Alleine im Kreißsaal? Schwanger in Zeiten der Corona-Krise

Tanja (31 Jahre alt). Foto: © privat

Eigentlich läuft bei Tanja alles nach Plan: Sie ist glücklich verheiratet, im achten Monat schwanger und freut sich schon sehr auf ihr erstes Baby – ein Mädchen. In ein paar Wochen wird Tanja hoffentlich ihr gesundes Kind in den Armen halten. Die Geburt ihrer Tochter könnte allerdings anders ablaufen, als sie es sich vorgestellt hat: Viele Krankenhäuser verbieten aufgrund der Corona-Krise, dass der Partner oder eine andere Person bei der Entbindung im Kreissaal dabei ist – oder es ist zum jetzigen Zeitpunkt unsicher.

Darf der Partner noch mit zu den Voruntersuchungen?

"Wir hatten Mitte März die dritte Ultraschalluntersuchung. Zu dieser Zeit gab es noch keine Ausgangsbeschränkungen in Berlin. Da wir bisher auch immer zu zweit zu den Untersuchungen gegangen sind, haben mein Mann und ich das an diesem Tag auch so gemacht und sind nicht davon ausgegangen, dass das ein Problem sein könnte. Als wir dann in die Praxis kamen, wurde uns mitgeteilt, dass ab sofort nur noch Schwangerschaftstermine oder Notfälle behandelt werden – nur noch ohne Begleitperson", erzählt Tanja.

Für die 31-Jährige und ihren Mann ist das also der letzte Vorsorgetermin, den sie gemeinsam wahrnehmen können. Kurz nach diesem Besuch werden die Richtlinien und Maßnahmen in den ambulanten Praxen immer schärfer: Plexiglasscheiben an der Rezeption, klare Mindestabstandregelungen, das dauerhafte Tragen eines Mundschutzes, maximal drei Patient*innen gleichzeitig in der Praxis.

"Vor ein paar Wochen habe ich im Wartezimmer noch mit zehn anderen Frauen und deren Begleitpersonen gesessen. Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar, dass wir drei Ultraschalluntersuchungen zusammen machen konnten, denn es sind unbeschreiblich besondere Momente, die ich wirklich gerne mit meinem Mann geteilt habe."

Der Moment, als wir das Geschlecht erfahren haben und auch das gemeinsame Aufatmen bei der Feindiagnostik-Untersuchung, dass mit dem Baby alles gut ist, sind Momente, bei denen ich meinen Mann wirklich nicht missen wollen würde.
Tanja mit ihrem Mann Thomas. Foto: © privat

So schnell, wie sich die Bedingungen in den Frauenarztpraxen ändern, so schnell können sich auch die Bedingungen in den Kliniken ändern. In einem Krankenhaus in München ist es aktuell zum Beispiel erlaubt, dass der Partner oder eine Begleitperson bei der Geburt dabei ist, aber danach dürfen Mutter und Kind keinen Besuch mehr empfangen, bis zur Entlassung.

In der Klinik, in der Tanja entbinden möchte ist es ähnlich: "Wir haben keinen Plan B – sondern eine bestimmte Klinik, in der wir uns angemeldet haben und in der ich entbinden möchte. Wie auch immer die Umstände Ende Mai bei unserer Geburt dann sein werden, bin ich nach wie vor im Vertrauen, dass alles gut wird und wir ein gesundes Baby bekommen. Ob die Zahlen der Corona-Infizierten bis zur Geburt weiter ansteigen werden und sich dadurch die Situation in den Kliniken verschärfen wird, kann ja leider niemand voraussagen. Deshalb hilft es mir persönlich schonmal allen Umständen zuzustimmen. Denn die äußeren Umstände kann ich in diesem Fall sowieso nicht ändern, sondern nur meine innere Einstellung. Natürlich versetzt mich der Gedanke, alleine und mit Schmerzen im Kreißsaal zu sein, ohne die Unterstützung meines Mannes, in Unmut. Aber ich weiß, auch das würde ich meistern."

Ich bin mir sicher, dass unser Baby auch in dieser Zeit sicher und mit ärztlicher Betreuung zur Welt kommen wird.

Tanja möchte sich bei der Geburt ihres Kindes alle möglichen Optionen offen halten: Ob es eine Wassergeburt, ein Kaiserschnitt oder eine Geburt mit oder ohne Schmerzmittel wird – sie möchte in dem Moment entscheiden, was ihr und ihrem Baby gut tut und, was die richtigen Schritte sind. Dabei wäre es für sie aber das größte Geschenk, ihren Mann dabei zu haben:"Ich weiß, allein seine Anwesenheit würde mich beruhigen und mir Sicherheit geben". 

Auch die Situation nach der Geburt bürgt in der jetzigen Lage einige Fragen. Tanja hat in ihrer Wochenbettbetreuung auf die Unterstützung einer Hebamme gesetzt. Aktuell hat ihre Hebamme ihre Termine auf das Nötigste heruntergeschraubt, aber kann ihre Patientinnen noch besuchen: "Wie die Situation in ein paar Wochen sein wird, bleibt dann natürlich auch offen. Ich bin froh, dass ich im Notfall Freundinnen habe, die auch schon Kinder haben, bei denen ich mich bei Fragen und Sorgen jederzeit melden kann und auch meine Mutter wird mir mit Rat und Tat zur Seite stehen, falls die Wochenbettbetreuung durch die Hebamme ausfallen sollte".

Angst vor der Geburt?

Gedanken, in denen sie auch mal Angst habe, wenn sie an die bevorstehende Geburt denkt, hat Tanja auf jeden Fall. Mit dem Gedanken alleine zu gebären, hat sie sich vor der Corona-Krise nie beschäftigt, da für sie immer klar war, dass ihr Mann sie auf jeden Fall bei der Geburt begleiten wird. "Auch die quälende Ungewissheit, wie sich die Situation in den Kliniken, mit dem medizinischen Personal und dessen Auslastung entwickeln wird, kann niemand vorhersagen. Ich habe das Glück, dass mein Mann erfolgreicher Trainer für Persönlichkeitsentwicklung ist und mir dadurch schnell helfen kann, mich aus einem negativen Gedankenkarussell zu lösen. Durch Gespräche mit ihm komme ich schnell aus diesen Angstgedanken wieder heraus und male mir nicht panische Horror-Szenarien mit allen möglichen Details, was alles in ein paar Wochen sein könnte, aus", erzählt Tanja.

Sie versucht stattdessen drauf "einfach" abzuwarten: "Das Einzige, was ich jetzt tun kann, ist abzuwarten und mir und dem Baby im Bauch trotz aller jetzigen Umstände eine genussvolle Zeit zu gönnen, um dem Baby einen möglichst guten Start ins Leben zu ermöglichen. Und wie es dann sein wird, bleibt offen. Mein größter Wunsch ist, dass unser Baby gesund auf die Welt kommt und mein Mann und ich diesen besonderen Moment zusammen erleben dürfen".

Mit Unterstützung
Mit Vergnügen finanziert sich hauptsächlich durch Events und Werbung. Beides ist in den letzten Wochen stark zurückgegangen. Wenn du unsere Beiträge wertvoll findest und die Möglichkeit hast, uns zu unterstützen, freuen wir uns über eine Spende über Paypal.

Zurück zur Startseite