Druff, druff, druff – Drei fundamentale Regeln fürs Feiern

© Hella Wittenberg

Ich weiß selbst nicht genau, wie es kommt. Immerhin werde ich demnächst vierunddreißig. Ich sollte mich so langsam auf Modelleisenbahnen verlegen. In den Park gehen und Enten füttern. Oder Hasskommentare im Internet schreiben. Was man eben im Alter so macht. Stattdessen erwische ich mich noch immer dabei, dass ich feiern gehe. Mal mit Freunden, mal ohne. Mal mit Drogen, mal –... na, lassen wir das.

Einen Vorteil hat es da wiederum, dass ich mich dem Greisentum nähere: Inzwischen wirft mich so gut wie nichts mehr aus der Bahn. Früher war es mir immer ein Graus, am Morgen (bzw. Nachmittag oder Abend) danach mit den Öffentlichen nach Hause zu fahren. Ich fühlte mich beobachtet, exponiert, belächelt. Der walk of shame – ich war ihm komplett ausgeliefert. Doch heute ist mir das völlig egal. Erstens sind in dieser Stadt sowieso alle kaputt. Und zweitens hat auch das Runterkommen seinen Reiz.

In Berlin sind sowieso alle kaputt

Dazu kommt die Erkenntnis, dass manche Dinge und Verhaltensweisen sich niemals ändern. Die Zwanzigjährigen, mit denen ich heute auf Achse bin, bauen noch immer den gleichen Scheiß, den ich mit zwanzig gebaut habe. Einerseits ist das beruhigend. Ich erwische mich jedoch bisweilen bei dem Wunsch einzugreifen, klärend auf die mir Schutzbefohlenen einzuwirken. Vermutlich auch ein Zeichen dafür, dass ich alt werde.

Es ist doch zum Beispiel so: Berlin pflegt bekanntermaßen eine sehr harte Türsteherpolitik. Wer hier feiern will, muss sich daran gewöhnen, gescannt zu werden. Meistens von professionellen Selectern, die gut abschätzen können, welche Mischung des Publikums eine gute Party verspricht. Mitunter aber auch von machtgeilen Kretins ohne jegliches Feingefühl.

Wenn Türsteher die Gruppe spalten

Take it or leave it, dachte ich früher. Das ist nun mal der Deal. Wenn du in einen Club willst, musst du dieses Spiel mitspielen. So denke ich auch heute noch. Allerdings bin ich inzwischen soweit, dass ich es im Zweifelsfall lieber bleiben lasse. Wenn es gar zu blöd wird, muss man eben nicht mitspielen. Vorauseilender Gehorsam ist unangebracht.

Zur Veranschaulichung: Es hat sich vor Kurzem ergeben, dass ich in einer Gruppe von elf zusammen gewürfelten Leuten in der Schlange vorm Kater Blau stand. Ich hatte sie erst an diesem Abend kennengelernt. Elf Leute sind selbstverständlich zu viel, um auf einmal reingelassen zu werden. Die Schlange war lang, also hatten wir genug Zeit, zu überlegen, welche Aufteilung am erfolgsversprechendsten ist. Vier, vier, drei? Noch kleinere Gruppen?

Wir hatten zwei Stammgäste dabei, Bekannte der Türsteher. Da schien es zum Beispiel plausibel, dass die jeweils eine Gruppe „hosten“. Und der Rest würde sich dann schon ergeben. Soll ich euch was sagen? Während wir uns dem Eingang näherten, haben die beiden sich klammheimlich abgesetzt und sind zu zweit reingegangen. Auch bei den anderen konnte ich wahrnehmen, wie sie sich voneinander abgrenzten. Zum Schluss waren nur noch zwei Frauen und ich übrig. Eigentlich eine perfekte Mischung. Doch als der Türsteher fragte: „Wie viele seid ihr?“, da sagten sie: „Zwei.“

Reinzukommen ist nicht die Hauptsache

Ich bin nicht verbohrt. Man muss in diesem Szenario nicht bedingungslos loyal sein. Wenn zwei Dreiergruppen vorm Berghain anstehen, eine reingelassen wird, die andere nicht, dann müssen nicht beide aus Solidarität draußen bleiben. Ich verstehe nur nicht, wie Menschen so bereitwillig zu Opportunisten werden wie in diesem Kater-Blau-Fall.

Als die beiden Frauen sich so galant davon gestohlen hatten, musste ich innerlich lachen. Genau da war nämlich der Punkt erreicht, an dem ich dachte: Dieses Spiel ist so dämlich, wenn ich jetzt heimgehen muss, ist das völlig in Ordnung. Wahrscheinlich hatte ich dadurch genau die richtige Haltung. Der Türsteher ließ mich kommentarlos rein. An der Kasse sammelten wir uns wieder und gingen gemeinsam feiern. Trotzdem hatten diese Leute für mich eine nicht unbedeutende Schicht Lack verloren.

Lasst das Handy zu Hause

Ein anderer Grundsatz betrifft die Kommunikation mit der Außenwelt. Es hat schon einen Grund, warum Telefone im Club unerwünscht sind. Leider reicht es nicht aus, kleine Aufkleber auf die Kameras zu kleben. Man sollte sein Handy am besten gar nicht mit reinnehmen. Damit macht man nämlich nur Unsinn.

„Wo bist du? Wo seid ihr? Wo bin ich?“ Wenn es etwas gibt, das Clubgänger noch exzessiver betreiben als Tanzen, dann ist es das sich gegenseitige Suchen. Und wenn man sich dann gefunden hat, steht man drei Sekunden beisammen, freut sich über das Wiedersehen – und geht wieder streunen. Sodass man sich kurz danach erneut suchen kann.

Ich liebe den (meist drogeninduzierten) Eifer, mit dem diese sinnlose Suche betrieben wird. Wie soll man auch sonst die vielen Stunden bis zur Afterhour hinter sich bringen? Wenn dabei jedoch Handys zum Einsatz kommen, wird es anstrengend. Ich mag das Suchen, aber ich will nicht dauernd daran erinnert werden, dass ich auch gesucht werde. Zumal man sich sowieso immer wieder über den Weg läuft.

Wo bist du? Wo seid ihr? Wo bin ich?

Und natürlich sollte man niemals Nachrichten an die Außenwelt schicken. Ex-Partnern und Arbeitgebern zu schreiben ist grundsätzlich eine dumme Idee. Wenn man dies morgens um fünf tut, mit einer Euphorie, deren Ursprung nur allzu offensichtlich erscheint, kann man damit richtig ins Klo greifen. Es sollte eine App geben, die den Giftgehalt im Blut misst und dann sämtliche Nachrichten in einem Zwischenspeicher ablegt. Oder am besten gleich löscht. Bis diese App erfunden wird, kann ich nur den Flugmodus empfehlen.

Zum Schluss noch ein ernst gemeinter Appell. An sich sollte es selbstverständlich sein, dass man als Druffi wenigstens soviel Verantwortung übernimmt, auf das Wohlbefinden anderer Druffis zu achten. Auch dazu eine Begebenheit: Ein Freund von mir (hüstel) verbrachte den Abend mit einer Gruppe von Leuten. Es wurde gekokst, jeder lud sich mal gegenseitig auf eine Line ein. Irgendwann merkte mein Freund, dass das Zeug komisch schmeckte. Auf Nachfrage erfuhr er, dass er gerade Keta gezogen hatte. Und als er sich beschwerte, dass er das gern vorher gewusst hätte, meinte der Spender: „Ey, was willst du? Ich hab's dir ja immerhin ausgegeben.“

Es liegt NICHT in der Verantwortung des Beschenkten, zu fragen, was er da kriegt.

Machen wir uns nichts vor: Drogen zu nehmen wird immer ein Hasardspiel bleiben. Da kann man noch so vorsichtig sein. Aber es würde mir niemals, niemals einfallen, einer Person, die ich einlade, irgendwas unterzujubeln. Es liegt NICHT in der Verantwortung des Beschenkten, zu fragen, was er da kriegt. Transparenz ist hier genauso wichtig wie überall sonst.

Hier nochmal die Checkliste zum Mitschreiben:

  1. Lasst euch nicht durch vorauseilenden Gehorsam von den Türstehern spalten.
  2. Im Club immer Flugmodus einschalten. Schließlich fliegt ihr ja auch.
  3. Verursacht bitte keine anaphylaktischen Schocks.

Wenn ihr diese einfachen Regeln beherzigt, kann eigentlich nichts schief gehen. Ich geh jetzt Modelleisenbahn bauen.

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