Berliner*innen am Sonntag: Friedlich in Friedenau mit Maria Ehrich
Der Sonntag ist heilig! Wir haben uns gefragt, was waschechte, zugezogene oder ganz frisch gebackene Berliner an diesem besten Tag der Woche eigentlich so tun? Lassen sie alle Viere gerade sein oder wird doch gearbeitet, was das Zeug hält? Sind sie „Tatort“-Menschen oder Netflix-Binger, Museumsgänger oder festgewachsen am Balkon? Brunchen sie mit Freunden oder trifft man sie allein im Wald beim Meditieren an? Wir haben bei unseren liebsten Berliner*innen nachgefragt.
Das sagt die Schauspielerin Maria Ehrich über ihren Sonntag
Ist der Sonntag ein besonderer Tag für dich?
Ich liebe es, aufzuwachen und zu wissen, dass da noch ein Tag zum Entspannen ist! Er hat also auf jeden Fall einen besonderen Status bei mir. Wahrscheinlich auch, weil ich früher immer am Sonntagmittag zu meiner Oma fahren und dort ausnahmsweise auch mal vor dem Fernseher essen und Märchen gucken durfte. Und wir haben an dem Tag mit der Familie oft rund um Erfurt Ausflüge ins Grüne oder an den See gemacht. Wenn wir dann nach Hause kamen, haben wir uns manchmal ein Feuer angemacht und es roch überall so richtig heimelig.
Das klingt ja sehr entschleunigt. Warum ist dann Berlin der richtige Ort für dich?
Ich habe lange gedacht, dass es nicht meine Stadt wäre. Als ich zum ersten Mal für einen Dreh hergekommen bin, war mir das hier zu groß und verrückt. Aber nach der Schule war mir klar, dass ich nicht nach Erfurt oder in irgendeine andere Stadt ziehen würde. Ich wollte nur nach Berlin. Ich wusste, dass die Stadt etwas für mich bereithält. Schiss hatte ich natürlich trotzdem. Doch in den ängstlichen Momenten habe ich mir gesagt: Ich kann jederzeit den Zug nehmen und in anderthalb Stunden wieder zuhause sein.
Wie sieht für dich ein perfekter Sonntag aus?
Der beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück. Danach gehe ich mit meinem Freund Manu und unserem Hund Pino in den Wald. Wir spazieren fast eine Stunde in der Natur und wenn wir zurück nach Hause kommen, entspannen wir erst mal ein bisschen, lesen was. Im Bestfall schauen wir nachmittags bei Manus Eltern vorbei – die wohnen auch in Friedenau und haben es richtig schön. Ich hänge da total gerne ab, esse was mit ihnen und genieße den großen Balkon.
Was steht am Abend an?
Da geht es noch ins Cosima, einen Film gucken. Ich finde, das Tolle an Berlin ist, dass einfach alles in gerade mal 24 Stunden möglich ist. Ich kann gut essen gehen, allein im Wald oder mit Freunden mitten im Trubel unterwegs sein. Ich gehe gerne auch mal abends aus, aber ich will es nicht müssen. Als eher introvertierte Person macht es mich nervös, wenn ich daran denke, dass ich immer noch unbedingt etwas unternehmen sollte. Ich brauche auch Zeit für mich. In Friedenau zu wohnen, ist da die ideale Lösung. Hier liegt alles ruhig, aber trotzdem zentral.
Als eher introvertierte Person macht es mich nervös, wenn ich daran denke, dass ich immer noch unbedingt etwas unternehmen sollte.
Wohin kann man noch so ausgehen?
Na zum Beispiel in den Zig Zag Jazz Club. Oder in einen Irish Pub. Ich mag diese kleinen Läden. Das Cosima Kino hat ja auch nur einen Saal und das macht es richtig urig. Der letzte Film, den ich dort gesehen habe, war „Der Fall Collini“. Davon war ich sehr begeistert. Ich muss eigentlich nicht mehr raus aus meinem Kiez. Hier gibt es alles, was ich brauche.
Was kann an einem Sonntag nerven?
Na in letzter Zeit habe ich an dem Tag auch viel gearbeitet. Da gab es für den Hund auch nur morgens die kleine Runde um den Block und danach zuhause ein Frühstück, bei dem ich mit Manu schon über unsere gemeinsame Doku „Leaving the Frame“ geredet und nächste Arbeitsschritte besprochen habe. Nur dann sagt man sich ja immer: Nein, jetzt nicht. Es ist Sonntag! Aber der Film ist nun mal, mit unserem Cutter Dave, ein Drei-Mann-Projekt. Dave kam für ein halbes Jahr lang jeden Morgen bei uns vorbei, um den Film zu schneiden, und ging erst in den späten Abendstunden wieder nach Hause. Zusammen sind wir wirklich permanent mit dem Kinofilm beschäftigt gewesen. Die vergangenen Wochenenden haben wir oft durchgearbeitet und manchmal noch um drei Uhr nachts mit ganz kleinen Augen daran gesessen.
Bist du ein strukturierter Mensch?
Ich wünschte! Es passiert leider viel zu selten, dass ich eine To-Do-Liste habe, die ich von vorne bis hinten abarbeite. Meistens komme ich mir vor, als würde ich eine Marionette in der Hand halten, bei der die Fäden nicht in einem Kreuz enden, wie ich es gerne hätte. Vielmehr kommen die Fäden immer wieder runter.
Das scheint übel zu sein.
Es ist schon hart. Hätte mir jemand vorher gesagt, was alles auf mich zukommt, wenn man einen Film selbst auf die Beine stellt, dann hätte ich das nicht allein gemacht. Als Schauspielerin komme ich ja immer nur für die Zeit des Drehs zu einem Projekt dazu. Aber drum herum passiert noch so viel mehr. „Leaving the Frame“ ist ja erst richtig fertig, wenn der Film ab dem 3. Oktober in den Kinos läuft.
Hätte mir jemand vorher gesagt, was alles auf mich zukommt, wenn man einen Film selbst auf die Beine stellt, dann hätte ich das nicht allein gemacht.
Wie fühlt es sich an, auch noch ein eigenes Buch geschrieben zu haben?
Über das Buch, das schon vor dem Film erschienen ist, freue ich mich so sehr. Es zum ersten Mal in den Händen gehalten zu haben, war ein unvergesslicher Moment! Aber gleichzeitig kamen auch Zweifel auf: Was ist, wenn es die Leute schrecklich finden? Mein innerer Kritiker stellte in Frage, ob ich gut genug dafür bin, ein ganzes Buch selbst zu schreiben. Ich werde mit 26 manchmal noch als junges Küken abgestempelt. Ich weiß, dass das so nicht stimmt und ich kämpfe dagegen an. Aber in den schwachen Momenten kommen solche Gedanken trotzdem an mich heran.
Wie schaffst du es, am Sonntag abzuschalten?
Ich gehe raus. Wenn ich im Grunewald ankomme, habe ich oft noch ganz viele Fragen und Zweifel im Kopf. Ich frage mich zum Beispiel, wie unser Film ankommen wird und was wäre, wenn er den Leuten nicht gefällt. Dann bekomme ich Fluchtgedanken und überlege mir, ob ich nach Kanada auswandern sollte, wenn alles schief läuft. Und dann kriege ich Panik, weil ich mich frage, wie ich das bewerkstelligen sollte? Doch nach einer Stunde im Wald herumlaufen, bin ich viel entspannter. Die schlechten Gedanken sind weg und ich fühle mich wieder geordnet. Ich kann mich dann auch selbst beruhigen und weiß, dass ich mich Kritik stellen kann. Aber leider gibt es da draußen auch viel Missgunst.
Wenn ich im Grunewald ankomme, habe ich oft noch ganz viele Fragen und Zweifel im Kopf.
Selbst Instagram ist nicht immer so nett.
Stimmt. Es sollte nicht nur für Fotos Filter geben, sondern auch für Texte. Damit die netter und konstruktiver werden. Ich lache oft erst über einen gemeinen Kommentar, aber mit der Zeit frage ich mich schon häufiger, warum da jemand auf meine Seite geht und so etwas Fieses schreibt und ob da am Ende vielleicht noch etwas dran ist? Und manchmal muss ich mich auch zurückhalten, nicht direkt einen Impulskommentar zurückzuschicken. Meistens fahre ich sehr gut damit, kurz abzukühlen und dann nett zu reagieren.
Musstest du dich bei deiner siebenmonatigen Reise mit deinem Freund mit viel Negativität herumschlagen oder ging es da freundlicher als im Netz zu?
Wir hatten auf jeden Fall sehr viele emotionale Momente, weil wir Menschen getroffen haben, die unfassbare Sachen erlebt haben. Zum Beispiel Jurek, der Holocaust-Überlebende, den wir in New York trafen. Seine Geschichte ist unglaublich. Als wir uns mit ihm unterhielten, mussten wir auch immer wieder daran denken, was bei uns auf der Welt gerade abgeht. Jurek weiß auch genau Bescheid über die aktuelle Lage überall. Es macht ihm genauso Angst und hat mir und Manu noch mal die derzeitige Lage ganz anders bewusst werden lassen. Ich habe große Sorge, dass sich alles zu sehr entzweit. Ich hatte auch schon Gespräche mit Menschen, die mir nahe stehen, aber Ansichten haben, die ich nicht vertreten kann. Man kann ihnen nicht einfach den Mittelfinger entgegenstrecken und gehen. Das wäre der falsche Weg. Man muss in die Diskussion gehen und hoffen, dass den Austausch etwas geändert werden kann.
„Leaving the Frame“ startet am 3. Oktober 2019 in den Kinos.
Was hast du durchs Reisen gelernt?
Gelassener zu sein. Ich habe gelernt, dass es immer weiter geht und dass alles irgendwie gut wird. Ich habe Leute kennengelernt, die mit Wenig zufrieden sind. Das hat mich demütig werden und noch mehr Respekt vor unserem Planeten bekommen lassen. Ich habe auch das Gefühl, durch das Reisen noch ein Stück erwachsener geworden zu sein.
Du hast dir nun einen großen Traum erfüllt, welchen verfolgst du jetzt?
Vielleicht schreibe ich noch ein Buch, was Fiktives. Ich will natürlich weiter Schauspielern, aber ich könnte mir auch vorstellen, Filme und Dokus zu produzieren. Manu und ich haben im Zuge unseres Projekts eine eigene Filmproduktionsfirma gegründet. Das ist das Tolle: „Leaving the Frame“ hat mir Türen für die verschiedensten Dinge geöffnet. Vor der Reise hatte ich extreme Blockaden im Kopf. Uns wird ja oft eingeredet, dass man nur einen Weg und den auch nur bis zu einer bestimmten Grenze gehen kann. Aber das ist Quatsch. Ich hatte Sorge, dass ich keine Rollen mehr bekomme, wenn ich von unserem Trip wiederkomme. Dass ich dann nichts mehr habe. Ich habe ja nicht mal studiert. Diese Ängste standen mir lange im Weg beim Verwirklichen meines Traums. Aber dann habe ich mir ein Stück weit selbst die Türen eingetreten. Jetzt kann ich wirklich eine Menge machen, wenn ich nur will.