Diese 11 Filme solltet ihr bei der 72. Berlinale auf keinen Fall verpassen
Nach einem zweigeteilten Festival im vergangenen Jahr und der ersten Sommer-Berlinale jemals finden die Internationalen Filmfestspiele Berlin dank eines ordentlichen Hygienekonzepts dieses Jahr als Präsenzveranstaltung statt. Vom 10. bis zum 20. Februar verwandelt sich die Stadt wieder in den feuchten Traum eines*r jeden Filminteressierten. Es wird prominente Gäste, zahlreiche Weltpremieren und natürlich den ein oder anderen Bären geben. Insgesamt werden rund 400 Filme aller Genres und Formate in den verschiedenen Sektionen gezeigt.
Den Auftakt macht am Donnerstagabend im Berlinale Palast François Ozons Adaption von Rainer Werner Fassbinders Die bitteren Tränen der Petra von Kant "Peter von Kant". Daneben gibt Ulrich Seidl den Zuschauer*innen Einblick in das Leben eines ausgedienten Schlagerstars in "Rimini", in "Call Jane" wird die Abtreibungspolitik in den USA in den 1970er Jahren thematisiert und in "A E I O U - Das schnelle Alphabet der Liebe" erlebt ihr eine ganz bezaubernde Liebesgeschichte zwischen einem Taschendieb und einer älteren Dame.
Das gesamte Programm der diesjährigen Berlinale findet ihr hier. Tickets können nur online gekauft werden, außerdem gilt im Kinosaal die 2G+-Regel und dauerhafte FFP2-Maskenpflicht, damit sich alle sicher fühlen können. Wir können euch diese elf Filme wärmstens empfehlen:
1. Les passagers de la nuit
Am Wahlabend im Paris des Jahres 1981 herrscht überall euphorische Aufbruchsstimmung. Überall? Nicht ganz, denn während sich große Teile des Landes nach der Zukunft sehnen, sitzt Élizabeth (Charlotte Gainsbourg) mit ihren eigenen Problemen zu Hause. Ihr Ehe droht zu zerbrechen, doch für sich und ihre Kinder will sie die Familie zusammenhalten. Unter dieser Last und von einer unaussprechlichen Leere getragen, sucht sie nach einem Ausweg. Sie schreibt ihrem Lieblingsmoderator einen Liebesbrief, lässt ein obdachloses Mädchen bei sich übernachten und dabei spürt sie, wie sich ihr Leben verändert. Auf welche Weise es Élizabeth gelingt, ihre Leere mit Liebe zu füllen und welche alltäglichen Momente des Familienlebens eben doch ganz besondere sind, an die wir uns alle zurückerinnern werden, zeigt Mikhaël Hers in seinem einfühlsamen Film "Les passagers de la nuit".
Les passagers de la nuit | 111 Minuten | Termine und Tickets
2. Keiko, me wo sumasete (Small, Slow but Steady)
Keiko ist Profiboxerin. Ihr Ziel ist es, die Beste zu werden. Doch auch wenn Keikos Wille stark ist, stellt der Sport die junge Boxerin aufgrund eines angeborenen Hörschadens vor große Herausforderungen. Was hilft? Ein Verein, den sie ihr Zuhause nennen kann und ein Klubpräsident, der sie ernst nimmt. Nachdem Keiko zwei wichtige Kämpfe gewonnen hat und sich auf ihren nächsten vorbereiten muss, tauchen jedoch Probleme auf. Ihrem Klub droht die Schließung und ihr Patron verliert das Augenlicht. Auf sich allein gestellt lernt die Boxerin nun, was ihre größte Herausforderung und Stärke zugleich ist: ihr Kampfgeist. Dieser Film erzählt in leisen Bildern und mit wenigen Worten eine ausdrucksstarke Charakterstudie und erörtert die Frage nach Willensstärke.
Keiko, me wo sumasete (Small, Slow but Steady) | 99 Minuten | Termine und Tickets
3. Gangubai Kathiawadi
Vom eigenen Ehemann verraten: Nachdem ihr Zukünftiger Ganga verspricht, sie zu einem Filmstar zu machen, verkauft er sie stattdessen in ein Bordell in Kamathipura, in den 1950er Jahren der größte Rotlichtbezirk Indiens. Auch wenn Ganga zunächst keinen Ausweg sieht und ihr Wille nicht gerade sanft gebrochen wird, glaubt sie daran, sich von ihrem Schicksal befreien zu können – und sie soll Recht behalten. Sie schafft es, sich zur gefürchteten Gangubai – der Beschützerin der Prostituierten – zu entwickeln, verbündet sich mit der Mafia und kämpft als erste Frau für die Rechte von Sexarbeiterinnen und ihren Kindern. Kann sie ihre Forderungen im indischen Patriarchat durchsetzen? Diese ergreifende und außergewöhnliche Geschichte basiert auf dem Buch "Mafia Queens of Mumbai" des indischen Schriftstellers S. Hussain Zaidi.
Gangubai Kathiawadi | 152 Minuten | Termine und Tickets
4. Call Jane
Nachdem uns vor zwei Jahren auf der 70. Berlinale der Film "Never, Rarely, Sometimes, Always" fassungslos und tief berührt zurückgelassen hat, schicken die USA in diesem Jahr erneut einen Film in den Wettbewerb, der sich mit der Abtreibungspolitik in den USA auseinandersetzt. "Call Jane" handelt von Joy (Elizabeth Banks), einer Hausfrau und Mutter, deren Leben durch eine ungeplante Schwangerschaft gefährdet ist – deswegen möchte sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Das Problem: Joy lebt in den 1960er Jahren, einer Zeit, in der Schwangerschaftsabbrüche gesetzlich verboten sind. Joys Schicksal scheint besiegelt, doch dann trifft sie auf eine Gruppe von Frauen, die sich im Geheimen organisieren, um Frauen wie Joy, Frauen, die ihr Leben selbstbestimmt leben wollen, dabei zu unterstützen, ihr Leben frei zu gestalten. Joy findet in dieser Gruppe nicht nur Hilfe, sondern beginnt auch selbst, andere Frauen zu unterstützen und ihnen beizustehen.
Call Jane | 121 Minuten | Termine und Tickets
5. Rimini
Ulrich Seidls neuester Streich: Der Mann, der uns die "Paradies"-Trilogie schenkte, fährt auch bei seinem neuen Film "Rimini" mit menschlichen Abgründen, Tristesse und einem Schimmer von Romantik auf. Richie Bravo findet sich schon ziemlich gut. Er ist ein erfolgreicher Schlagerstar in Rimini, hat Geld, Einfluss und Frauen – zumindest glaubt er all das zu haben. Der Tod seiner Mutter bringt den abgehalfterten Schlagersänger zurück in die Heimat. Statt der großen Bühne und jungen Groupies, zwängt er seinen dicken Bauch auch hier jeden Abend aufs Neue in sein Show-Outfit, um in Hotellobbys aufzutreten. The show must go on. Und so sucht er weiter nach Frauen, nach ihrem Geld, nach Anerkennung und auch ein bisschen Liebe und Zuneigung? Auch wenn einem erst mal alles zuwider ist und man den Protagonisten nur schwerlich sympathisch finden kann, schafft es Seidl, eine Verbindung, Nähe und ein bisschen Romantik in die Szenerie zu bringen.
Rimini | 114 Minuten | Termine und Tickets
6. A E I O U - Das schnelle Alphabet der Liebe
Kann eine ehrliche und leichtfüßige Liebe zwischen einem 17-Jährigen (Milan Herms) und seiner Sprachcoachin (Sophie Rois) entstehen? Noch dazu, wenn dieser junge Außenseiter kurz zuvor ihre Handtasche in der Fußgängerzone geklaut hat? Nicolette Krebitz' beweist in ihrem Film "A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe" mit welcher Leichtigkeit die Liebe manchmal einhergeht. Früher war die 60-jährige Anna Schauspielerin, doch als es mit ihrer Karriere zu Ende ging, beginnt sie widerwillig dem 17-jährigen Adrian dabei zu helfen, an seiner Sprachstörung zu arbeiten. Dieser Film erzählt von einer unmöglichen Liebe und vom alten Westberlin und das so warmherzig, humorvoll und ganz und gar bezaubernd, dass wir diesen Film wirklich alle sehen sollten.
A E I O U - Das schnelle Alphabet der Liebe | 104 Minuten | Termine und Tickets
7. Good Luck to You, Leo Grande
Nancy (Emma Thompson) ist 55 Jahre alt, Lehrerin im Ruhestand, Witwe und hatte noch nie in ihrem Leben einen Orgasmus. Zwar war ihre Ehe stabil und unaufgeregt, doch leider galt das auch für ihr Sexleben. Nach dem Tod ihres Mannes, der übrigens der einzige Mann ist, mit dem sie je intim geworden ist, will Nancy es nun doch wissen. Wie das ist, wirklich erregt zu sein, Lust zu empfinden, einen Orgasmus zu haben. Gut, dass es Menschen gibt, die vom Fach sind und körperliche Liebe mit Erfolgsgarantie anbieten. Nancy lädt sich nach einigen Überlegungen den Sexarbeiter Leo Grande ein, doch selbst dann machen es gesellschaftliche Konventionen und das eigene Schamgefühl ihr fast unmöglich, sich auf das Experiment einzulassen. Ein ausgezeichnetes Kammerspiel, das mit gnadenlosem Witz die Prüderie der britischen Gesellschaft spiegelt und gleichzeitig ein Loblied auf die freie Sexualität singt.
Good Luck to You, Leo Grande | 97 Minuten | Termine und Tickets
8. À propos de Joan
In "À propos de Joan" wird die Geschichte der erfolgreichen Verlegerin Joan Verra erzählt, die sowohl privat als auch beruflich unabhängig ist. Traumähnlich erzählt die Protagonistin von ihrem Leben. Wie sie als junge Frau ihre erste Liebe in Irland traf. Wie sie in Frankreich den gemeinsamen Sohn dieser Verbindung alleine großzieht. Wie sie allmählich zu der selbstbewussten und erfolgreichen Frau wird, die sie jetzt ist. Es beginnt eine fragmentarische Reise durch das Erinnerungs-Cluster einer erwachsenen Frau, das sich zwischen Abschieden und Wiedersehen gleichermaßen bewegt wie zwischen Sehnsucht und Schmerz. In den Hauptrollen sehen wir Lars Eidinger und Isabelle Huppert, die mit diesem Film einmal mehr beweist, dass sie den diesjährigen goldenen Ehrenbären mehr als verdient hat.
À propos de Joan | 101 Minuten | Termine und Tickets
9. Der Passfälscher
Cioma Schönhaus ist Jude, lebt in Nazi-Deutschland und hat ein besonderes Talent, das es ihm ermöglicht, den Behörden ein Schnippchen zu schlagen: Cioma ist ein begnadeter Pass- und Dokumentefälscher. Statt vor der Nazidiktatur zu fliehen, schafft er es mit Einfallsreichtum und viel Charme sich und seine Freund*innen Det und Gerda vor der Deportation zu retten. Dank Ciomas Fähigkeiten schafft er es, echt Leben zu retten, doch es ist ein Spiel mit dem Feuer. Basierend auf einer wahren Geschichte erzählt Maggie Peren einen kraftvollen Film und bringt dafür unter anderem mit Louis Hofmann, Luna Wendler und Jonathan Berlin ein geniales Schauspieler*innen-Ensemble zusammen.
Der Passfälscher | 116 Minuten | Termine und Tickets
10. Peter von Kant
Dass Einfluss und Macht nicht nur darüber bestimmen, wer oder was erfolgreich ist, wissen wir leider alle. Dass damit auch Machtmissbrauch und Unterdrückung einhergehen, thematisiert die Adaption von Fassbinders "Die bitteren Tränen der Petra von Kant": "Peter von Kant". Peter von Kant ist ein erfolgreicher Filmregisseur, der zwar mit seinem Assistenten Karl zusammenlebt, ihn allerdings wo es nur geht misshandelt und demütigt. Als Peter den jungen Amir kennenlernt, ist es dann um ihn geschehen. Er verliebt sich sofort in ihn – und nutzt seine guten Kontakte, um Amir an ihn zu binden. Doch anders als bei Karl geht Peters Rechnung nicht auf. Amir lässt sich nicht von ihm unterdrücken und an sich binden, denn sobald der ihm versprochene Erfolg einsetzt, verlässt Amir Peter und überlässt ihn seinem eigenen Schicksal. Ein spannender Kommentar, der mit viel satirischem Humor die Filmbranche, ihre abstrusen Machtverhältnisse und das Image der Filmstars belächelt.
Peter von Kant | 84 Minuten | Termine und Tickets
11. Viens je t'emmène (Nobody's Hero)
Französischer, schwarzer Humor gepaart mit der notwendigen Ernsthaftigkeit par excellence: Médéric ist ein sympathischer Normalo Mitte 30, der sich in die wesentlich ältere und noch dazu verheiratete Sexarbeiterin Isadora verliebt. Doch als die beiden gerade im Hotel ihr Liebesabenteuer starten wollen, wird ihre Stadt von einem Terroranschlag erschüttert – an Romantik ist nun nicht mehr zu denken. Kurz darauf lernt Médéric den jungen arabisch-stämmigen Sélim kennen und bietet ihm nicht nur Obdach, sondern auch etwas Geld an. Plötzlich beschleicht ihn allerdings der Gedanke, dass Sélim etwas mit dem Anschlag zu tun hat und er ruft die Polizei. Diese trifft in etwa zur gleichen Zeit an Ort und Stelle ein wie Isadoras Ehemann, der die Situation so gar nicht komisch findet. Es entsteht ein chaotisches Zusammenspiel einer unmöglichen Liebe, gesellschaftlicher Paranoia und Solidarität, das ganz nonchalant gewaltige Themen wie Körperbilder, Sexualität und Religion aufgreift.
Viens je t'emmène (Nobody's Hero) | 100 Minuten | Termine und Tickets