut schmeckt und sofort in die Birne wandert. Macht Spaß hier!
Wie ist der Service dort?
Ich werde freundlich am Eingang empfangen, mir wird die Jacke abgenommen und mein Strampler gekonnt ignoriert. Also alle sehr professionell hier und obwohl wir alle unter 40 sind und somit nicht so richtig ins Bild passen, werden wir sehr zuvorkommend behandelt. Zum Schluss werden die Mitarbeiter sogar noch richtig witzig. Werd ich auch immer, wenn ich uns sehe.
Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?
Obwohl etwas nobel ist die Stimmung doch entspannt und locker. Wir haben laut Aussagen der Mitarbeiter "den besten Tisch im Restaurant" direkt an der Heizung (muckelig warm) und am Fenster (Leute glotzen, nur ohne Leute).
Wie würdest du die Menschen in dem Restaurant beschreiben?
City-West-mäßig, bisschen älter, ruhig, Mitte bis Ende Vierzig und vereinzelt auch Familien. Obwohl wir den Altersdurchschnitt hart nach unten und den Geräuschpegel nach oben reißen, glotzt uns niemand doof an oder beschwert sich über uns. Entspannung!
Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?
Mit Veganern, denn hier gibt es absolut nichts veganes auf der Karte.
Worüber habt ihr gesprochen?
Wir sprechen über guten Wein und über das perfekte Schnitzel. Leider sind heute alle etwas sehr müde und so konzentrieren wir uns hauptsächlich auf das Essen. Maria sieht aus wie eine Domina, also wird sie etwas von uns verarscht, natürlich nicht zu sehr, da wir auch etwas Angst vor ihr haben. Sie antwortet mit strengen Blicken und schwenkt bedrohlich das Cordon Bleu.
Was hast du Neues über Maria gelernt?
Manchmal gibt sie Menschen eine zweite Chance. Und dann ist alles voll gut. Wenn nicht, bekommt man eine Gabel in den Po und wird in Panade gelegt. Danach isst sie einen auf, wobei man ihr dann aber doch wieder schön nahe kommt. Auch wenn man's nicht mehr spüren kann.
Das Beste an diesem Essen...
Ja, ja, ja ich sage es jetzt schon wieder: der Wein! Ist auch nicht schwer in einem typischen Weinlokal. Und der Wein ist hier einfach fantastisch. Das darf man auch mal erwähnen. Außerdem finde ich den Service hier wirklich sehr gut und angenehm.
Möchtest du noch etwas sagen?
Alles Käse oder was?!
Gestern waren die beiden im La Raclette. Alle Folgen 40 DAYS OF EATING gibt es hier.
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Location: Ottenthal Restaurant & Weinhandlung, Kantstraße 153, 10623 Berlin
Fotos: Max Seedorf
Text: Maria und Sophia Giesecke
Anfragen: [email protected]
Titelfoto: Franziska Taffelt
Artwork: Frau Grau
Produktion: Mit Vergnügen
(Ja, "40 Days of Eating" ist eine Adaption von "40 Days of Dating".)