11 Bücher, die ihr 2021 unbedingt lesen solltet

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Ich weiß nicht, wie es euch (er)geht, aber so einen antriebslosen und tristen Start wie dieses Jahr, habe ich nur selten erlebt. Seit Monaten hangeln wir uns von Lockdown zu Lockdown,  Tag ein Tag aus (bis auf wenige Ausnahmen) hören wir die immer gleichen Hiobsbotschaften, Stillstand ist längst zur neuen Normalität geworden. Das macht müde. Da wir uns diesem Zustand aber momentan nicht entziehen können, sondern ihn aushalten müssen, sollten wir zumindest so gut es geht dafür sorgen, uns Abwechslung und Ablenkung nach Hause zu holen.

Das geht zum Beispiel ganz wunderbar mit Büchern, die wie kaum ein anderes Medium in der Lage sind, uns in neue Welten zu entführen, die uns in ihren Bann ziehen und schlussendlich eben auch den nötigen Abstand zum aktuellen Weltgeschehen herstellen können. Neuen Input haben wir alle gerade bitter nötig, glaubt mir. Egal, für welches Genre euer Herz schlägt, ob ihr lieber Romane, Essays oder Thriller verschlingt, diese 11 Bücher solltet ihr 2021 auf dem Radar haben. Ich hoffe, es ist auch etwas Passendes für euch dabei.

"Schreibtisch mit Aussicht": Ilka Piepgras

Jede*r, der*die (regelmäßig) selbst schreibt – ob beruflich oder privat –, weiß, dass es manchmal gar nicht so leicht ist, die richtigen Worte für das zu finden, was einem im Kopf herumschwirrt. Schreiben ist harte Arbeit und erfordert wahnsinnig hohe Konzentration – ganz gleich, welches Geschlecht der*die Autor*in hat. Doch gerade Werkstattberichte von Frauen, die ehrlich und offen über ihren Schreibprozess und ihren weiblichen Schöpfergeist sprechen, sind bislang tatsächlich rar. Das will ZEITmagazin-Redakteurin Ilka Piepgras ändern und hat deshalb den wirklich tollen Band "Schreibtisch mit Aussicht" herausgebracht, in dem ziemlich viele tolle Autorinnen – von Siri Hustvedt über Sibylle Berg und Zadie Smith bis hin zu Antonia Baum – von ihrem Alltag, ihren Motivationen und Kämpfen mit dem Schreiben erzählen. Große Empfehlung!

"Schreibtisch mit Aussicht" von Ilka Piepgras | 288 Seiten | erschienen bei KEIN & ABER | Mehr Info

Ilka Piepgras, Schreibtisch mit Aussicht, Cho Nam-Joo, Kim Jiyoung, Geboren 1982
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"Kim Jiyoung, Geboren 1982": Cho Nam-joo

"Kim Jiyoung, Geboren 1982“ von Cho Nam-joo ist längst ein Weltbesteller geworden. Über 2 Millionen Exemplare des Romans haben sich weltweit bereits verkauft und in Korea, der Heimat der Autorin, sogar Massenproteste ausgelöst. Die Autorin erzählt die Geschichte von Kim Jiyoung, einer Mitdreißigerin, die mit ihrem Mann und Baby am Rande der Metropole Seoul lebt. Für ihre Tochter hat sie ihren Job aufgegeben – ganz so, wie es in Korea von einer guten Mutter erwartet wird. Doch Kim kommt nicht mit ihrer neuen Rolle und den Ansprüchen, die an sie gestellt werden, klar. Das Resultat ist eine große Lebenskrise und eine daraus resultierende Psychose. Ihr Mann schickt sie zum Psychiater, der Kim spiegelt, dass Unterwerfung, Überwachung und Alltagssexismus in einer von Männern dominierten Welt zum Alltag einer koreanischen Frau gehören. Kims schmerzhafte Erkenntnis steht exemplarisch für so viele Frauen überall auf dieser Welt, die unterdrückt und fremdbestimmt leben müssen. Ein wichtiges feministisches Werk, das im Februar endlich auch in Deutschland erscheint.

"Kim Jiyoung, Geboren 1982" von Cho Nam-joo | 208 Seiten | erscheint am 11. Februar 2021 im KiWi Verlag | Mehr Info

"Ein bisschen schlechter": Michel Houellebecq

Der französische Bestseller-Autor Michel Houellebecq hat Ende 2020 den streitbaren und schon viel kritisierten Band "Ein bisschen schlechter" vorgelegt, der Interviews, Gespräche und Essays aus den vergangenen 17 Jahren versammelt. Darin thematisiert Houellebecq, den Thea Dorn im Literarischen Quartett kürzlich so passend als "Provokationsmaschine" betitelte, eine große Bandbreite aktueller ideologischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, die von Trump über Sterbehilfe und Katholizismus bis hin zu Tierschutz und Islamismus diskutieren. Was man auch von Houellebecqs zum Teil kruden Aussagen und durchaus reaktionären Meinungen, die von Trump-Verherrlichung, der Ablehnung parlamentarischer Demokratie oder der Verharmlosung von fundamentalistischer Radikalisierung reichen, halten mag, so zeigen diese Essays doch die großen ideologischen Konflikte und Streitpunkte der Gegenwart. Ein Buch, dass keinesfalls dazu auffordert, Houellebecqs Haltungen hinzunehmen, aber umso mehr, um durch seine Provokationen in die eigene Reflexion und Abgrenzung zu gehen. Keine Schonkost also, aber eine Aufforderung zur kritischen und an vielen Stellen anstrengenden Auseinandersetzung. Wer hat die Kraft dafür?

"Ein bisschen schlechter" von Michel Houellebecq | 200 Seiten | erschienen im Dumont Verlag | Mehr Info

© Dumont | KEIN & ABER

"Schau mich an": Elif Shafak

Wie fühlt es sich an, wenn man aufgrund seines Aussehens, seiner Figur oder anderer Körpermerkmale von anderen Menschen in der Öffentlichkeit angeschaut wird? Dieser Frage geht Spiegel-Bestsellerautorin Elif Shafak in ihrem neuen Buch "Schau mich an" nach. Es geht um eine Frau und ihren Geliebten. Sie ist dick, er ist klein. Beide ziehen permanent die wertenden Blicke der anderen auf sich. Wenn sie sich als Paar zeigen, kommt es vor, dass sie verspottet, mindestens aber belächelt werden. Am Beispiel der beiden Protagonist*innen ihres Romans erkundet Shafak zeitweise auf sehr amüsante Art und Weise, zugleich aber auch tiefgreifend über mehrere Jahrhunderte hinweg, was es eigentlich bedeutet, verletzenden Blicke ausgesetzt zu sein und von anderen verurteilt zu werden. Ein Buch über Diskriminierung und Ausgrenzung, über Schönheit und Hässlichkeit, über Essstörungen und übers Sehen sowie Gesehenwerden, wie die Autorin sagt. Ein Thema, das so alt ist wie die Menschheit selbst und wir deshalb alle unbedingt in diesem Jahr lesen sollten.

"Schau mich an" von Elif Shafak | 397 Seiten | erschienen bei KEIN & ABER | Mehr Info

"Love Addict": Kate Davies

"Love Addict“ von Kate Davies ist eines dieser Bücher, das man als neugieriger und leicht voyeuristisch veranlagter Mensch sofort lesen möchte. Und weil es jede Menge Humor verspricht, den wir aktuell so sehr vermissen. Im Fokus der Liebeskomödie, die mir von einer Freundin empfohlen wurde, steht die 26-jährige Londonerin Julia, die unglücklich im Job ist, ihrer verpatzten Tanzkarriere nachtrauert und zudem seit Jahren schlechten Sex mit Männern hat. Bis sie dann Sam kennenlernt und das erste Mal mit einer Frau schläft. Und jetzt wird’s spannend: Sam ist Künstlerin, kann mit Monogamie so gar nichts anfangen und besucht regelmäßig Sexclubs. Kurzum: Sie bringt Schwung in Julias eintöniges Leben. Julia erlebt, was es bedeutet, Orgasmen zu haben, lernt am laufenden Band interessante Menschen kennen und platzt vor Energie. Doch sie bemerkt nicht, welche gefährliche Wendung ihre Beziehung zu Sam nach und nach einschlägt. Davies Geschichte regt zum Nachdenken über Liebe, über guten und schlechten Sex an, aber auch darüber, wie schnell man in ungesunde Abhängigkeiten geraten kann. Letztendlich demonstriert der Roman aber eine Entwicklung hin zur Selbstfindung und das ist am Ende eigentlich immer der richtige Weg. Ist bestellt!

"Love Addict" von Kate Davies | 512 Seiten | erschienen bei S. Fischer Verlage | Mehr Info

Kate Davis, Love Addict, Hegameh Yaghoobifarah, Ministerium der Träume
© S. Fischer Verlage | © Aufbau Verlag

"Ministerium der Träume": Hengameh Yaghoobifarah

Journalistin und taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah veröffentlicht im Februar ihren erstem Roman, auf den ich mich persönlich schon sehr freue. Im Mittelpunkt der Handlung steht Nas, an deren Tür plötzlich Polizeibeamte klingeln, um ihr mitzuteilen, dass ihre Schwester Nushin tot ist. Nas ist überzeugt: Ihre Schwester hat sich umgebracht. Sie beginnt zu erzählen, was sie gemeinsam mit ihr erlebt hat: Migration nach Deutschland, Verlust des Vaters, eine emotional abwesende Mutter, die ungeplante Schwangerschaft von Nushin. Da war offenbar viel, was die beiden verbunden hat. Doch Nas entdeckt, dass ihre Schwester auch Geheimnisse vor ihr hatte. Es gab also auch Trennendes, das bisher im Verborgenen lag. Nas begibt sich auf die Suche nach der Geschichte ihrer Schwester und nimmt ihre Nichte bei sich auf, obwohl ein Kind bisher eigentlich nicht in ihrem Leben vorgesehen war. Vorbestellen!

"Ministerium der Träume" von Hengameh Yaghoobifarah | 384 Seiten | erscheint am 15. Februar 2021 im Aufbau Verlag | Mehr Info

"Ungebunden": Malin Lindroth

Malin Lindroths Buch "Ungebunden“ ist schon im Oktober vergangenen Jahres erschienen und ein Must Read für Alleinstehende, die keine Lust mehr haben, sich für ihr Singledasein vor anderen rechtfertigen zu müssen. Aber noch mal von vorn: In ihrem Essay beschreibt die schwedische Autorin Malin Lindroth, wie ihr Liebesleben bisher verlaufen ist. Mit Anfang 20 führte sie mal eine "normale" Beziehung – was auch immer das heißen mag. Jedenfalls hat sie mit ihrem Freund zusammengewohnt. Doch die Beziehung der beiden geht in die Brüche, nach vier Jahren trennt sich Lindroth von ihrem Freund – in der Annahme, dass die nächste Beziehung schon kommen wird. Doch sie kommt nicht. 30 Jahre später ist sie immer noch allein und fragt sich, was da eigentlich in ihrem Leben schief gelaufen ist. Ihren Weg durch ein eigentlich lange nicht vorhandenes Liebesleben erzählt Lindroth mal sehr unterhaltsam, dann wieder sehr schmerzvoll. Das eigentlich Erschütternde ist aber, dass sie sich ständig für diesen Umstand rechtfertigen muss. Das Buch hinterfragt, wie unsere Gesellschaft mit Alleinstehenden heutzutage umgeht und zeigt, wie schwierig es mitunter sein kann, zu diesem Lebensmodell zu stehen. Das Vorwort der deutschen Übersetzung hat übrigens die wunderbare Teresa Bücker geschrieben. Lesenswert!

"Ungebunden" von Malin Lindroth | 112 Seiten | erschienen im Piper Verlag | Mehr Info

"Body Politics": Melodie Michelberger

Frauen sollen dem gängigen Schönheitsideal sprechen, aber bitte nicht zu individuell sein. Wenn Frauen dem Ideal nicht entsprechen, dann sollen sich aber trotzdem selbst lieben. Frauen sollen dies, Frauen sollen das. Über Jahrhunderte hinweg wurde das weibliche Schönheitsideal durch einen, guess what, männlichen Blick geprägt. Es sind oft Männer gewesen, die definieren, was attraktiv ist und was nicht. Es ist sicherlich nicht anmaßend zu sagen, dass der Druck auf Frauen nie höher war als heute. Aktivistin und Feministin Melodie Michelberger, die einigen von euch vielleicht durch ihre wichtige Arbeit auf Instagram bekannt ist, hat nun ein Buch über dieses Dilemma geschrieben, in dem hauptsächlich Frauen stecken. In "Body Politics" fragt Michelberger, ob wir eigentlich verlernt haben, unsere Körper zu akzeptieren und dankbar für das zu sein, was sie täglich leisten? Und sie fragt berechtigterweise, wem es eigentlich nützt, wenn wir Frauen uns nicht hübsch und attraktiv genug fühlen? Das Buch ist eine leidenschaftliche Aufforderung, Feminismus endlich zu leben und gegen traditionelle und längst überkommene Schönheitsideale zu rebellieren. Es wird nämlich höchste Zeit, dass Schönheit diverser wird und dass wir jeden Körper, egal welche Form er hat, akzeptieren. 

"Body Politics" von Melodie Michelberger | 224 Seiten | erscheint am 20. Januar 2021 bei Rowohlt | Mehr Info

"Die Stille": Don DeLillo

Kurz bevor das Coronavirus sich im vergangenen Jahr zu einer weltweiten Pandemie ausbreitete, hat Autor Don DeLillo die Arbeit an seinem neuesten Roman abgeschlossen. "Die Stille" heißt sein Werk, das wirklich verblüffende Parallelen zur aktuellen Situation zeigt. Worum geht's? Der Plot spielt im Jahr 2022 in New York. Der Super Bowl steht bevor. Fünf Freund*innen wollen sich das Großereignis gemeinsam im Fernsehen anschauen. Während drei von ihnen noch auf die letzten beiden warten, die sich gerade auf dem Rückflug von Paris befinden, brechen plötzlich sämtliche digitale Verbindungen ab. Alle Bildschirme sind schwarz. Stille. Kurze Zeit später treffen die Freund*innen nach einem dramatischen Flug zum Glück unversehrt bei ihnen ein. Was war passiert? Ein langes Gespräch beginnt. Verwunderung, Erschütterung, Mutmaßungen – es folgen etliche Versuche das rätselhafte Geschehen von vorhin zu erklären. Die Clique gerät dabei in eine Spirale, in der sie das Wesen der menschlichen Existenz und das der Zeit zu ergründen versuchen. Don DeLillo reflektiert sehr feinfühlig, aber trotzdem fantasievoll und in geschliffen scharfer Sprache das Weltgeschehen. Lesetipp!

"Die Stille"von Don DeLillo | 112 Seiten | erschienen im KiWi Verlag | Mehr Info

Don DeLIllo, Die Stille, Nick Kolakowski, Love and Bullets, Thriller
© KiWi Verlag | © Suhrkamp

"Love & Bullets": Nick Kolakowski

Wenn ihr Lust habt, mal wieder einen richtig guten Thriller zu lesen, empfehle ich euch "Love & Bullets" von Nick Kolakowski, der bei Suhrkamp erschienen ist. Ihr lernt Bill kennen. Bill ist Dandy und Gauner zugleich, denn er kann es einfach nicht lassen, zu stehlen und ist in allerhand Betrügereien verwickelt. Teure Autos, Uhren und Designerklamotten kosten nun mal eine Stange Geld. Gewalttätig wird er allerdings nie. Und dann gibt es da noch Fiona. Fiona hat im Gegensatz zu Bill kein Problem mit Gewalt und wirkt ziemlich taff und definitiv robuster als Bill. Unterschiede ziehen sich ja bekanntlich an und so mimen die beiden das perfekte Liebespaar. Als Bill sich von New Yorker Gangstern ein paar Millionen borgt, gibt es plötzlich Probleme. Das Paar muss  fliehen und macht fortan dem legendären Gangster-Paar Bonnie und Clyde Konkurrenz. Auf ihrer Flucht passieren sie amerikanische Provinzen, in denen sie auf bizarre Sheriffs treffen, flüchten in die Karibik, wo man sich bekanntlich niemals sicher fühlen sollte und kommen wieder zurück nach New York, wo die Gangster, von denen Bill sich die Kohle geliehen hatte, schon warten. Tja, wie kommen die beiden aus dieser Nummer wohl wieder heraus? Gönnt euch das Ding, es macht einfach nur Spaß zu lesen.

"Love & Bullets" von Nick Kolakowski | 423 Seiten | erschienen bei Suhrkamp | Mehr Info

"Komplett Gänsehaut": Sophie Passmann

Zum Schluss habe ich noch einen vielversprechenden Lesetipp für euch. Sophie Passmann veröffentlicht nach ihrem Bestseller "Alte, weiße Männer" 2021 ihr neues Buch "Komplett Gänsehaut". Wie gut ist bitte dieser Titel? Anders als in ihrem ersten Werk, ist dieses keine Abrechnung mit der Männerwelt, sondern eine mit dem "unerträglichen Habitus einer Bürgerlichkeit, durch die sie selbst geprägt wurde", verrät der KiWi Verlag. Passmann verhandelt darin einen Topos, der so vielen ihrer Generation, aber nicht nur dieser, bekannt vorkommen wird. Bloß nicht so werden, wie die anderen. Bloß nicht so werden, wie man vielleicht schon geworden ist? Und so teilt Passmann bekanntlich ohne Zurückhaltung aus, am meisten in diesem Fall gegen sich selbst und ihresgleichen. Gegen die hedonistische Generation, von der sie ein Teil ist. "Dies ist kein Memoir, kein Roman, keine Biographie, es ist: literarischer Selbsthass. Das finden Sie anmaßend? Genau das ist es und genau das will Sophie Passmann: sich anmaßen, das zu tun, was sie tun möchte. Komplett Gänsehaut einfach." Dürft ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen – und wir auch nicht!

"Komplett Gänsehaut" von Sophie Passmann | 192 Seiten | erscheint am 04. März 2021 im KiWi Verlag | Mehr Info

Sophie Passmann, Komplett Gänsehaut
© KiWi Verlag
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