40 DAYS OF EATING #38 – Richard
In der Köpenicker Straße in Kreuzberg versteckt sich ein echt edles Restaurant, das Richard. Die Zwillinge werden hier mit Schäumchen-Träumchen und vielen, vielen Weinchen geradezu überschüttet.
1. Maria, erzähl von deinem Tag.
Voller Tatendrang bin ich gestern ins Fitnesstudio gerannt und dachte, dass ich mit einem ausgeklügelten, selbstentwickelten Trainings- programm den kompletten letzten Monat Völlerei kompensieren kann. Erstens: So schnell und viel wie möglich komplett unkoordiniert auf dem Crosstrainer herumstrampeln. Nach 5 Minuten habe ich Seitenstiche und das Rentnerpaar auf dem Gerät neben mir - übertrieben stylisch mit abgefahrenen Stirnbändern - schmeißt mir graue Augenbrauen entgegen und rennt davon. Ok, das war wohl nichts. Zweitens: 30 Minuten unmotiviert wie eine gestrandete Robbe im Bodenturnbereich rumliegen. Am Rudergerät wird dann wieder alles gegeben, mit dem Ergebnis, dass ich heute meine Arme nicht mehr bewegen kann. Nada. Null.
2. Wo habt ihr heute gegessen?
3. Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Ein adretter Herr im feinen Zwirn wedelt mit einem Glas Cremant vor meiner Nase herum, verschafft mir dadurch warme Gefühle in der Herz(chen)gegend und nimmt mir sogleich den Mantel und die Kälte ab, welche ich von draußen mitbringe. Mission: lustig werden! Klappt super. Sophia und Daniel sind schon da und haben einen sitzen. Bei einer derart feinen Lokalität kommt das Essen in mehreren Intervallen oder vornehm ausgedrückt: Es gibt'n Menü. Wir entscheiden uns für 3 Gänge - jeder am Tisch in unterschiedlichen Variationen - und lassen einfach alle Teller am Tisch routieren, um möglichst viel probieren zu können. "Amüse Busch" (Amuse-Bouche aka "Party im Mund"): Rote-Beete-Suppe, leicht scharf mit Schaumverzierung. Es folgt: ein Ei, bei 62°C gegart, - fast schon glasig aussehend und herrlich wachsig in der Konsistenz! - auf einem Kadayif-Körbchen ruhend. Zwischendurch werden unsere Gläser kontinuierlich mit einem der 160 Weine aus der fetzigen Weinkarte gefüllt. Die Gänsestopfleber aus Biohaltung probiere ich tatsächlich auch - aber nicht ohne schlechtes Gewissen.
4. Wie ist der Service dort?
Da ich offensichtlich komplett ausgehungert bin, was soziale Kontakte angeht - sorry, Sophia, aber jeden Tag die gleiche Trulla zu sehen, ist auf Dauer halt leider echt etwas monoton - verspüre ich seit Kurzem ein wahnsinniges Bedürfnis, mich mit sämtlichen mir fremden Personen spontan anzufreunden. So auch heute. Treffe hier aber auch auf ein dankbares Publikum.
5. Was gefällt dir an dem Restaurant besonders, was nicht?
Holzdecke: wow. Bilder an der Wand (bis auf das bunte Mandala): wow. Fenster: wow. Kupferwand: wow. Hier ist es unfassbar schick. Unter der Decke trohnen nicht nur aufwendige Glasmobiles, sondern wir werden auch von steinernden nackten Mädchen beim Essen beobachtet. Daran kann ich mich gewöhnen.
6. Wie würdest du die Menschen in dem Restaurant beschreiben?
Neben uns sitzt eine Familie aus gutem Hause und lugt zu uns rüber (Fotos und so). Wir lugen zurück. Es wird sich angekichert und zugeprostet. Restaurantauslastung an diesem Abend: zu etwa 3/4.
7. Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen und warum?
Wer immer mit mir hierher gehen will, der darf das gerne tun... Gerne... Aber du zahlst!
8. Worüber habt ihr gesprochen?
Ich will Sophia einen Vortrag über Hundeerziehung halten, denn ich hatte heute den nasenlosen Hund, welcher sich promt mit ALLEN anderen Kötern auf dem Hundespielplatz gekloppt hat. Sie rächt sich, indem sie Dinge, welche ich gerne essen oder einfach nur erreichen möchte, höher als den von mir zu bewältigenden 20°C-Anhebewinkel meiner Arme positioniert (Muskelkater!).
9. Was hast du Neues über Sophia gelernt?
Mieses... Fieses...
10. Das Beste an diesem Essen...
Richard.
11. Möchtest du noch etwas sagen?
"Mama, was machen die Menschen auf dem Bild da?" - "Spielen, mein Kind, die spielen!" Und Sophia sagt, ich bin der Friedmann der Gastronomie. Keine Ahnung, was das heißen soll.
1. Sophia, erzähl von deinem Tag.
Eigentlich versuche ich ja immer, mich dem Anlass entsprechend zu kleiden. Ich steh drauf, mir morgens Sachen für den Tag auszusuchen und mich herauszuputzen. Also checke ich jeden Morgen, wohin es abends zum Essen geht, denn ich muss ja immer direkt vom Büro ins Restaurant. Schickes Restaurant? Dann geht die liebe Sophia eben mit hohen Schuhen und im Kleidchen ins Büro. Mustafas? Sophia trägt den ganzen Tag Gummistiefel. Da heute der morgendliche Restaurant-Check in der Eile verpeilt wurde, sitze ich plötzlich im liebsten Schlaumeloutfit und mit ungewaschenen Haaren in einem sehr edlen Schuppen. Verdammt.
2. Wo habt ihr heute gegessen?
Heute wird es ein bisschen sehr edel, denn heute geht’s ins Richard in die Köpenicker Straße. Unnützes Wissen: Im Haus nebenan hab ich mal gewohnt.
3. Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Die Wartezeit auf Maria, die mal wieder spät dran ist, überbrücken Fotograf Daniel und ich mit Cremant Rosé und der ersten Runde Wein. Mein Gequengel, wir sollen doch BITTE unbedingt 4 Gänge nehmen, wird ignoriert. Meine Angst, etwas zu verpassen, stellt sich allerdings als unnötig heraus, da wir einfach alle im Minutentakt die Teller tauschen. Ich bin Fan der gebratenen Jakobsmuschel und der Artischocken-Cannelloni. Zwar gibt es hier durchaus Schäumchen, allerdings finde ich das diesmal erschreckend unätzend, da sich im Richard nicht nur auf Konsistenzen, sondern vor allem auf den Geschmack konzentriert wird. Um die Entenleber mache ich jedoch einen Bogen. Karma und so! Alles in allem ein perfektes Dinner voller Überraschungen. Die Weinbegleitung trägt das Übliche zur guten Stimmung bei.
4. Wie ist der Service dort?
Wer glaubt, dass der Service in einem so noblen Laden ganz fürchterlich spießig ist, der hat sich geirrt. Wir werden super herzlich begrüßt, es wird rumgelabert, verarscht, gestänkert und gelobt. Ganz nebenbei bekommen wir eine perfekte Beratung zum Menü, fachsimpeln über Milchflecken im Anzug und schließen neue Freundschaften.
5. Was gefällt dir an dem Restaurant besonders, was nicht?
Ganz offensichtlich ist es hier total schnuppe, ob man im Schlabberpulli kommt oder im Anzug. Find ich gut! Die Kunst hier ist nicht so meins, dafür bin ich total verzückt von der super coolen Kupferwand, welche die Küche vom Gastraum trennt. Auch super cool: der riesige Betonklotz, der als Empfangsbereich, Weinstation und Kasse dient. Irgendwie ist hier alles verschwommen, könnte aber auch an den Unmengen Wein liegen.
6. Wie würdest du die Menschen in dem Restaurant beschreiben?
Gehoben, lässig und gelassen.
7. Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen und warum?
Das ist hier sicherlich nichts, um mal eben schnell nebenbei 'nen Happen essen zu gehen. Rumzappeln? Is nich! Rumkreischen? Kann man mal machen, sollte man aber nicht. Wer allerdings Zeit, Geld und ordentlich Appetit mitbringt, hat sicher einen ganz tollen Abend hier.
8. Worüber habt ihr gesprochen?
Maria ist heute sehr scharfzüngig unterwegs und wirft dem Etablissementbesitzer mit wildem Haarwuchs nicht nur heiße Blicke, sondern auch spitze Kommentare und knallharte Fragen entgegen. Dieser hält stand, lässt sie angreifen, überliegt rhetorisch (er ist Schweizer) und siegt auf ganzer Linie. Nachdem Maria endlich damit aufhört, sich daneben zu benehmen, können Daniel und ich uns wieder gepflegt über Wein und Fleisch unterhalten.
9. Was hast du Neues über Maria gelernt?
Wo is'n die jetzt schon wieder hin? Maria springt von hier nach da und von dort nach da drüben. Die Alte ist schlimmer als eine Tüte Mücken, wie Oma immer zu sagen pflegt.
10. Das Beste an diesem Essen...
Die Tatsache, dass mich auch die sonst so verhasste Schäumchenküche noch überraschen kann. Vielleicht muss ich meine Meinung über Schäumchen auch überdenken.
11. Möchtest du noch etwas sagen?
Maria, ist das mein neuer Papa?
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Location: Richard, Köpenicker Straße 174, 10997 Berlin
Fotos: Daniel Müller
Text: Maria und Sophia Giesecke
Mit freundlicher Unterstützung von Fissler