40 DAYS OF EATING 2015 #3 – Bar Raval
Es ist Samstag, der dritte von 40 Tagen Essmarathon und Maria und Sophia realisieren langsam, dass sie jetzt wirklich jeden Tag essen gehen müssen. Mal sehen, wann die körperliche Schmerzgrenze erreicht ist. Heute geht's erstmal in die Bar Raval zum ausgiebigen Tapas-Essen, diese kleinen, spanischen Speisen, die am Ende den ganzen Tisch einnehmen. Mui delicioso!
1. Maria, erzähl von deinem Tag.
Wir essen uns langsam warm. Kieferyoga deluxe, autogenes Esstraining. Von Routine möchte ich an dieser Stelle jedoch noch nicht sprechen. Der Schwefelgeruch verschwindet langsam aus der Stadt und die Böller haben sich inzwischen mit dem anderen Unrat auf der Straße zu einem neuen, festen Straßenbelag zusammengetan. Ich muss zugeben, dass ich heute nicht viel mache, außer ein bisschen gammeln, rumhängen, abhängen und chillen. Ich genieße es und schnurre zufrieden in meiner Gummizughose. Perfektion, Zufriedenheit, Glückseeligkeit, Zen-Modus. Heute ist Samstag, aber so richtig Partystimmung will in Berlin nicht aufkommen. Die Stadt wirkt kollektiv verkatert. Ich trolle mich nach Kreuzberg, es soll heute Tapas geben. Urlaubsfeeling finde ich gut, Nieselregel peitscht mir aber ins Gesicht. 27 Grad wären jetzt echt ziemlich gut.
2. Wo habt ihr heute gegessen?
Bar Raval in X-Berg, direkt am Görli.
3. Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Mit großen Welpenaugen schauen wir unserem Servicebeauftragten in die Augen. Dieser checkt sofort professionell die Situation und sagt: "Ich bringe, ihr esst! Spezielle Wünsche?" Ich denke mir: Bitte nicht so viel Alkohol. Er so: "Erst mal einen Sekt, und danach einen Wein, oder?" Hicks. Nachdem uns der gute Mann auf Betriebstemperatur gebracht hat, trudeln die ersten Tapas ein. Die Bestellung läuft nach unserem Lieblingsprinzip: Wir sagen nichts, sondern lassen uns überraschen. Das Motto einer jeden Tapasbar, egal ob in Barcelona oder West-Berlin: 1. Es wird fettig. 2. Es wird geteilt! Darum sind die Teller zwar klein, aber in großen Mengen vorhanden. Brot, Knoblauchmajo und eingelegte Sardinen. Nachdem das Essen von uns auf dem eigenen Teller gestylt und für Instagram gepimpt wurde, verschwindet es in unseren Mündern. Sophia schnattert vergnügt, ich sitze da, glotze und futtere. Der Tisch füllt sich und ich könnte mich in das Champignon-Avocado-Tatar reinlegen. Ich werde ein wenig von Sophia und Alice gemobbt, weil ich die öligen Racker mit Messer und Gabel esse. Fettige Hände sind nicht so meins.
4. Wie ist der Service dort?
Ich mag die sehr unaufgeregte Stimme des Kellners. Es gibt zwar kein Geschnatter am Tisch (was wir ja sonst eigentlich schon ziemlich mögen), aber diese zurückhaltende, professionelle Art ist auch mal ganz angenehm. Man merkt, dass hier vor allem die Gäste miteinander einen guten Abend haben sollen; Service und Restaurant bieten nur einen Rahmen dafür.
5. Was gefällt dir an dem Restaurant besonders, was nicht?
Da es sich hier um eine sehr dezente Restaurantgestaltung handelt, gibt es nicht viel zu meckern. Vorn kann man an Bartischen Platz nehmen, was die Situation durchaus auflockert. Die offene Küche gibt den Blick auf die schnuckeligen Köche frei. Ich glotze, es wird zurückgeglotzt – Belästigung am Arbeitsplatz. Hihi. Außerdem findet man im hinteren Bereich der Bar noch ruhigere Sitzgruppen mit kleinen und großen Tischen. Alles in allem sehr angenehm und unaufgeregt. Hier sprechen mehr die Speisen für sich, die von hoher Qualität sind.
6. Wie würdest du die Menschen in dem Restaurant Imbiss beschreiben?
Wir kennen hier wahnsinnig viele Leute, dennoch hatte ich diese Bar vorher einfach noch nicht auf dem Schirm. Komisch eigentlich. Einige Touristen gibt es auch. Alle haben Spaß, aber ohne dabei nervig laut und prollig zu werden. Genießer-Hipster.
7. Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen und warum?
Mit dem Bekannten, der neulich vier Stunden von seinem bescheuerten Urlaub in Spanien erzählt hat.
8. Worüber habt ihr gesprochen?
Darüber, Tapas in Wollkragenpullis zu futtern. Sonst sitzt man ja eher mit Tennissocken in Birkenstocklatschen auf klebrigen Platikstühlen am Strand, während man sich die kleinen Racker einflößt. Und darüber, dass diese Bar diesem einen deutschen Schauspieler gehört. Na, wie heißt er gleich... ehm... Namen vergessen.
9. Was hast du Neues über (deine Schwester) gelernt?
Sophia kann alles. Essen. Reden. Essen. Bei mir geht immer nur eins.
10. Das Beste an diesem Essen...
Avocado-Champignon-Tatar. (Also für die Zukunft: Wenn irgendwo Tatar angeboten wird, in welcher Form auch immer, so wird das immer das Beste an dem Essen gegewesen sein!)
11. Möchtest du noch etwas sagen?
Daniel Brühl!
1. Sophia, erzähl von deinem Tag.
Samstag! Wochenende! Endlich mal so richtig abhängen, die Seele baumeln lassen, Jogginghosen tragen und auf Flohmärkten abhängen. Nicht! Pünktlich um 10 Uhr hocke ich im Büro und kloppe auf die Tastatur ein. Während sich Maria heute auf dem Sofa wundliegt und das Kätzchen streichelt, rast mein Tag in stressiger Ereignislosigkeit dahin. Highlights: Der nasenlose Hund hat mir heute Morgen ins Gesicht gepupst, in dem Hipster-Café neben meinem Büro haben sie es endlich geschafft, den Flat White mit Sojamilch zuzubereiten, und die Börekstange vom Billigbäcker zum Mittag war überraschend gut! Irgendwie fühlt sich das heute wie Dienstag an. Das macht aber gar nichts, denn so ein Dienstag kann ja auch ganz schön sein. Ich wundere mich nur, wieso der Bus heute ewig nicht kommt – ist doch mitten in der Woche!?
2. Wo habt ihr heute gegessen?
In der Bar Raval in der Lübbener Straße.
3. Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Tapas, Baby! Bring immer ran, das gute Zeug. Wie so oft lautet der Auftrag an die Küche: Macht doch, was ihr wollt! Beinahe im Sekundentakt werden die Leckereien an unseren Tisch gebracht, wir kommen wirklich kaum mit dem Essen hinterher. Wir starten vegetarisch mit Kürbiskroketten (nicht so meins), Tomate-Avocado-Champignon-Tatar (geil), Auberginentempura (herrlich!), gebackenem Ziegenkäse mit Honig und Kräutern (der Himmel!) und natürlich gibt's auch Pimentos de Padron (da will ich mich reinlegen!). Danach landen Jakobsmuscheln im Speckmantel auf Blumenkohlpüree (butterzart, ich bin Fan!) und Tintenfisch im Teigmantel (endlich mal Sepia, der nicht nach Gummi schmeckt) auf unserem Tisch. Fleisch gibt es auch: Die Schulter vom Schwein ist halb roh und treibt mir vor Freude fast Tränen in die Augen. Dazu trinken wir spanischen Wein und zum Nachtisch gibt es Lavacake mit Vanilleeis (unglaublich!). Als das große Fressen vorbei ist, bedanken wir uns freundlich, sagen, dass wir ab jetzt privat hier sind, und bestellen noch ein paar Lieblingsmenschen in die Bar Raval. Ja, so gut war es da.
4. Wie ist der Service dort?
Charmant-ruppig ohne großes Geschleime. Das Essen wird uns gerne mal mit dem Kommentar "Ich mag Auberginen ja nicht, aber die sind lecker" an den Tisch gebracht. Wir mögen den grummeligen Herren sofort und sind froh, einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Auch zu allen anderen Gästen ist der Service durchweg freundlich, nicht übertrieben anbiedernd oder aufdringlich. Super!
5. Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?
Was von außen zunächst etwas abgefuckt anmutet (also ich mag es ja ein bisschen abgefuckt), stellt sich drinnen als erstaunlich hippe, moderne, aber nicht überkandidelte Bar heraus. Die Atmosphäre ist angenehm, an allen Tischen wird geschnattert und Wein getrunken. Wir machen es uns direkt neben der offenen Küche gemütlich. Wie in einem wunderschönen Food-Terrarium wuseln die Köche hinter einer riesigen Glasscheibe rum und bereiten die Speisen zu. Maria tauscht sehnsüchtige Blicke mit dem Küchenpersonal aus, ich mache das gleiche mit der Speisekarte. Offene Küchen sind immer super.
6. Wie würdest du die Menschen in dem Laden beschreiben?
Na sach mal, der Typen am Nebentisch is doch ein Freund von uns! Ach, die ja auch! Ganz offensichtlich ist dieser Ort extrem beliebt bei Leuten, die wir kennen. Das ist eine nette Überraschung und auch ein bisschen merkwürdig, denn jetzt gucken natürlich alle dabei zu, wie wir beim Essen fotografiert werden. Fast nicht peinlich. Sonst ist das Publikum hier eher gemischt: Touristen treffen auf Familien, welche Schulter an Schulter mit Hipstern an der Bar hocken. Wir haben ein bisschen das Gefühl, dass die meisten Leute mehr trinken, als essen, und lange bleiben. Ist halt auch einfach richtig krass gemütlich hier!
7. Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen und warum?
Sharing is caring – Tapas muss man teilen! Wer nicht teilen kann und außerdem etwas gegen Knoblauch hat: Bitte bleibt zuhause und nervt eure Mitmenschen nicht mit der Ansage, dass ihr ja nicht teilen könnt und Knoblauch stinkt. Teilen ist spitze und Knoblauch riecht fantastisch.
8. Worüber habt ihr gesprochen?
Dies und das und das und jenes. Über Knoblauch im Essen und darüber, dass Maria Jakobsmuscheln nicht mag. Außerdem wundern wir uns darüber, dass die Leute an den anderen Tischen viel mehr trinken als wir. Irgendwann fällt uns dann aber doch auf, dass heute Samstag ist. #KLUK
9. Was hast du Neues über (deine Schwester) gelernt?
Maria ist jetzt Food-Stylistin.
10. Das Beste an diesem Essen...
Pimentos de Padron!
11. Möchtest du noch etwas sagen?
Die Magendecke spannt, im Kopf dreht sich alles, es ist superspät und wir hocken noch immer hier. Kinder, das heißt doch was! Knoblauchkussi an die Bar Raval.
Beim letzten Mal waren die Zwillinge im Kimchi Princess essen. Alle Folgen 40 DAYS OF EATING gibt es hier.
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Location: Bar Raval, Lübbener Straße 1, 10997 Berlin
Fotos: Alice Epp
Text: Maria und Sophia Giesecke
Mit freundlicher Unterstützung von Fissler