Warum Dark alle anderen Serien für mich verdorben hat

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Spoilerwarnung: Dieser Text enthält ein paar grundlegende Spoiler zur Serie Dark – wenn ihr grob wisst, um welche Themen es bei Dark geht oder schon die erste Staffel gesehen habt, könnt ihr aber problemlos weiterlesen. Staffel 3 wird nicht gespoilert!

Eine Welt, in der Tik Tok das Maß aller Dinge ist, in der man gleichzeitig eine Serie schaut, auf Instagram abhängt und dabei noch das Zimmer aufräumt, in der ein Rap-Song kürzer als drei Minuten sein muss, um zu trenden und Kurzweiligkeit unser höchstes Gut zu sein scheint, kam plötzlich die beste Netflix-Serie aller Zeiten und hat dem stumpfen Konsum den Kampf angesagt. Wobei – kann man es wirklich eine Kampfansage nennen, wenn alle anderen ohne Chance auf Gegenwehr nach drei Staffeln k.o. gehen?

Plötzlich schaltet sich durch das abendliche Seriengucken mein Hirn nicht mehr ab, sondern an.

Dabei scheint der Plot zunächst ganz schön simpel: Eine düstere Kleinstadt in Deutschland, verzwickte Familiensituationen, ein Junge verschwindet mitten in der Nacht und die Stadt steht Kopf. Na gut, klingt erstmal so, als könnte ich mir das auch zur Primetime im ZDF anschauen. Aber der Eindruck täuscht – denn Dark ist wie nichts, was wir sonst vorgesetzt bekommen. Egal, ob aus Deutschland oder den Tiefen von Netflix, Amazon und Co. Dark ist neue Hochkultur, Hochkultur für die breite Masse.

Denn die Netflix-Serie stellt unseren Konsum grundsätzlich in Frage: Plötzlich schaltet sich durch das abendliche Seriengucken mein Hirn nicht mehr ab, sondern an. Plötzlich stehen nicht nur die Figuren selbst in bester Geheimagent-Manie vor einem fadendurchkreuzten Netz an der Wand, sondern wir zu Hause auch. Wir malen Stammbäume, diskutieren Theorien, pausieren eine einzige Folge immer und immer wieder, nur weil wir irgendwie verstehen wollen, was die genialen Köpfe Baran bo Odar und Jantje Friese sich bei all dem gedacht haben. Dark zu schauen, fühlt sich manchmal mehr an wie wissenschaftliche Arbeit als pures Freizeitvergnügen, aber genau das ist auch so faszinierend: Wir wollen forschen, wir wollen verstehen, wir wollen mehr. Und wir bekommen so viel mehr, dass unsere restliche Watchlist auf einmal ziemlich uninspiriert erscheint.

Wovon andere Serien nur träumen können

Manch ein*e Produzent*in würde wohl von dem Konzept der Zeitreise ganz schön profitieren, wenn mal wieder versucht wird, Handlungen im Nachhinein irgendwie an die vergangenen Staffeln anzupassen. Stattdessen folgt die Produktion viel zu oft nicht der Logik der Geschichte, sondern den Regeln von Budgets und Vertragsverlängerungen. Figuren werden erst zu Ende gedacht, wenn ihr Ende naht und viel zu oft enden weltweit gefeierte Serienspektakel in tiefer Enttäuschung. Ja, ich meine dich, Daenerys Targaryen! 

Eine Serie, die mit komplizierten Physiktheorien nur so um sich wirft, schreit förmlich danach, die eigenen Logikfehler in monatelang recherchierten YouTube-Videos von Hardcore-Fans um die Ohren geworfen zu bekommen.

Das alles ist Dark nicht passiert. Und vielleicht spinnt sich genau deshalb der dunkle Hype gerade um den Erdball so wie die dunkle Kugel sich um unsere Lieblingsfiguren spinnt, wenn sie wieder in ungeahnte Zeiten aufbrechen. Eine Serie, die mit komplizierten Physiktheorien nur so um sich wirft, schreit förmlich danach, die eigenen Logikfehler in monatelang recherchierten YouTube-Videos von Hardcore-Fans um die Ohren geworfen zu bekommen. Aber: Nichts da. Auf Reddit, auf Twitter, auf YouTube, ja selbst unter Kritiker*innen, die mit harter Kritik ihr Brot verdienen, bleibt nur eins: Applaus. Für den Mut, etwas Besonderes zu erschaffen.

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Dass so eine Produktion dann auch noch aus Good Old Germany kommt, hätte wohl niemand für möglich gehalten. Bei Rotten Tomatoes zur besten Serie gewählt und auf Twitter am trenden, als gäbe es weder Pandemie noch Donald Trump. Da bleibt einem die zehnte Tatort-Wiederholung doch beinahe im Halse stecken.

Mein Hirn scheint von diesem plötzlichen Konsum-Umschwung auch ganz schön überrascht zu sein – denn nach ein paar Folgen Dark hintereinander ist mir im Traum plötzlich mein Zukunfts-Ich erschienen, kein Scherz. Moment – mein Zukunfts-Ich oder war es vielleicht doch Caro aus dem Paralleluniversum? Wir werden sehen. Heute habe ich die übliche Netflix-Mail bekommen, die mich immer erwartet, wenn ich eine Serie durchgeschaut habe: "Dark ist zu Ende. Mal sehen, was wir noch für Sie haben." Danke Netflix, aber besser wird's nicht mehr. Denn Dark und ich, wir passen perfekt zusammen. Glaube nie etwas anderes. 

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