Testen bis der Arzt kommt: Kann das Konzept der Fusion funktionieren?

© Insa Grüning

Während in den letzten Wochen so ziemlich jedes große Mainstream-Festival ihr diesjähriges Event abgesagt hat, kommen aus dem Nordosten der Republik andere Töne: Eine Fusion 2021 ist möglich – und zwar mit einer ausgearbeiteten Teststrategie! Mit dieser Nachricht sind die kreativen Köpfe des multikulturellen Musikfestivals vor wenigen Tagen an die Öffentlichkeit getreten – und die erwarteten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten:

Die am Abgrund stehende Kunst- und Kulturszene schwankt zwischen Zustimmung und Unglauben, die Allgemeinheit schwankt wie immer und selbst die hinterletzte Dorfzeitung berichtet über ein Event, das sie nicht einmal vom Hörensagen kennt. Dass das Ganze ein gefundenes Fressen für Internet-Trolle ist, sollte jedem*r klar sein. Was jedoch nicht jedem*r klar ist: Dieses Experiment ist längst überfällig!

Fusion Festival 2018
© Insa Grüning

Seit einem knappen Jahr steht die Welt still – und mit ihr die Kunst- und Kulturszene. Hinter ebendieser stehen viele Menschen, die seitdem keinen Job, kein Einkommen, kaum Perspektive und im Gegensatz dazu ordentlich die Schnauze voll haben. Schnelltests sind im Mainstream, also bei LIDL, angekommen, Geschäfte dürfen nach und nach zumindest teilweise wieder öffnen, eine Impfstrategie ist entwickelt.

Was allerdings immer noch fehlt, ist ein Konzept für Massenveranstaltungen, beispielsweise in der Musikszene – und die Big Player haben sich mit den Absagen ihrer Festivals (mit denen sie jahrelang Geld gescheffelt haben) ja fein aus der Affäre gezogen. Niemand will die Verantwortung übernehmen, wenn sich vor Ort tatsächlich Menschen anstecken sollten. Niemand will das Geld bezahlen, dass das Hygienekonzept und die dementsprechenden Vorbereitungen vor Ort kosten würden. Niemand – außer einem alternativen Event in der mecklenburgischen Provinz.

© Charlott Tornow

Natürlich ist ein gewisses Maß an Chaos vor Ort vorhersehbar. Klar, dass die Trennung von Camping- und Festivalgelände und die Tests (an den vier Festivaltagen sollen Besucher*innen und Mitarbeiter*innen minimum zwei PCR-Tests abgeben) schon bei der Anreise für lange, wahrscheinlich sehr lange Wartezeiten führen werden. Und selbstverständlich wird es auch einen Corona-Fall auf dem Gelände geben und die Medien diesen Ort daraufhin als hedonistischen Humbug verfluchen. Wie sollte es auch anders sein?

Die Sache ist einfach die, dass wir seit Monaten ständig wechselnde Regelungen haben, die uns verwirren und abgesehen von wenigen Ausnahmen keine Perspektiven für die Zukunft liefern. In diesem Fall ist es ja egal, ob dieses Experiment der Fusion stattfindet, oder? Bleibt ja sowieso alles wie gehabt...oder nicht? Große Events mit vielen Menschen können uns allerdings auch Aufschlüsse darüber geben, wie es weitergeht und die vielleicht sogar in unserem Alltag mit Corona anwendbar sind.

Um herauszufinden, ob "normales" Leben auch mit diesem Virus möglich ist, brauchen wir ebendieses durchdachte Experiment. Dass es an einem Ort stattfindet, der sich schon vor Jahren bewusst von der spießigen Masse abgegrenzt hat, zeigt nur, dass die Allgemeinheit die Verantwortung lieber abschiebt, als sich ihr anzunehmen...

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