Selbstbestimmung vs. Ausgangssperre: Was uns Corona für die Klimakrise lehren sollte

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Klare Luft über Wuhan, ungestörte Schildkröten an den Stränden von Thailand und glasklares Wasser in den Kanälen von Venedig – solche Schlagzeilen haben die meisten von uns wohl in den letzten Wochen gelesen und sie sollten uns zu denken geben. Wir können uns für diese Schlagzeilen nämlich nicht auf die Schulter klopfen, weil wir durch den Stillstand der Welt ein bisschen Regenerationszeit für die Natur geschaffen haben. Diese Entwicklungen in der Natur waren überhaupt nicht unsere Intention – sie konnten erst auftreten, weil wir unser Verhalten so drastisch verändert haben, wie wir es uns nie hätten vorstellen können – und genau das ist unser Fehler. Wir müssen endlich wollen.

In den letzten Wochen haben wir ganz schön viel unfreiwillig verändert: Unsere Freunde und Familien nicht mehr gesehen, generell alle Pläne abgesagt, viel Rücksicht genommen, von zuhause aus gearbeitet und uns eingeschränkt, wo wir nur konnten. Warum? Weil wir mussten. Aber auch, weil uns der Ernst der Lage klar war und wir alle zusammen gegen die Ausbreitung des Virus kämpfen wollten. 

Im Gegensatz zu den aktuellen Regelungen der Regierung zur Coronakrise, die in Windeseile aufgestellt und durchgesetzt wurden, sind die Regeln für unsere Klimakrise entweder unbefriedigend oder gar nicht vorhanden.

Wenn ich mich so in der Gesellschaft umschaue, sieht es da in Bezug auf unsere Klimakrise ganz anders aus. Denn ja, auch das ist eine Krise. Eine Krise, die wir zusammen bekämpfen wollen? Bis auf ein paar Klimaleugner sind wir uns da zumindest alle einig. Eine Krise, deren Ernst uns bewusst ist? Da fängt es schon an, zu bröckeln. Und eine Krise, für die wir uns gerade einschränken müssen – ohne Alternative? Nein, ganz sicher nicht. Denn im Gegensatz zu den aktuellen Regelungen der Regierung zur Coronakrise, die in Windeseile aufgestellt und durchgesetzt wurden, sind die Regeln für unsere Klimakrise entweder unbefriedigend oder gar nicht vorhanden. 

Zwischen Staatsregeln und Freiheitsdrang

Eigentlich ist das ja zu befürworten, wenn wir mit weniger Staatsregeln auskommen. Freiheit und Selbstbestimmung sind wichtig und es lohnt sich, für sie zu kämpfen. Niemand will gerne gezwungen werden und wenn, dann nur mit gutem Grund – so wie jetzt. Weil durch die Klimakrise aber nicht akut die Krankenhäuser überfüllt sind, sondern eher auf lange Sicht Millionen von Menschen ihre Heimat verlieren, ist der Ernst der Lage manchen immer noch nicht bewusst.

Zwangsregelungen durch die Klimakrise? Völlig übertrieben!

Wenn die Grünen von fleischfreien Tagen sprechen, wenn kurze Städtetrips mit dem Flugzeug hinterfragt werden und die Erdbeeren erst gekauft werden sollen, wenn sie auch in Deutschland reif sind – nein, dann wollen sich viele nichts sagen lassen.

Zwangsregelungen durch die Klimakrise? Völlig übertrieben! „Ökodiktatur!“, schreien schon die Ersten. Eine Diktatur von alternativlosen Regeln – so fühlt es sich auch gerade an – gibt es aber erst, wenn es zu spät ist für den freiwilligen Weg: Und genau deshalb müssen wir nach Corona neu definieren, was „Einschränkung“ wirklich für uns bedeutet. Und wieviel Selbstbestimmung und Freiheit wir – selbstbestimmt! – abgeben können, für das Überleben unseres Planeten.

Die aktuelle Situation schränkt uns so sehr ein, dass wir uns hoffentlich noch eine ganze Weile daran erinnern werden.

Es scheint, als sei es für viele unangenehmer, sich eigene, moralische Regeln aufzustellen und das Verhalten eigenverantwortlich anzupassen als nun im Ernstfall einfach diesen krassen Regeln zu folgen. 

Aber auch wenn es bisher so war: Die aktuelle Situation schränkt uns so sehr ein, dass wir uns hoffentlich noch eine ganze Weile daran erinnern werden. Und dann vielleicht verinnerlichen, dass es mehr Spaß macht, seinen Fleischkonsum zu reduzieren, das Auto stehen zu lassen oder ein Meeting ins Internet zu verlegen, wenn man weiß, dass man die Entscheidung selbst in der Hand hat. 

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