Warum Limoncello Spritz mein Sommerdrink des Jahres ist

Den ersten Limoncello dieses Sommers habe ich kurz vor Mitternacht mit den Betreibern eines italienischen Restaurants in Schöneberg getrunken. Es war ein herrlicher Abend, einer dieser ersten Sommerabende Ende Mai oder Anfang Juni und somit ja in diesem Sommer auch einer der Abende, an denen man zum ersten Mal überhaupt wieder vor einem Restaurant sitzen konnte. Nach so vielen Monaten, in denen wir uns nur auf Bildschirmen begegnet waren, saßen wir auf einmal wieder alle an einem Tisch – es war euphorisch und aufregend und einfach schön.

Ein paar Wochen später: Ein heißer Nachmittag an einem von den richtig guten Tagen, an denen sich Berlin auch wie Urlaub in Italien anfühlen kann, wenn man nur früh genug den ersten kühlen Drink in der Hand hat. Ich saß mit einem Freund, den ich länger nicht gesehen hatte, auf dem Bürgersteig vor einer unserer Lieblingsbars. Wir dachten gerade laut darüber nach, trotz der recht frühen Uhrzeit ein weiteres Getränk zu bestellen, da prophezeite mir mein Freund auf einmal: "Pass auf, Limoncello Spritz wird dieses Jahr der Sommerdrink."

Sonne im Glas

Wenn dramatische Gesten mein Ding wären, wäre mir in diesem Moment wohl mein Aperolglas aus der Hand gefallen – ich hab die Regeln nicht gemacht, wir wissen doch alle, wer die offizielle Rangliste der sommerlichen Spaßgetränke seit Jahren anführt.

Ich erzählte von meinem Limoncello-Moment beim Italiener in Schöneberg und wir erinnerten uns gemeinsam daran, wie wir vor ein paar Jahren mit Freund*innen auf den Treppen der Piazzale Michelangelo saßen, vor uns Florenz und der Sonnenuntergang, herumgereicht wurde eine Flasche Limoncello und es war ein wunderbarer Abend, vielleicht sogar der schönste in den gesamten vier Wochen, die wir in diesem Sommer in Italien verbracht hatten.

© Marit Blossey | Luca Brötz

Die Zutatenliste ist beim Limoncello überschaubar: Zitronen, Alkohol, Zucker. Ich kenne mich mit dem Verfahren nicht aus, aber würde mal vermuten, dass es nicht allzu schwer ist, ihn herzustellen. Gibt man dann Prosecco, Eis und vielleicht ein bisschen Soda dazu, verlängert man das Gefühl, das ein hausgemachter Limoncello nach dem Abendessen in einer italienischen Trattoria auslöst – sommerliche Leichtigkeit, alles wird sehr süß und ein bisschen zitronig-bitter, schon allein die knallig gelbe Farbe des Getränks macht gute Laune.

Gibt man Prosecco, Eis und vielleicht ein bisschen Soda dazu, verlängert man das Gefühl, das ein hausgemachter Limoncello nach dem Abendessen in einer italienischen Trattoria auslöst – sommerliche Leichtigkeit, alles wird sehr süß und ein bisschen zitronig-bitter, schon allein die knallig gelbe Farbe des Getränks macht gute Laune.

Limoncello verbinde ich mit italienischer Gastfreundschaft, mit Holztischen und karierten Tischdecken, mit warmen Treppenstufen in der Dämmerung und dem Gefühl, sich an der Pizza ein wenig den Gaumen verbrannt zu haben. Die Kreuzberger Bar, vor der wir jetzt saßen, konnte mit nichts davon dienen, aber mein Freund erwähnte, er habe zufällig gerade eine Flasche Limoncello zu Hause.

Wir zahlten, kauften beim Späti eine Flasche Prosecco, und ein paar Minuten später standen wir in seiner Küche und probierten uns am richtigen Mischverhältnis von Prosecco, Zitronenlikör und Eis. Die Flasche stehe schon seit ein paar Monaten hier, erzählte mein Freund jetzt. Er war irgendwann im Lockdown beim italienischen Feinkostladen und musste sie mitnehmen – wegen Italien-Sehnsucht, klar, und vielleicht auch ein bisschen aus Sentimentalität, weil Abende wie der in Florenz damals so unendlich weit weg waren.

© Marit Blossey | Insa Grüning

Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limoncello Spritz draus

Jetzt ist dieser seltsame Sommer fast vorbei, und mein Freund hat Recht behalten: Der Limoncello hat mich begleitet. Die Flasche aus seiner Küche ist längst leer, weil unsere Limoncello-Spritz-Dates zu einer kleinen, unregelmäßigen Tradition geworden sind.

Im Juli habe ich ihn in Wien getrunken, mit Freund*innen, die ich nach über einem Jahr wiedergesehen habe und auch dieser Abend war wundervoll, obwohl es auf einmal orkanartig anfing zu stürmen. "Wenn das Leben dir Zitronen gibt…", witzelte einer von uns dann, mit seinem zitronengelben Spritzglas in der Hand. Auch wenn diese alte "Weisheit" natürlich unfassbar abgedroschen ist, passt sie irgendwie ja auch perfekt zu diesem Sommer. Zu diesem Sommer, zu diesem Jahr, zu diesem "Normalzustand" inmitten einer globalen Pandemie, in der wir einfach immer wieder versuchen müssen, hier in diesem Moment mal kurz das Beste draus zu machen. Also auch dann, wenn sich der Berliner Sommer Ende August mit 15 Grad und Regen zu verabschieden droht: Limoncello Spritz ist nämlich, um einen meiner Wiener Freunde ein weiteres Mal zu zitieren: "Sonne im Glas".

Lieber Aperol Spritz, du musst jetzt ganz stark sein, aber ich glaube, es ist erstmal vorbei mit uns. Zumindest brauche ich eine kleine Pause. Ja, der Limoncello Spritz ist mein Drink des Sommers 2021 – weil er nach früher schmeckt und sich gleichzeitig ungewohnt und neu anfühlt. So wie fast alles andere in diesem Sommer.

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