Stadt fragt Stadt #2: Köln, wieso trinkt ihr euer Bier aus Reagenzgläsern?

Mit Vergnügen gibt es in vier schönen Städten Deutschlands: Berlin, Hamburg, München und Köln. Wir Redakteur*innen sprechen via unserer digitalen Endgeräte beinahe jeden Tag und trotzdem bemerken wir immer wieder, dass wir die Eigenarten der einzelnen Städte gar nicht so gut kennen! Was bedeutet in Köln eigentlich Fründe? Was macht man, wenn man in Hamburg keine Fischbrötchen mag? Wieso ist Bier in Bayern ein Grundnahrungsmittel und wer hat eigentlich den Pfeffi erfunden, liebe Berliner*innen? Jede Woche könnt ihr jetzt unsere Antworten dazu lesen bei "Stadt fragt Stadt".

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Wieso wir unser Kölsch aus kleinen Gläsern trinken? Gegenfrage: Macht Bier trinken wirklich noch Spaß, wenn man sich beim Glasheben wie beim Bizepstraining fühlt? Na gut, ich weiß: Selbst die Münchner*innen trinken ihr Bier nicht ganzjährig im Liter-Format und die meisten Deutschen würden sich wohl auf ein großes Bier im halben Liter und ein kleines im 0,3-Glas einigen. Verständlich, dass unser 200 Milliliter großer Kölsch-Schluck da schon mal für Verwirrung sorgen kann. 

Es gibt aber nicht eine Antwort auf diese Frage – es gibt unzählige. Die wichtigste ist wohl die bier-wissenschaftliche: Unsere Gläser, die übrigens eigentlich Stangen heißen, sind deshalb so klein, weil der Bierschaum von unserem geliebten Kölsch nicht super ausdauernd ist und sich im schmalen Glas besser hält. Außerdem hat Kölsch einen vergleichsweise geringen CO2-Gehalt: Kommt es also in der Stange mit weniger Luft in Kontakt als in einem großen Bierglas, wird es nicht so schnell schal. Klingt logisch, oder? So viel dazu.

Es gibt nicht nur einen Grund – es gibt unzählige

Nun zu all den Erklärungen, die vielleicht nicht ausschlaggebend für die Entwicklung der Kölsch-Stange waren, aber in unserem Herzen noch viel mehr Sinn ergeben, wenn wir mal wieder anstoßen: 

Kommt man mit viel Kölsch-Durst in die Kneipe, heißt es auf jeden Fall: Ich nehm gleich zwei. Eins gegen den Durst und eins für danach. Und ist es nicht super cool, sich schon beim Reinkommen einfach zwei Bier auf einmal zu bestellen? Eben. Aber damit nicht genug: Man bekommt ständig frischgezapftes, kühles Bier zum Tisch gebracht – in den meisten Kneipen und Brauhäusern sogar ohne, dass man dafür irgendwie auf sich aufmerksam machen müsste.

Mehr noch, euer Kölsch wird ungefragt so oft erneuert, bis ihr es schafft, schnell euren Bierdeckel aufs Glas zu legen und so euer Kölsch-Ende zu signalisieren. Das ist echtes Commitment, oder? Außerdem ist so ein kleines Getränk auch viel günstiger – so lange, bis man am Ende des Abends merkt, dass man vergessen hat, richtig mitzuzählen und es doch nicht sieben, sondern eher siebzehn Kölsch waren.

Und schwupp, so gibt man auch schon mal allen Beteiligten ein Bierchen aus, ohne danach Privatinsolvenz anmelden zu müssen.

Die Vorteile der Kölsch-Stange sind damit aber noch nicht abgefrühstückt, denn wenn euch zum ersten Mal ein Kranz begegnet, merkt ihr, was echte Kölsche Design-Skills sind: In dieser Vorrichtung transportieren unsere Kellner – bitte nennt sie niemals wirklich so, ein Kellner heißt hier nämlich Köbes – elf oder mehr Kölsch auf einmal zum Tisch. Sich hart abschleppen und irgendwie ein volles Tablett zum Tisch balancieren? Nö!

Der Kranz erleichtert die Arbeit – übrigens auch, wenn man mal selbst zur Theke muss und alle drölfzehn Freund*innen plötzlich ein Kölsch mitgebracht bekommen wollen – und perfektioniert seine Funktionalität mit einem praktischen Tragegriff und 11 Auslassungen für die Gläser, damit auch nichts umkippen kann. Und schwupp, so gibt man auch schon mal allen Beteiligten ein Bierchen aus, ohne danach Privatinsolvenz anmelden zu müssen. Kölsch verbindet!

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Irgendwie passt das kleine Bier aber auch zur Kölschen Mentalität. Wenn ihr euch mal eine unserer liebsten Karnevals-Hymnen „Drink doch ene met“ anhört, versteht ihr schnell – vielleicht mit dieser Kölsch-Hochdeutsch-Übersetzung, dass Kölner*innen ein sehr geselliges Völkchen sind, die sich nur zu gern, noch schnell zu einem Kölsch überreden lassen und es genauso gern fremden Menschen ungefragt vor die Nase stellen. Vielleicht ja auch, weil so ein kleines, süßes Kölsch eben immer noch rein geht. 

Wenn ihr so viel Kölsch-Liebe bis hierhin ertragen habt, wird’s jetzt noch absolut mindblowing: Die Stange ist nämlich nicht das kleinste Format, in dem unser Bier über die Theke geht. Wir können auch 0,1 – so viel geht ins Stößchen. Darauf greifen aber meistens nicht die Menschen vor, sondern hinter der Theke zurück, wenn sie die hundertste Runde des Abends mittrinken dürfen. Sollte es euch mal in die schönste Stadt am Rhein verschlagen, hier noch ein letzter Tipp: Bestellt Kölsch, kein Bier. Und auch kein kleines Kölsch, schon gar kein großes Kölsch, bestellt einfach ein Kölsch. Ihr werdet es nicht bereuen.

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Titelbild: © Unsplash | Claudio Schwarz | Jonas Tebbe | Philipp Bachhuber | Glenn Carstens-Peters

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