40 DAYS OF EATING #22 – La Raclette
Französien! Cherie! Oulala! Oui oui! Tres bon! Es wird ein kurzer Ausflug nach Frongraisch unternommen, ein wenig gefroren, ein wenig gekichert, ein wenig geschmachtet und mehr als wenig gegessen.
Maria, erzähl uns von deinem Tag.
Berlin hat sich eingemummelt. Sophia und ich machen hier keinen neuen Trend auf, wir machen einfach mit. Wir halten unsere Nasen aus der Tür wie den großen Zeh ins heiße Badewasser, als Test. Die Temperaturen sind unterirdisch niedrig und somit beschließen wir mit dem Taxi nach Kreuzberg zu fahren. Da haben wir nämlich ein Date heute. Mit Sara. Als wir in das Restaurant schlittern und natürlich wieder schnattern, wobei unsere Worte in der Luft zu Eis gefrieren, ist sie bereits da und wärmt sich an einem Kamin.
Wo habt ihr heute gegessen?
Im La Raclette.
Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Die Karte wird in Form einer Kreidetafel mit Kreidebeschriftung (irre!) dargereicht und auf einem Stuhl neben uns platziert. Für mich liest sich das Menü wie ein Gedicht, es gibt Tartar, Ragout und Steak. Sehr martialisch und sehr fein. Als Vorspeise gibt es ein Tartar, was mich stark an meine wunderbaren Parisaufenthalte erinnert - wo ich mit Sarnai und dem Rest meiner asiatischen Gang gerne ganze Nachmittage in Cafés abgammele, Chablit und Tartar bestelle und wir uns mit allen vorbei laufenden Franzosen anfreunden. Dazu gibt es immer Chips und Austern - French Street Food. Das Tartar im La Raclette kommt sehr authentisch daher, auch mit kleinen Gurken-, Oliven- und Zwiebelschnipseln und einem rohen Ei. Ich zermatsche alles inbrünstig und schiebe mir das rohe Fleisch in den Mund, was angesichts der kühlen Temperaturen im Raum gut auch noch 'ne Stunde einfach so rumstehen könnte, ohne dabei oll zu werden. Es schmeckt gut. Als Hauptgang bestelle ich eine französische Ente mit französischem Kartoffelbrei und dazu gibt es französischen Pernod. Weihnachten ist erinnerungstechnisch noch in greifbarer Nähe und wird gerade geschmacklich aufgefrischt. Die Ente überzeugt und das Butterpüree schmilzt auf der Zunge. Das Dessert spare ich mir angesichts der üppigen und fettigen Portionen. Es sind zwar -15 Grad draußen und ich könnte mindestens eine Klamotten-Zwiebelschicht durch eine zusätzliche Speckschicht von mir ersetzen, entscheide mich dann aber doch dagegen.
Wie ist der Service dort?
Très jolie. Très mignon. Unsere französische Kellnerin spricht ab und zu sogar Französisch und sagt uns erst einmal, was ihr auf der Karte besonders gut schmeckt. Wir bestellen zwar kein Raclette, aber sie erklärt mir, wie die Kohlen für das Old-School-Raclette im Kamin vorgeheizt und in den Käseerhitzer geladen werden und wie man dann den Käse runterpult. NOMS.
Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?
Es ist wirklich urgemütlich hier und sehr romantisch. Der Kamin brutzelt, es riecht nach Lagerfeuer und deftigem Essen, die Musik ist sehr leise und Pärchen säuseln sich gegenseitig Zärtlichkeiten (oder Versautes) ins Ohr. Anfänglich ist es im Gastraum leider empfindlich kalt - aber versucht ihr mal, einen Raum aus puren Backsteinen bei -15 Grad warm zu bekommen.
Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?
Gurrrrrr. Französien liegt in der Luft und es wird sich intensivst geschmachtet. Hier werden Jahrestage und andere Jubiläen gefeiert. Man liebt sich. Uns nicht so, weil wir nicht ins Bild passen aber da können wir ja nichts für. Und die auch nicht.
Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?
Wenn man sich mal kurz zum Lunch treffen und den neuesten Gossip austauschen möchte, sollte man diesen Laden meiden. Hier ist es zwar mega gemütlich, aber trotzdem chic.
Worüber habt ihr gesprochen?
Da wir ja meistens neue Fotografen und Fotografinnen ausführen, ähneln sich die Gespräche oft ein wenig: "Und du so? Ach, echt? Ja, kenne ich auch. Iiiiis nicht wahr?!" Pernod, Wein (Trotz Saras Weinallergie) und üppiges Essen taten ihr übriges und so gesellte sich zu einem ordentlichen Suppenkoma bald ein leichter Schwips, der uns lustig werden ließ. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das den Turteltäubchen gefiel, aber der Service hatte wie immer seinen Spaß mit uns und wir haben uns dann letztendlich auch noch in der Lugosi-Bar ausgetobt und die Pärchen Pärchen sein lassen.
Was hast du Neues über Sophia gelernt?
Ente Ente Ente Ente Ente. Nix.
Das Beste an diesem Essen...
Die Zwiebelsuppe. Definitiv die beste ihrer Art in Berlin. Gegenbeweise dürfen gerne hier abgelegt werden.
Möchtest du noch etwas sagen?
Wenn ich eines Tages auch mal romantisch sein will, komme ich wieder hierher. Versprochen.
Sophia, erzähl uns von deinem Tag.
Die Stadt ist im Winterschlaf! Bibber, bibber! Nur ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen und bin noch etwas zermatscht von zu vielen harten Beats und kalten Mixgetränken. Und auch wenn ihr es nicht lesen wollt: Ich bleibe heute im Bett, selbst wenn die Welt untergeht. Ich wickel mich in 20 Decken und richte mir mein Home Office ein. Draußen gibt es Schneegestöber und -15 Grad. Am Abend mache ich mich auf den Weg zu Maria und es wundert mich nicht, dass ich fast die einzige auf der Straße bin. Eine junge Frau schleift ihren streikenden Köter durch die Gassen, eine Gruppe Jugendlicher sucht Schutz vor der Kälte im nächsten Internetcafé. Als ich bei Maria eintreffe, ist uns beiden klar: Heute fahren wir Taxi. Gönn dir!
Wo habt ihr heute gegessen?
Heute geht es wieder nach Kreuzberg und zwar ins La Raclette in der Lausitzer Straße.
Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
In Französien isst man ja sehr gerne Fleisch und Pasteten und noch mehr Fleisch und dazu gibt es noch etwas Fleisch. Das vegetarische Angebot im La Raclette ist überschaubar, neben Ziegenkäse und Zwiebelsuppe als Vorspeise gibt es Risotto, Ratatouille und Ofenkäse zur Auswahl. Ich bin unentschlossen, habe eigentlich Bock auf Risotto, lasse mich aber doch zum Ofenkäse bequatschen. Puh, das ist echt viel Käse. Die Zwiebelsuppe ist sehr lecker, schön würzig und klassisch, der Ziegenkäse mit Honig und Lavendel ist außen schön knusprig (Blätterteig) und innen cremig, außerdem stehe ich einfach auf die Kombination von Honig, Lavendel und Ziegenkäse. Ich bin von den Vorspeisen durchweg begeistert. Maria führt kunstvoll vor, wie man Steak Tartar richtig panscht. Der Ofenkäse ist riesig und auch sehr würzig, nicht so wie das geschmacksneutrale Gummizeug, das in hiesigen Supermärkten als Ofenkäse verramscht wird. Nach dem Essen fühle ich mich wie ein Käsebällchen. Hoffentlich muss ich so schnell keinen Käse mehr essen, das wäre echt Käse.
Wie ist der Service?
Sehr sehr nett, sehr französisch und super lieb. Wir werden für stümperhafte Aussprachen der Speisen nicht ausgelacht und ganz nebenbei mit Pernot abgefüllt.
Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?
Als wir ankommen, ist es kalt im Restaurant. Wir sitzen mit unseren dicken Winterjacken an unserem Tisch und bibbern. Offensichtlich wurde der Kamin in der Ecke eben erst angefeuert, es dauert jedenfalls eine Weile, bis der Raum so warm wird, wie es die Einrichtung vermuten lässt. Hier fühlt man sich wirklich wie in einem kleinen Bistro in Paris, Backsteinwände und urige Deko treffen auf eine große Fensterfront, durch die wir das Schneetreiben draußen beobachten können. Wir fühlen uns hier sichtlich wohl und bleiben wie so oft noch etwas länger, auch als schon abgeräumt wurde.
Wie würdest du die Menschen in dem Restaurant beschreiben?
Haben die am Nebentisch uns gerade beleidigt?! In näherer Entfernung sitzen ausschließlich Pärchen, die sich gegenseitig anschweigen, anschmachten oder sich erotische Phantasien zu tuscheln. Wir fallen wie immer ein bisschen aus der Reihe und sind auch wie so oft etwas lauter als die anderen Gäste. Irgendwann meint Fotografin Sara, dass das schlecht gealterte Pärchen am Nebentisch gerade meinte, wir seien nervige Tanten. Selber! Sonst sind hier alle sehr nett und sehr entspannt.
Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?
Mit dem Paar vom Nebentisch.
Worüber habt ihr gesprochen?
OK, ich kann vielleicht ein bisschen verstehen, wieso wir vielleicht etwas nervig für das Grummelpärchen waren. Ich lache nämlich sehr viel und wir reden unter anderem über das Berghain und wilde Partynächte im Allgemeinen. Wir packen alle Geschichten aus, an die wir uns noch erinnern können und mir wird erklärt, was Gürteltaschendruffis sind: "Die haben immer ALLES dabei! Taschentücher, Kondome, Nasenspray, Gras zum Runterkommen, Kleingeld für Kippen und 20 Euro für das Taxi". Raven kann also auch professionalisiert werden, interessant. Ich war ja seit über einem Jahr nicht mehr im Berghain. Wir überlegen kurz, ob wir den Abend in der Panorama Bar ausklingen lassen sollen, entscheiden uns aber dagegen, weil wir wahnsinnig erwachsen sind und morgen früh raus müssen.
Was hast du Neues über Maria gelernt?
Maria mixt Steak Tartar like a boss. Haben die fünf Monate Paris also doch was gebracht.
Das Beste an diesem Essen...
Die lustigen Gespräche und der wirklich vorzügliche Pernod.
Möchtest du noch etwas sagen?
Liebe Menschen: Manchmal redet man Blödsinn. Und das ist auch gut so.
Gestern waren die beiden bei Burgers & Hip Hop. Alle Folgen 40 DAYS OF EATING gibt es hier.
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Location: La Raclette, Lausitzer Straße 34, 10999 Berlin
Fotos: Sara Chahrrour
Text: Maria und Sophia Giesecke
Anfragen: [email protected]
Titelfoto: Franziska Taffelt
Artwork: Frau Grau
Produktion: Mit Vergnügen
(Ja, "40 Days of Eating" ist eine Adaption von "40 Days of Dating".)