11 Bücher, die ihr 2020 unbedingt lesen solltet

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2020 wird, literarisch gesehen, ein gutes Jahr, wenn man mal einen Blick auf die kürzlich veröffentlichten und die noch ausstehenden Neuerscheinungen wirft. Von großartigen Romandebüts, klugen Sachbüchern über die Herausforderungen unserer Zeit bis hin zu lehrreichen, historischen Romanen ist so ziemlich alles vertreten. Damit ihr dieses Jahr den Wald trotz lauter Bäumen noch seht, haben wir hier 11 spannende Bücher für euch, die ihr – unserer Meinung nach – 2020 unbedingt lesen solltet:

1. Ali Smith: Herbst

Die britische Autorin Ali Smith hat mit "Herbst" den ersten Romans ihres Jahreszeitenquartetts vorgelegt. Jeder Teil wird jeweils einer anderen Jahreszeit gewidmet sein. Den Anfang der Reihe macht eine Geschichte, die im (wie sollte es anders sein) Herbst des Jahres 2016 spielt. Die 30-jährige Protagonistin Elisabeth, besucht darin Daniel, ihren ehemaligen Nachbar, der inzwischen schon über 100 Jahre alt ist, in einem Krankenhaus. Als Kind hatte sie oft Zeit mit ihm verbracht und viel von ihm gelernt. Jetzt, da er alt und schwach ist, liest sie ihm vor und spricht mit ihm über die turbulenten Zeiten, die England erlebt. Ein paar Monate zuvor, im Juni 2016, hatte England in einem Referendum für den Brexit gestimmt. Im Herbst danach ist die Gesellschaft tief gespalten, Ängste vor einer ungewissen Zukunft machen sich breit. Diese Stimmungen nimmt Smith in ihrem Roman auf, folgt dabei aber weniger einer chronologischen Darstellung der Ereignisse, sondern nimmt das gefühlte Chaos und Wirrwarr, das überall herrscht, in ihrer Erzählweise auf. Ali Smith erzählt vom Altern, von Reichtum und Abschottung, aber auch von Werten und dem Faktor Zeit.

Buchcover von Ali Smith Herbst und Thomas Brussig Die Verwandelten
© Random House | © Wallstein Verlag

2. Thomas Brussig: Die Verwandelten (ab Februar 2020)

Der Schriftsteller und Drehbuchautor Thomas Brussig gehört zu den Klassikern, wenn man über die Wendeliteratur der 1990er Jahre spricht. Mit Romanen wie Helden wie wir (1995) oder Am kürzeren Ende der Sonnenallee (1999) wurde er bekannt. Mit letzterer nicht zuletzt, weil Leander Haußmann ihn verfilmte und ebenfalls 1999 auf die Kinoleinwand brachte. Nun bringt Brussig einen neuen, nun ja, ziemlich komischen Gesellschaftsroman heraus. In "Die Verwandelten"geht es um Fibi und Aram, die in einem öden Kaff namens Bräsenfelde leben. Doch dann passiert etwas Bahnbrechendes: Die beiden Jugendlichen verwandeln sich in der Waschanlage der örtlichen Tankstelle in Waschbären. Ja, richtig gelesen. Blödsinn ist hier augenscheinlich Realität geworden. Und die stellt das gesamte Dorf vor ein Rätsel. Was ist hier eigentlich los? Wie lässt sich das medizinisch erklären? Wer kann hier helfen? Geht das irgendwann wieder weg? Und wie kann man das alles möglichst lukrativ nutzen? Ein verrückt anmutender Roman, der dennoch viel über unsere gesellschaftliche Realität aussagt.

3. Franzi von Kempis: Anleitung zum Widerspruch

In Zeiten, in denen populistische Parolen wieder Aufwind erfahren, Verschwörungstheorien und Fake News in den sozialen Medien Kreise ziehen und wir uns noch immer mit sexistischen Sprüchen und Klimawandelleugner*innen konfrontiert sehen, kommt der Leitfaden von Franzi von Kempis genau richtig. In ihrem Buch, das im Herbst erschienen ist, trägt sie nämlich fundierte Argumente und gut recherchierte Fakten zusammen, die jede*r versteht und die uns dabei helfen sollen, in Diskussionen sicher, sachlich und vor allem auf Augenhöhe vor unserem Gegenüber auftreten zu können. "Anleitung zum Widerspruch" ist nicht nur der ideale Spickzettel, um zukünftig besser auf Unwahrheiten reagieren zu können, sondern auch ein drängender Aufruf, sich mutig und laut einzumischen, wenn uns Intoleranz in unserem Alltag begegnet. Ein Leitfaden, der in jedes Bücherregal gehört.

Franzi von Kempis, Anleitung zum Widerspruch | Paulina Czienskowski, Taubenleben Buchcover
© Mosaik Verlag | © Aufbau Verlag

4. Paulina Czienskowski: Taubenleben (ab 18. Februar 2020)

Die Berliner Autorin und freie Journalistin Paulina Czienskowski legt nach ihrem Erzählband "Manifest gegen die emotionale Verkümmerung" nun ihren ersten Debütroman vor. In "Taubenleben" erzählt sie die Geschichte der jungen Frau Lois, deren Leben nach einem One-Night-Stand samt ungeschütztem Sex ins Wanken gerät. Während sie auf das Ergebnis eines Bluttests wartet, ändert sich plötzlich alles. Sie hinterfragt das erste Mal in ihrem Leben ihre eigene Biographie, hadert mit ihrer Vergangenheit und beginnt zu zweifeln. Die Protagonistin durchlebt intensive Phasen der Einsamkeit und großer Nähe zugleich, sie liebt die Ekstase, ist dabei aber auch unglaublich sensibel. Lois sucht nach Liebe und Sinn, während sie ihren eigenen Lebensweg auf der Schwelle zum Erwachsenwerden finden will. Ob ihr das am Ende gelingt, könnt ihr ab dem 18. Februar in "Taubenleben" nachlesen.

5. Jonathan Safran Foer: Wir sind das Klima

Jonathan Safran Foer gehört derzeit zu den angesagtesten, amerikanischen Autoren. Seit mehreren Wochen befindet sich sein neuestes Werk "Wir sind das Klima" in den Bestseller-Listen. Ein Buch, das wie kein anderes die Herausforderungen unserer Zeit und ganz konkret des Jahres 2020 beleuchtet. Es geht um die Klimakrise, und darum wie wir dieser in Zukunft als Gemeinschaft begegnen können. Foer zeigt auf eine sehr persönliche, aber niemals wertende Art und Weise auf, was wir tun können, um den CO2- und Methangas-Ausstoß weltweit zu verringern. Er liefert praktische Lösungsansätze, die jeder*m Einzelnen von uns nicht viel abverlangen, aber in der Masse große Wirkungen haben werden. Eines der größten Probleme, das wir zu lösen haben, ist die Massentierhaltung. Was können wir dagegen tun, ohne radikal zu sein? Wie schaffen wir es, unsere lieb gewonnen Gewohnheiten zu durchbrechen? Die Antworten findet ihr in seinem Buch.

Buchcover, Jonathan Safran Foer, Wir sind das Klima und Doris Dörrie: Leben, Schreiben, Atmen
© KIWI Verlag | © Diogenes Verlag

6. Doris Dörrie: Leben, Schreiben, Atmen

Wie sehr uns das Schreiben beim Erleben, Verarbeiten und Sehen helfen kann, darüber hat die Autorin und Regisseurin Doris Dörrie jetzt ein ganzes Buch geschrieben. "Leben. Schreiben. Atmen" ist nicht nur ein Plädoyer, das eigene Leben bewusster wahrzunehmen, sondern auch als eine kreative Anleitung zu verstehen, wie autobiographisches Schreiben gelingen und jeder*m von uns helfen kann. Dörrie ist nämlich der Auffassung, dass jede*r Schreiben lernen kann und dass das Schreiben eine therapeutische Wirkung haben kann. Auch wenn man das Buch noch nicht einmal zu Ende gelesen hat: am liebsten will man sofort Stift und Papier zücken und loslegen.

7. Kübra Gümüşay: Sprache und Sein (ab 27. Januar 2020)

Kübra Gümüsay ist Journalistin, Feministin und Aktivistin. Sie setzt sich beispiellos für eine friedlichere und vor allem plurale Gesellschaft ein. Sie lebt und arbeitet in Hamburg und veröffentlicht Ende Januar ihr erstes Buch mit dem Titel "Sprache und Sein". Wer Gümüsays Texte kennt, der wird wissen, wie wundervoll und sensibel sie mit Sprache und Worten umgehen kann. Und genau darum soll es auch in diesem Buch gehen. Ausgehend von der Annahme, dass Sprache Realitäten schafft, geht die Autorin der Frage nach, wie unsere Sprache unser Denken und unser politisches Handeln beeinflusst, insbesondere in einer Welt, die sich zunehmend polarisiert. Ein spannender und wichtiger Beitrag, der auch als Appell an uns als Gesellschaft zu verstehen ist, auf Augenhöhe und ohne Hass miteinander zu diskutieren, und das Individuum Mensch dabei niemals aus den Augen zu verlieren. Pflichtlektüre!

Buchcover: Kübra Gümüşay: Sprache und Sein | Alina Bronsky: Der Zopf meiner Mutter
© Kiepenheuer & Witsch | © Hanser Berlin

8. Alina Bronsky: Der Zopf meiner Mutter

Alina Bronskys Roman "Der Zopf meiner Mutter" ist zwar schon 2019 erschienen, aber auch 2020 noch immer eine große Empfehlung wert. Die Geschichte handelt von einer russischen Familie, den Großeltern und ihrem Enkel Max, die als sogenannte Kontingentflüchtlinge in den 1990er Jahren nach Deutschland kommen. Angekommen in einem Flüchtlingsheim verwandelt sich die Großmutter in eine regelrechte Tyrannin. Sie ist rabiat, meckert permanent und raubt bald allen den letzten Nerv. Von ihrem Enkel Max hält sie auch nicht viel, sie beschimpft ihn ohne Unterlass. Doch Max scheint das alles nicht zu aus dem Gleichgewicht zu bringen. Im Gegenteil, scheint er sogar noch eine Menge Verständnis für die negativen Gefühle seiner Großmutter aufzubringen. Eine Geschichte voller Komik, aber auch über tiefe Einsamkeit und das Fremdsein in einem anderen Land.

9. Laura Karasek: Drei Wünsche

Rebecca, Maxie und Helena sind alle um die 30. So unterschiedlich jede von ihnen ist, so haben sie doch alle eines gemeinsam. Sie befinden sich an einem Punkt in ihrem Leben, an dem sie das Gefühl begleitet, eine Entscheidung treffen zu müssen. Kind oder Karriere? Oder geht auch beides? Wann ist eine Beziehung gut – und wann nicht? Fragen über Fragen, die sich nicht immer eindeutig beantworten lassen. In Laura Karaseks Roman "Drei Wünsche" geraten drei Frauen ins Straucheln, in ein Gefühlswirrwarr aus Selbstzweifeln und gesellschaftlichen Anforderungen, die an sie gestellt werden. Ein Buch über die Suche, aber auch über Hoffnung.

Buchcover: Laura Karasek Drei Wünsche | Dave Eggers die Parade
© Eichborn | © Kiepenheuer & Witsch

10. Dave Eggers: Die Parade (ab 8. April 2020)

Für einen Großauftrag schickt eine internationale Baufirma zwei Straßenbauer in ein Land, in dem jahrelang Bürgerkrieg herrschte. Eine Straße, die den armen Süden mit dem reicheren Norden verbindet, soll gebaut werden. Das soll anschließend mit einer großen Militärparade auf der Straße gefeiert werden. Während der eine Straßenbauer seine Arbeit schnell und korrekt durchziehen will, mischt sich der andere unter das dort lebende Volk, ist neugierig und abenteuerlustig, will die Kultur des Landes kennenlernen. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Das Projekt schreitet voran, doch dann erkrankt einer der Männer lebensbedrohlich, was beide an ihren Grenzen bringt. Unweigerlich drängt sich die Frage auf, inwiefern sie den dort lebenden Menschen überhaupt helfen können, wenn sie den Auftrag zu Ende bringen? Dave Eggers legt mit "Die Parade" erneut eine fesselnde und hochpolitische Lektüre vor, die sich diesmal mit der Frage beschäftigt, ob der Westen überhaupt in der Lage ist, ein von Krieg gezeichnetes Entwicklungsland zu verstehen und dort zu helfen.

11. Eugen Ruge: Metropol

Mit "In Zeiten des abnehmenden Lichts" feierte Eugen Ruge großen Erfolg. 2019 kehrte er mit dem Roman "Metropol" zurück in die Bestseller-Listen. Die Geschichte spielt in den 1930er Jahren in Russland. Die deutsche Kommunistin, Charlotte, kommt 1936 nach Moskau, nachdem sie vor den Nationalsozialisten geflohen war. Mit dabei sind auch ihr Mann und die Britin Jill. Was bis hierhin nicht klar ist: Alle Protagonist*innen arbeiten für den kommunistischen Nachrichtendienst Komintern. Währenddessen wird den sogenannten Volksfeinden in Moskau gerade der Prozess gemacht. Charlotte erkennt einen der Verurteilten wieder – und der steht ihr näher, als sie gern hätte. Eugen Ruge spinnt in seinem Roman ein höchstspannendes Geflecht politischer Überzeugungen, von Verrat und Loyalität in Zeiten des politischen Terrors in den 1930er Jahren. Lesenswert!

 

Buchcover Eugen Ruge Metropol
© Rowohlt
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