Mit Tomatensoße und Kartoffelbrei? Warum die "Letzte Generation" ihre Ziele so verfehlt

© Sammlung Hasso Plattner

Es ist gewiss nicht leicht, sich in Zeiten wie diesen – in denen einfach von allem zu viel gleichzeitig passiert – Gehör zu verschaffen. Am schwierigsten scheint es, die Politik dazu zu bewegen, endlich den Klimaschutz ernst zu nehmen – und noch wichtiger: endlich zu handeln. Das größte Problem, das wie ein Damokles-Schwert über allem schwebt, ist nämlich, dass uns die Zeit davon läuft. Es ist nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf. Und deshalb ist es auch absolut legitim, seinem Unmut und Ärger Ausdruck zu verleihen. Einzufordern, dass etwas passiert. Demonstrieren zu gehen. Protest zu üben. Die Frage ist nur, auf welche Art und Weise wir das tun.

In den vergangenen Wochen kam es zu etlichen Lebensmittel-Attacken, bei denen wahlweise Tomatensoße, Torte oder Kartoffelbrei als Wurfgeschosse zum Einsatz kamen. Allerdings richteten diese sich nicht gegen Menschen, wie einst noch gegen Helmut Kohl oder Theodor zu Guttenberg, nein – das Essen flog mit voller Wucht auf Kunstwerke in Museen statt in Gesichter. Auf jahrhundertalte Gemälde, die sich nicht mal ducken können. Der jüngste Fall hat sich gerade erst am Sonntag im Museum Barberini in Potsdam zugetragen.

Was können die Gemälde dafür?

Zwei Aktivist*innen der Gruppe der "Letzten Generation", die aktuell unter anderem auch für zahlreiche Straßenblockaden verantwortlich ist, hatten das berühmte Gemälde "Getreideschober" aus dem Jahr 1890 von Claude Monet mit Kartoffelbrei attackiert. Ähnliches war ein paar Tage zuvor bereits in der National Gallery in London passiert, wo Aktivist*innen der Gruppe "Just Stop Oil" ein berühmtes Sonnenblumen-Gemälde von Vincent van Gogh mit Tomatensuppe beschmierten.

Es sind mutwillige Aktionen, mit denen die Protestierenden auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam machen wollen. Die Aktivist*innen prangern die Massenvernichtung von Lebensmitteln an, fordern eine Kehrtwende in der Klimapolitik, ein Tempolimit oder eine Drosselung des CO₂-Ausstoßes. Zu Recht. Aber was zum Henker können die betroffenen Gemälde dafür, dass unser Planet vor die Hunde geht?

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Man kann nur von Glück im Unglück sprechen, dass es in beiden Fällen zu keinen weiteren Schäden gekommen ist, weil die Bilder hinter Glas geschützt waren. Ganz ehrlich: Das ist doch trotzdem scheiße. Und wenig zielführend noch dazu. Es macht mich wütend, wie diese Aktionen gerechtfertigt werden, indem die Verantwortlichen immer wieder künstlich einen Gegensatz konstruieren, den es so gar nicht gibt.

Sie spielen die Kultur permanent gegen die Natur aus, indem sie alle Kunst zu kapitalistischem Übel degradieren. In ihrem Denksystem darf man Kunst demnach zerstören, um die Natur zu retten. Daran ist aber alles einfach nur falsch. Die Gruppe zeigt durch ihre Taten nicht nur unserer gesamten Kulturgeschichte den Mittelfinger, nein, sie hat sich offenbar auch niemals mit Monet und seiner Beziehung zur Natur auseinandergesetzt. Denn dann wüssten sie, dass er sie verehrte und all seine Inspiration aus ihr gezogen hat.

Kartoffelbrei vor Klimakatastrophe

Und dennoch, die "Die letzte Generation" ist sich der Macht der Bilder bewusst – und zwar in zweierlei Hinsicht. Sie wissen um die Strahlkraft der Gemälde Monets oder van Goghs, aber noch viel besser wie sie diese für ihre selbst produzierten Bilder nutzen können. Die Videoclips der Kartoffelbrei-Attacke waren in den Netzwerken in Sekundenschnelle verbreitet – da war der Kartoffelbrei vom Gemälde noch nicht mal entfernt. So läuft das nun mal heutzutage. Und somit ist ihnen zumindest eines gelungen: Die Aktion hat weltweit Aufmerksamkeit bekommen. Nur bin ich der Meinung, dass die Aufmerksamkeit auf die falsche Sache gelenkt wurde.

Was haben all die Aktionen der letzten Wochen und Tage denn gebracht? Wo haben sie uns in Sachen Klimaschutz auch nur einen Millimeter weitergebracht? Das Gegenteil ist der Fall. Die Menschen sind stattdessen empört, sie ärgern sich über die jungen Leute, prangern ihre Respektlosigkeit an, die Alten haben nichts weiter als Verachtung für sie übrig. Im Fokus steht überall nur der Kartoffelbrei, der Tabubruch, den sie begangen haben, nicht aber die Klimakatastrophe. Das Ergebnis ist, dass wir uns als Gesellschaft durch solche Taten voneinander distanzieren – und das ist bei unserem gemeinsamen Ziel, das wir verfolgen müssen, genau der falsche Weg.

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