Wo ist das Sommerloch, von dem immer alle reden, geblieben?

© Kerstin Musl

Sommer, Ferien, tote Hose….haben wir früher, als wir noch Schüler*innen waren, zu Hause immer gesagt. Gemeint haben wir damit wohl die schulfreie Zeit, auf die wir monatelang hingefiebert haben und die vielen Wochen, die wir Tag ein, Tag aus im Freibad auf der Wiese sonnend und die Jungs aus der Zehnten anschmachtend verbracht haben. Aber das ist lange her: Es ist zwar Sommer, es ist Ferienzeit, aber ein Sommerloch, wo mal so richtig tote Hose ist? Wir haben neulich morgens in der Konfi jedenfalls einstimmig beschlossen, dass davon jawohl nicht (mehr) die Rede sein kann. Und überhaupt: Gab es das wirklich mal? Was genau soll damit eigentlich gemeint sein? Und wieso reden davon immer noch alle?

Erste Recherchen ergeben zügig, dass das Sommerloch eben diese lang ersehnte Sommerpause sein soll. Klar, Sommerzeit ist Urlaubszeit. Das bedeutet, dass wir alle mal einen Gang runterschalten, uns in Müßiggang üben, eben weniger arbeiten und auch mal faul sein dürfen. Sogar die Politik legt ausnahmsweise eine Pause ein, Schulen und Universitäten schließen, die Fußballsaison pausiert und auch die Theaterspielzeit ist vorbei. Es schleicht sich ein Gefühl der Leere, der Entschleunigung ein, weil eben alle das Gleiche machen – nämlich in der Sonne baden, ein gutes Buch lesen oder schon am späten Nachmittag einen gekühlten Rosé schlürfen. Das wiederum führt dazu, dass im Sommer irgendwie alle nur noch Quatsch reden.

Im Sommer reden irgendwie alle nur noch Quatsch.

Der Stillstand macht sich auch im Journalismus bemerkbar, denn weil alle Ferien machen, werden auch weniger Nachrichten produziert, über die berichtet werden kann. Ziemlich sicher ist das auch der Grund, weshalb Zeitungen und Newsportale in den Sommermonaten Juli und August mit zum Teil wirklich absurden und kuriosen Geschichten um die Ecke kommen, die die Welt nicht braucht. Mit irgendwelchen Schlagzeilen muss man die Leser*innen schließlich bei der Stange halten – egal wie, könnte man meinen! Es gibt sogar Umfragen, die bestätigen wollen, dass die „Medien in dieser Zeit 'von gewohnten Berichterstattungsmustern’ abweichen und eine größere Eigeninitiative bei der Themenfindung pflegen, die 'nicht ereignisbezogen’ ist.“ Das muss jetzt nicht unbedingt schlecht sein, aber könnte unter Umständen die "Alle reden nur noch Quatsch"-These belegen, denn mehr Eigeninitiative steht eventuell auch im Zusammenhang mit mehr Fantasie, die in den Schreibprozess einfließt.

Liebe Leute, Sommerloch, das war einmal. Muss aber wirklich schön gewesen sein.

Nun, soweit ist das alles nachvollziehbar. Und es kann durchaus sein, dass das alles mal so war. Das Leben ließ sich früher meiner Meinung auch noch einfacher in Kategorien einordnen. Es gab das Arbeitsmodell 9 to 5, eine strikte Trennung von Beruf- und Privatleben, Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter. Eine Modekollektion für das Frühjahr und eine für den Herbst. Feste Spielzeiten im Theater, die Tagesschau morgens um acht und abends um 20 Uhr im Fernsehen. Alles hatte seine Zeit. Das ist aber heute nicht mehr so einfach.

Gefühlt (und eigentlich tatsächlich) verschwimmen diese Grenzen und die Dinge, die man eben zu bestimmten Zeiten gemacht oder nicht gemacht hat, immer mehr. Arbeitszeit und Privatleben lassen sich in vielen Jobs kaum noch trennen – nicht zuletzt, weil wir ständig an unseren Handys und auf diversen Kanälen zu erreichen sind. Auf das Wetter und die gängigen vier Jahreszeiten können wir uns auch nicht mehr verlassen. Ein Event jagt das nächste – egal zu welcher Jahreszeit. Die Postfächer sind immer voll, hier eine Einladung, da noch ein Angebot. Nachrichten konsumieren wir den ganzen Tag, immer und überall. Nein. Nur weil Sommer ist, dreht die Welt sich nicht langsamer, es passiert auch nicht weniger. Nur kommt jede News, jede Mail heute noch schneller bei uns an. Für das Abschalten, Faulsein und mal "Fünfe gerade sein lassen" sind wir deshalb mehr denn je selbst und aktiv mitverantwortlich. Liebe Leute, Sommerloch, das war einmal. Muss aber wirklich schön gewesen sein.

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