"Was, wenn es nicht mehr normal wird?" – Wie Corona mir Zukunftsangst macht

© Thiago Barletta | Unsplash

Es fühlt sich ja schon fast wieder an, wie vorher. Vor der Krise. Vor Corona. Die Menschen cornern auf den Straßen, die Geschäfte und Cafés sind geöffnet, Leute tummeln sich in Parks und Kneipen. Man könnte meinen, wir sind wieder da, wo wir waren. Und doch fühlt es sich eben nicht so an: normal.

Wir begrüßen uns winkend, statt uns betrunken in den Armen zu liegen. Wir sitzen im Stuhlkreis, laufen mit wachsamen Augen durch den Park und registrieren jede Gruppe, die doch "wirklich nicht nur zwei Haushalte" groß ist. Auch wenn die deutsche Wirtschaft alles ankurbelt was geht, fühlt es sich anders an. Falsch und anstrengend.

Ich schwanke ständig zwischen dem Gefühl, etwas verboten zu bekommen oder etwas Verbotenes zu tun.

Entscheidungen fühlen sich nicht mehr einfach nur gut an, es sind immer Kompromisse. Ja, wir frühstücken zusammen. ABER nur draußen, nur zu zweit, nur wenn es nicht so voll ist, nur wenn der Service Masken trägt, nur nur nur....

Die Leichtigkeit des Lebens ist abhanden gekommen. Und in Momenten, in denen der Laptop aus ist und der Abspann der Netflix-Serie läuft, dann nagt der Gedanke an mir: "Was ist, wenn es nie wieder normal wird? Nie wieder leicht? Immer bei Abstand bleibt?"

Gewöhne ich mich daran? Nur noch Urlaub auf dem Land, statt in Städten zu machen? Meinen Geburtstag mit einer kleinen Runde zu feiern? Zu keinen großen Hochzeiten mehr eingeladen zu werden? Nicht mehr schwitzend mit einer Masse an Menschen auf einem Konzert zu hüpfen? Gemeinsam aus der gleichen Flasche trinken oder vom gleichen Teller essen?

Der Blick in die Zukunft

Ich habe immer gerne in die Zukunft geschaut. Zwar hatte ich nie einen konkreten Plan, weder für die nächsten fünf, noch für 30 Jahre, aber ich habe taggeträumt von anstehenden Urlauben, Feiern mit Freund*innen oder Dinner Dates. Sie waren meine kleinen Ziele, Stützpfeiler im Alltag.

Wenn ich jetzt in die Zukunft schaue, dann sehe ich nichts. Alles ist verschwommen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie unsere Zukunft aussieht. Wenn das Essentielle der Menschheit, das soziale Beisammensein, sich nicht wieder normalisiert. Kein Livestream, kein Videocall, kein Treffen auf Abstand kann das aufwiegen, was uns genommen wurde.

Die Suche nach der Lösung

Mir ist klar, dass weltweit mit Hochdruck an einer Lösung gearbeitet wird, um aus dieser Krise zu kommen. Impfmittel gehen in den Test, ebenso wie Medikamente. Doch was am Anfang der Krise noch das Ziel war: Wenn ein Impfstoff da ist, ist alles wieder gut – ist dann doch nicht mehr das Allheilmittel. Der Impfstoff müsste verteilt werden, ein großer Teil der Welt immun sein, damit es wirklich wieder "normal" ist, so wie vorher. Und wäre es das dann überhaupt?

Viele sagen: vielleicht ist es ganz gut, wenn es nicht mehr so ist wie vorher. Vielleicht verändert sich unsere Gesellschaft zum Guten. Vielleicht lernen wir das wertzuschätzen, was wirklich wichtig ist. Habe ich auch gedacht. Aber dann sehe ich Bilder von Demonstrationen, Hassnachrichten und Verschwörungstheorien in den sozialen Netzwerken und merke, dass die Menschheit wohl doch nicht so lernfähig ist – und sich gerade umso mehr spaltet. Dass Autos zu verkaufen und die Luftfahrt zu finanzieren wichtiger ist, als Kinder zu betreuen und Eltern zu entlasten.

Vielleicht ist es deswegen gerade ein innerlicher Wunsch, dass es doch bitte einfach wieder normal werden soll. Wie vorher. Denn da war nicht alles gut, aber es war gewohnt. Und dann können wir weitermachen, mit dem besser werden. Aber eine Krise – nein, die fühlt sich gerade nicht an, als ob sie das könnte.

Vor vier Jahren schrieb der Guardian: Hoffnung ist nicht, dass alles gut wird. Hoffnung ist das Unbekannte zu umarmen. Na dann komm her, Zukunft. Lass mich dich umarmen!

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